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Hebammen Bis zu drei Geburten gleichzeitig

Auf Geburtsstationen betreut eine Hebamme oft viele Frauen gleichzeitig, so ein Gutachten des Bundestags. Das ist auch in Sachsen-Anhalt so.

Von Elisa Sowieja 05.04.2017, 01:01

Magdeburg l Eine werdende Mutter sollte bei der Entbindung eine Hebamme nur für sich haben. Dies gilt laut medizinischer Leitlinien. Gesetzliche Bindungskraft haben diese Leitlinien allerdings nicht. Einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zufolge, das mehrere Studien zusammenführt, muss sich in Kliniken aber fast jede zweite Hebamme um drei Gebärende gleichzeitig kümmern. Der Landes-hebammenverband berichtet, auch in Sachsen-Anhalt gebe es oft keine Eins-zu-Eins-Betreuung.

Dabei sind die Geburtsstationen auf den ersten Blick oft gut aufgestellt, zeigt eine Stichprobe der Volksstimme: In der Landesfrauenklinik Magdeburg etwa arbeiten nach eigener Angabe zwei bis drei Hebammen pro Schicht – bei im Schnitt vier Geburten am Tag. Im Ameos-Klinikum Schönebeck sind es zwei Hebammen bei zwei Geburten. Jedoch: „Die Planstellen reichen wegen der vielen anderen Aufgaben nicht aus“, sagt Verbandschefin Petra Chluppka. „Die Hebammen arbeiten am Limit.“ Landesfrauenklinik-Chef Serban-Dan Costa sieht die Situation zwar nicht so dramatisch, nennt sein Personal aber auch „relativ knapp bemessen“.

Was eine Hebamme nebenbei zu tun hat, schildert Lena Schulz – ihren richtigen Namen will sie in der Zeitung nicht lesen. Auch auf ihrer Station sieht der Personalschlüssel mit zwei Hebammen pro Schicht bei zwei Geburten am Tag erst einmal gut aus. „Aber neben der Betreuung muss ich bei allen Schwangeren eine 30-minütige Herztonaufzeichnung machen, Medikamente bestellen, Geräte warten, Dokumentationen schreiben und sogar putzen – denn auf den Reinigungsservice können wir meist nicht warten.“ Hinzu kommt, dass auch mal mehr Frauen als geplant gleichzeitig gebären. Die Folgen: Derzeit habe Schulz rund 130 Überstunden angehäuft. „Und dass wir zwei Frauen gleichzeitig betreuen, ist keine Seltenheit. Es kommt auch vor, dass es drei sind.“

Mehr Personal können sich die Kliniken in der Regel nicht leisten. Denn die Krankenkassen zahlen nur für die Geburten. Das Gutachten besagt sogar, dass bundesweit zwei Drittel der Geburtenstationen nicht wirtschaftlich arbeiten.

Ein weiteres Problem: Einige Kliniken können Stellen nicht besetzen. In Zerbst werden seit neun Monaten zwei Geburtshelferinnen gesucht. In Haldensleben ist die Station derzeit sogar außer Betrieb, weil die Klinik weder Hebammen noch Gynäkologen findet.

Bisher hält sich das Problem allerdings in Grenzen. Die Zahl der Klinik-Hebammen blieb in den vergangenen Jahren konstant bei 220 bis 230. Doch sie wird sinken, glaubt Chluppka – nicht nur wegen des Arbeits­pensums, sondern auch, weil es die Hebammen stört, dass sie im Kreißsaal immer weniger entscheiden dürften.

Costa von der Landesfrauenklinik sieht hier eine klare Lösung: Kleine Stationen sollten schließen, damit man sich die Hebammen nicht gegenseitig wegnimmt. Guido Lenz vom kleineren Schönebecker Klinikum ist dagegen – nicht nur wegen der weiteren Fahrtwege: „Eine Geburt ist kein Prozess aus der Massenproduktion.“

Was die Finanzen betrifft, schlägt Verbandschefin Chluppka vor, dass die Geburtshilfe statt von den Krankenkassen aus einem separaten Topf bezahlt wird, sodass die Höhe der getragenen Kosten individueller berechnet werden kann.

Bevor aber überhaupt etwas passieren kann, braucht das Land erst einmal konkrete Zahlen zur Situation auf den 25 Geburtsstationen. Die könnte es Ende des Jahres geben. Denn ein Runder Tisch mit Mitgliedern aus Politik und Praxis soll sich bis dahin einen Überblick über die Hebammenversorgung in Sachsen-Anhalt verschaffen und Verbesserungsvorschläge entwickeln.