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IC-Nothalt Pro Bahn kritisiert Ausstiegsverbot

Ohne Klimaanlage steckten die Passagiere eines Intercity-Zuges am Sonntag bei Stendal fest. Aussteigen durften sie nicht.

18.07.2016, 23:01

Staffelde l 450 Passagiere der Deutschen Bahn strandeten am Sonntag in der Altmark, als ihr Zug gegen 13 Uhr bei Staffelde (Landkreis Stendal) zum Stehen kam. Der Intercity war auf dem Weg von Amsterdam nach Berlin. Die Lok fiel auf offener Strecke aus, deshalb funktionierte die Klimaanlage nicht mehr. In modernen Intercity-Zügen können die Fenster nicht geöffnet werden. Bei sommerlichen Temperaturen heizten sich deshalb die Waggons immer mehr auf. Dreieinhalb Stunden dauerte der Alptraum für die Passagiere.

Um 15 Uhr, zwei Stunden nach dem Nothalt, rückten Rettungskräfte aus, gerufen von der Notfall-Leitstelle der Bahn. Wegen der Hitze im Zug mussten fünf Reisende mit Kreislaufproblemen versorgt werden. Zwei von ihnen brachte der Rettungsdienst vorsorglich ins Krankenhaus. Der Rest der Passagiere blieb im Zug, in den die Feuerwehr zwischenzeitlich mit Schläuchen Frischluft pumpte.

Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn kritisierte gestern, dass die Rettungskräfte Reisenden nicht frühzeitig bei Ausstieg helfen durften. „Die Leute, die aussteigen wollen, sollten aussteigen dürfen“, sagte der Vorsitzende des Vereins. Mit Hilfe der Feuerwehr sollte es möglich sein, den Zug vorübergehend zu verlassen. „Das ist auch psychologisch gut. Dann sehen die Leute, dass etwas passiert.“

Den Ausstieg der Passagiere wollte die Bahn am Sonntag allerdings nicht ermöglichen. „Die Sicherheit ist hier das zentrale Thema“, sagte ein Bahnsprecher. Zwar wurden sofort nach der Lokpanne sowohl Busse als auch eine Abschlepplok organisiert, der Ausstieg der 450 Passagiere und der Marsch zum Bus wurde dann aber doch als zu gefährlich eingestuft. Die Bahn nannte als Grund „schlechte topographische Verhältnisse“. Unter den Reisenden waren auch zwei Rollstuhlfahrer. Außerdem an Bord: Drei Kinderwagen und 16 Fahrräder. Auch das hätte gegen eine Evakuierung des Zuges gesprochen. Ob das Warten draußen angenehmer gewesen wäre, bezweifelte die Bahn gestern. Auf der Strecke gäbe es keinen Schatten. Um 15 Uhr lag die Temperatur bei 23,5 Grad. Stattdessen öffnete die Bahn die Türen auf der gleisabgewandten Seite und verteilte kostenlos Wasser, das für Notfälle mitgeführt wird. Eine Diesellok, die Zug und Klimaanlage wieder mit Strom versorgte, kam um 15.15 Uhr aus Berlin an. Als „relativ zügig“ schätzte die Bahn dieses Eintreffen ein.

„Es gibt bei uns keine Orte, wo Loks einfach herumstehen“, so ein Sprecher. Aus betriebswirtschaftlichen Gründen würden alle Triebwagen planmäßig genutzt. „Es darf nicht eine Stunde dauern, bis die Hilfslok losfährt“, kritisierte dagegen Karl-Peter Naumann von Pro Bahn. Wenigstens einige Loks sollte die Bahn für Notfälle zurückhalten.

Weiter ging es für die Reisenden erst nach Abschluss des Feuerwehreinsatzes um 16.30 Uhr. Bei 275 Minuten Verspätung können sie laut Fahrgastrechteverordnung 50 Prozent des Fahrpreises zurückfordern. Die Bahn kündigte darüber hinaus weitere 100 Euro Entschädigung in Form eines Beförderungsgutscheins an.

Bereits 2010 gab es auf der Strecke einen ähnlichen Vorfall, als in einem ICE-Zug die Klimaanlage ausfiel. Damals wurden fünf Menschen mit Kreislaufproblemen ins Krankenhaus eingeliefert. Täglich fahren auf der Strecke zwischen Hannover und Berlin 90 Fernverkehrszüge.