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Hilfsfristen Retter immer noch zu langsam

In drei Jahren seit 2014 hat kein Landkreis die Mindestvorgabe von 95 Prozent für die Einhaltung der Hilfsfrist von 12 Minuten erreicht.

Von Matthias Fricke 06.06.2017, 01:01

Magdeburg l Ein Rettungswagen ist Ende März nach Schkopau im Saalekreis zu einem älteren Notfall-Patienten gerufen worden. Aufgrund einer Straßenbaustelle landeten die Sanitäter jedoch in einer Sackgasse, mussten umdrehen und trafen aufgrund des dann gefahrenen Umweges erst nach 33 Minuten am Haus des Mannes ein. Dieser war da aber schon tot. Die Baustelle und damit verbundene Umleitung war zwar in den Leitstellen bekannt, die Sanitäter laut Medienberichten darüber aber nicht informiert.

„Einen solchen Extremfall gab es zum Glück bei uns im Landkreis Harz noch nicht. Aber es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, wenn wir jetzt nicht reagieren. Die Beschwerden nehmen schon zu“, sagt Kai-Uwe Lohse, Leiter der dortigen Rettungsleitstelle.

Das Problem: Die gesetzliche Hilfsfrist vom Notruf bis zum Eintreffen am Einsatzort für Rettungswagen (RTW) beträgt zwölf Minuten. Doch zu selten wird sie eingehalten. Das Rettungsdienstgesetz hält als Mindestvorgabe einen Erfüllungsgrad von 95 Prozent für tolerierbar. Doch in den vergangenen drei Jahren hat laut Innenministerium kein Landkreis oder Stadt dies erreicht.

Der Landkreis Harz schaffte es zum Beispiel im vergangenen Jahr auf nur 69,28 Prozent. Zwei Jahre zuvor waren mit 43,60 Prozent nicht einmal die Hälfte aller RTW rechtzeitig am Einsatzort. Lohse: „Wir haben deshalb drei zusätzliche Rettungswachen geschaffen. Die in Hasselfelde wird erweitert, die in Elend und Badersleben seien kurz vor der Fertigstellung.“ Man arbeite aber schon seit eineinhalb Jahren mit Containerlösungen. „Uns fehlen dennoch weiter Kapazitäten“, erklärt er. Deshalb habe der Landkreis ein neues Gutachten in Auftrag gegeben.

Schlusslicht im Vergleich der Einhaltung der Hilfsfristen ist der Landkreis Stendal. Dort trafen nur 63,75 Prozent der RTW innerhalb der zwölf Minuten ein. Für Sebastian Stoll, zuständiger Beigeordneter im Landkreis Stendal, ist das schlechte Abschneiden seines Bereichs auch auf die unterschiedliche statistische Erfassung der Einsätze in den Leitstellen des Landes zurückzuführen. 2017 soll es einheitliche Vorgaben durch das Innenministerium geben, weil zum Teil auch andere Leistungen als Notfallrettung mit einberechnet wurden. Stoll: „Ein Hauptgrund bei uns ist der Anstieg der Einsätze um 25 Prozent.“ Ein Gutachten soll nun klären, ob und wo neue Rettungswachen oder Einsatzfahrzeuge nötig sind.

Juristische Auswirkungen haben die Frist-Überschreitungen laut Lutz-Georg Berkling vom Innenministerium aber nicht: „Die Hilfsfrist ist eine planerische Größe.“ Nur bei groben Abweichungen greife die Kommunalaufsicht aktiv ein. Dies sei bisher aber zunächst nicht nötig gewesen.

Sind Klagen wegen Verzögerungen möglich? Susann Gabriel, Anwältin für Medizinrecht: „Das kommt auf den Einzelfall an. Man muss ein Verschulden des Rettungsdienstes und einen Kausal-Zusammenhang mit dem eingetreten Schaden nachweisen können.“