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Hochwasser Neue Gefahren im Harz

Das Wetter im Harz bessert sich, Pegelstände sinken. Rund um Halberstadt bilden sich nun neue Gefahrenschwerpunkte.

Von Dennis Lotzmann 27.07.2017, 08:38

Harsleben/Silstedt l Während sich die Hochwassersituation in Derenburg, Wernigerode und im Raum Osterwieck langsam entspannt, sind Langenstein und Harsleben neue Schwerpunkte. In Langenstein ist der Ölmühlenteich übergelaufen, sodass noch mehr Wasser in den ohnehin randvollen Goldbach strömt. Zudem droht ein mit Häusern bebauter Hang abzurutschen. 

Sowohl Verbandsgemeinde-Bürgermeisterin Ute Pesselt als auch Gemeindechefin Christel Bischoff bitten um weitere freiwillige Helfer, die vor Ort mit anpacken. „Wir benötigen Helfer zum Füllen und Verladen der Sandsäcke", so Ute Pesselt. Zudem, ergänzte Christel Bischoff, würden auch Helfer gebraucht, um die Sandsäcke zu verbauen. „Jeder, der mit anpacken kann, ist willkommen."

Zwar steht am Schützenplatz eine Sandsackfüllmaschine des THW – wer mit Schippe vorbeischaut, könne aber ebenfalls helfen oder die Helfer später ablösen. Ferner würden Euro-Paletten und Radlader benötigt, um Sandsäcke schneller verladen zu können. Gefragt seien auch Helfer mit Wathosen, um Menschen direkt in den gefluteten Häusern zu helfen. Ebenfalls willkommen sind Freiwillige, die die Helfer mit Essen versorgen, Brote schmieren oder Kaffee kochen.

Hilfe bekommen die Harsleber auch aus Derenburg. Nachdem die Flutwelle der Holtemme Derenburg passiert hat und die Pegel sinken, werden dort in Windeseile 5000 Sandsäcke abgebaut und nach Harsleben transportiert.

Für den noch immer vom Hochwasser der Holtemme bedrohten Wernigeröder Ortsteil Silstedt kommt Hilfe aus der Luft. Ein gefährdeter Damm solle mit sogenannten Big-Bags abgedichtet werden, damit nicht erneut Wasser in den Ort laufen könne, sagte am Donnerstag Stadtsprecher Tobias Kascha. Die riesigen mit Erde gefüllten Kunststoffsäcke werden laut Kascha von Bundeswehrhubschraubern aus der Luft abgeworfen. Silstedt gehörte mit zu den am stärksten von Überflutungen betroffenen Harz-Ortschaften. Unterdessen begannen in Wernigerode erste Aufräumungsarbeiten. "Wir waren gerade im Ort unterwegs", sagte Kascha. Jetzt müsse zunächst ein Schadenskatalog zusammengestellt werden und natürlich müsse es erste Reparaturen geben. In der Innenstadt habe sich die Lage beruhigt, die zum Schutz aufgeschichteten Sandsäcke könnten wieder weggebracht werden.

Von einer seit Dienstag an dem Hochwasser-Fluss Holtemme vermissten Seniorin fehlt weiter jede Spur. Nach der 69-Jährigen aus Wernigerode werde weiter gesucht, hieß es am Donnerstag im Polizeirevier Harz. Bisher sei die Suche mit Hunden und per Hubschrauber ergebnislos verlaufen. Die Frau wohnt direkt neben der Holtemme. Die Polizei schließt nicht aus, dass die Frau in den Fluss gefallen ist. Die Kriminalpolizei ermittle derzeit im Umfeld der Seniorin. Auf Wunsch der Familie sei bisher kein öffentlicher Fahndungsaufruf herausgegeben worden. Es würden deshalb auch keine Details zu der Vermissten mitgeteilt, sagte eine Sprecherin.

Andere Schwerpunktregionen der vergangenen Tage wie Wernigerode und Derenburg kamen hingegen zur Ruhe. Die Wasserstände der meisten Flüsse und Bäche im Harz gingen spürbar zurück, wie auf der Internetseite der Hochwasserzentrale mitgeteilt wurde. Nach den Überflutungen stehen die ersten Aufräumarbeiten bevor. "Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen", sagte Wernigerodes Oberbürgermeister Peter Gaffert (parteilos). Die Pegelstände fielen zwar langsam, doch viele Feuerwehrleute kehrten erschöpft in die Wachen zurück. "Was an dieser Stelle auch mal erwähnt werden sollte, sind die vielen, vielen zivilen Helfer, die überall mit anpacken. Das ist toll!", betonte der Sprecher der Einsatzstelle.

Enorme Regenmengen hatten kleine Bäche in der Harzregion zu reißenden Fluten werden lassen, Straßen und Häuser standen unter Wasser. Einsatzkräfte sicherten in der Nacht zum Donnerstag den Flusslauf der Holtemme, damit Mahndorf bei Halberstadt nicht überflutet wird. Nach Angaben der Feuerwehr im Kreis Harz stehen nach wie vor viele Keller unter Wasser. Sie sollen am Donnerstag leer gepumpt werden.

In der Nähe von Wernigerode lief seit Mittwochabend eine Talsperre über. Geringe Mengen schwappten über die Staumauer, wie ein Sprecher des Talsperrenbetriebs in Sachsen-Anhalt sagte. Er sprach von 1,5 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Das sei so viel wie acht gefüllte Badewannen. Auch in den nächsten Tagen wird noch Wasser überlaufen. Derzeit strömten rund 1,3 Kubikmeter je Sekunde in den Zillierbach, negative Auswirkungen auf Wernigerode gebe es aufgrund der vergleichsweise geringen Mengen nicht, sagte der Geschäftsbereichsleiter im Talsperrenbetrieb, Joachim Schimrosczyk, am Donnerstag in Blankenburg. In den zurückliegenden Tagen habe die Talsperre, aus der Wernigerode Trinkwasser bezieht, 700.000 Kubikmeter Wasser aufgenommen und nichts abgegeben.

Nach Angaben des Landkreises Harz waren rund 80 Prozent der Feuerwehren und Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks Halberstadt und Quedlinburg seit Dienstag rund um die Uhr an den Schwerpunkten. Sandsäcke wurden befüllt. Vor allem an den Harzflüssen Ilse und Holtemme lief der Kampf gegen die Wassermassen. Als kritisch hatte der Landkreis die Situation in Wernigerode, Silstedt und Derenburg noch am Mittwochabend bezeichnet. Zahlreiche Straßen und Ortsdurchfahren im Kreis waren gesperrt. In Ilsenburg hatte sich die Lage schon am Mittwoch entspannt.

Auch Wettersicht gibt es allerdings gute Nachrichten: In den kommenden Tagen sind weitere schwere Regenfälle nicht in Sicht. "Zeitweise Niederschläge halten sich arg in Grenzen, sie sind nicht in dem Rahmen, dass es wieder zu einem Hochwasser kommen könnte", sagte am Donnerstag der Meteorologe Florian Engelmann vom Deutschen Wetterdienst in Leipzig. Es gebe nur vereinzelt leichte örtliche Schauer. (mit dpa)

Der Hochwasser-Liveticker zum Nachlesen.