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Erziehungsbewegung In den Fußstapfen der Pfadfinder

Die Blaufklüfte von Möckern können sich über fehlenden Nachwuchs nicht beschweren.

Von Juliane Just 14.02.2017, 00:01

Möckern l Was haben David Backham, Stefan Raab und Neil Armstrong gemeinsam? Richtig, sie waren mal bei den Pfadfindern. Dass die Pfadfinderei ihr angestaubtes Image zu unrecht hat, zeigen die Möckeraner Schwäne.

Schon bei der Begrüßung wird klar, dass hier andere Regeln herrschen. Man gibt sich nicht nur die linke Hand, sondern spreizt den kleinen Finger beim Handschlag ab, so dass die Hände zusätzlich ineinander verkeilt sind. Herzlich begrüßen sie sich in dieser Art und eines wird deutlich: Sie sind eine starke Gemeinschaft.

Bei dem Wort „Pfadfinder“ hat wohl jeder direkt ein Bild im Kopf. Von Kindern mit Halstüchern. Von Lagerfeuern und singen. Von Waldspielen und Räuber-und-Gendarme. Ohne Klischees zu bedienen: Das ist auch heute noch so. Nur moderner. Pfadfinden heißt vor allem, in der Gemeinschaft zu leben und diese zu erleben.

In blauen Klüften sitzen fünf Mitglieder der Pfadfindergruppe Möckern zusammen. Der Anblick ist ungewohnt und erinnert ein wenig an Zeiten, in denen Schuluniformen noch an der Tagesordnung waren. Das Alter der Anwesenden reicht von zehn bis 38 Jahren.

An den jeweiligen Farben der Halstücher ist zumindest zu erkennen, welcher Altersgruppe sie in etwa angehören und welcher Gruppe von Pfadfindern. „Es ist Pflicht, die Kluft zu Pfadfindertreffen zu tragen“, erzählt Jonathan Vierus, Student an der Hochschule Friedensau. Dadurch sollen Zugehörigkeit und Einheitlichkeit gezeigt werden. „Je ausgeblichener die Kluft, desto cooler“, sagt der Theologiestudent

Zahlreiche Abzeichen zieren die Kluften der kleinen und großen Mitglieder. Stolz berichten sie davon. „Ich habe ein Abzeichen für Sport“, sagt Jonathan Jeschke, der Jüngste im Bund. Für ein solches Abzeichen, das als Patch auf die Kluft genäht wird, muss eine theoretische und eine praktische Prüfung abgelegt werden. Schwimmen, Kochen, Erste Hilfe, Sternbilder und noch viele weitere Prüfungen können die Pfadfinder absolvieren.

Im zweiwöchigen Takt treffen sich die insgesamt 30 Mitglieder der Möckeranner Pfadfinder. Jedes dieser Treffen beginnt mit einer Andacht, anschließend wird gespielt, gesungen, gebastelt und geplant. Wichtig ist es ihnen, gemeinsam Zeit zu verbringen und diese bewusst zu nutzen. Gemeinsam werden auch die Abzeichen abgelegt.

Eine Lilie prangt auf der Brust der Mitglieder. „Diese steht für das Vertrauen in Gott, die Mitmenschen und die Natur“, erklärt die 14-jährige Marie-Sophie Jeschke, die später gern eine Leitungsposition bei den Pfadfindern übernehmen würde. Das zweite Zeichen, vier Pfeile, die aufeinander zeigen, steht für die Adventjugend. Die Pfadfinder sind christlich geprägt. „An Gott glauben muss aber hier niemand“, berichtet Mandy Jeschke. Die 38-Jährige kam durch ihre beiden Kinder zu den Pfadfindern.

Als das Handbuch zur Pfadfinderei auf den Tisch kommt, wird kein heiliges Buch mit strengen Regeln vorgelegt. „Hier stehen Richtlinien für uns, kein strenges Korsett von Regeln“, erklärt Mandy Jeschke. So stehe in den zehn Regeln der Pfadfinder auch: Ich lebe gesund. „Trotzdem kommt morgens Nutella auf‘s Brot, zu genau muss man es nicht nehmen“, sagt Marie-Sophie Jeschke mit einem Zwinkern. Sie ist sich sicher, dass sie noch lange bei den Pfadfindern aktiv sein will. Und wo das Leben sie eben später einmal hinverschlägt, Pfadfindergruppen gibt es schließlich über den ganzen Erdball verteilt.

Auf einen besonderen Ausflug im Jahr über das Himmelfahrtswochenende fiebern gerade die jungen Pfadfinder hin. Beim „HiLa“, dem Himmelfahrtslager, treffen sich etwa 600 Pfadfinder aus ganz Deutschland – ein Höhepunkt des Pfadfindjahres. Gemeinsam erleben sie ein Wochenende mit Geschichten und Liedern, Workshops und Wettbewerben, Spielen und sportlichen Aktionen, Lagerfeuern und stillen Momenten. In diesem Jahr steht HiLa im Zuge des Reformationsjubiläum unter dem Motto „Mensch, Martin“. „Es ist eine tolle Festivalstimmung da“, schwämt Marie-Sophie Jeschke.

Ihr kleiner Bruder Jonathan hat lange ausgeharrt, bis er endlich alt genug war, bei den Pfadfindern mitzumachen. „Zwei Jahre lang saß er auf heißen Kohlen“, erzählt Mutter Mandy Jeschke lachend. Dass sie schließlich selbst zu den Pfadfindern gehört, hätte sie damals noch nicht gedacht.

Das Wichtigste bei der Pfadfinderei ist ein respektvoller Umgang miteinander. Jede Hautfarbe und jede Religion ist ausdrücklich erwünscht. Denn Vorurteile sollte man abbauen, nicht nur gegenüber anderen Nationen, sondern auch gegenüber der Pfadfinderei. Getreu dem Motto: Ausprobieren und dann urteilen. „Ich habe damals einfach reingeschaut“, erzählt Marie-Sophie Jeschke. „Inzwischen macht meine ganze Familie mit und es ist seit sechs Jahren meine Passion.“