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Freiwilliges Jahr Der Wald als Berufsberater

Selina Plank und Niclas Lankeit engagieren bis Ende August im Haus des Waldes in Hundisburg. Es ist eine Zeit der Berufsorientierung.

Von Susann Gebbert 19.04.2017, 01:01

Hundisburg l Einige liegen am Whitehaven Beach in Australien und überlegen sich bei einem Kokoswasser, welcher Beruf wohl am ehesten zu ihnen passt. Andere haben eine 40-Stunden-Woche und erklären Kindern im Wald, was Waldkauz und Blindschleiche ausmachen. Beide haben sich gegen einen lückenlosen Lebenslauf entschieden und nehmen sich Zeit, Berufswünsche zu überdenken.

Selina Plank und Niclas Lankeit haben nicht das Work-and-Travel-Jahr gewählt. Sie machen stattdessen ein Freiwilliges Ökologisches Jahr im Haus des Waldes in Hundisburg. Selina verließ das Gymnasium mit einem erweiterten Realschulabschluss und wollte die Zeit bis zum Ausbildungsbeginn überbrücken. „Ich will Immobilienkauffrau werden. Und als ich im Sommer letzten Jahres die Schule beendete, war der Bewerbungszeitraum für die Ausbildung schon abgeschlossen“, sagt die 17-jährige Haldensleberin.

Für Niclas war etwas anderes ausschlaggebend: „Mein Opa arbeitet im Haus des Waldes und meine Mutter hat hier auch ihr FÖJ gemacht.“ Auch sein zweiwöchiges Schulpraktikum verbrachte der 18-Jährige aus Born im Haus des Waldes. Die Einrichtung ist das zentrale Informationszentrum Wald in Sachsen-Anhalt und hat seinen Sitz in dem Barockschloss Hundisburg. Die sechs Festangestellten sind Förster und Waldpädagogen und organisieren Ausstellungen und Führungen insbesondere für Schulklassen durch den Wald.

Auch Selina und Niclas führen Schüler durch den Wald, erklären die Tier- und Pflanzenwelt, veranstalten Spiele wie das Fledermausspiel. „Ein Schüler ist die Fledermaus und bekommt eine Augenbinde, ein anderer bekommt eine Glocke. Die Fledermaus muss dann den Schüler mit der Glocke fangen“, erklärt Selina. Um sich das Wissen anzueignen, haben sie erfahrene Waldpädagogen begleitet und abgeguckt. Neben den Führungen erledigt Selina auch Papierkram im Büro, nimmt Anmeldungen entgegen und beantwortet E-Mails. Lucas verrichtet nebenbei noch kleine Reparaturen.

Stefan Heinzel, Leiter des Haus des Waldes, sagt: „Wir bekommen im Jahr etwa 800 Anmeldungen für Waldführungen. An denen nehmen insgesamt 12.000 Kinder und Jugendliche teil.“ Sie sollen den Wald kennenlernen und ihre soziale Kompetenz ausbauen, indem sie in kleinen Gruppen Aufgaben lösen und sich selbst organisieren, so der Leiter.

Für Stefan Heinzel erfüllt der Wald viele Funktionen. Er ist Lebensraum, Arbeitsplatz, Erholungsgebiet und bietet den nachwachsenden Rohstoff Holz. „Wenn der Mensch nicht eingegriffen hätte, würde die Gegend zu 95 Prozent aus Wald bestehen“, sagt Heinzel.

Selina war auch vor ihrem FÖJ schon gerne mit Pferd Sandy im Wald, um die Ruhe zu genießen. Niclas‘ Opa gehört ein Stück Wald. Kürzlich erst pflanzten sie 1500 Bäume. „Wir leben gewissermaßen vom Holz, da wir damit heizen“, so Niclas. Aber auch zum Joggen geht er gern in den Wald.

Die Jugendlichen machen zwar ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, aber Ökos sind sie nicht. „Ich würde keine teuren Eier kaufen, nur weil sie bio sind“, sagt Niclas. Er überlegt, eine Ausbildung zum Erzieher anzuschließen. Vorher wollte er Mechaniker werden. In den vergangenen Monaten hat er gemerkt, dass er gut mit Kindern klar kommt, dass er mit ihnen jeden Tag etwas Neues erleben kann. Selina ist sich noch sicherer geworden, dass sie Immobilienkauffrau werden will. Ihr fällt es manchmal schwer, die Schüler unter Kon- trolle zu bekommen. „Auf lange Sicht ist das nichts für mich.“ Stefan Heinzel hat oft erlebt, dass sich der Berufswunsch bei manchen um 180 Grad gedreht hat und andere wiederum sich sehr viel sicherer waren.