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Schülertheater Phantombildtanz über den Tod

Zwölf Tänzerinnen der „Tanzplantation“ Gommern beschäftigten sich ein Jahr lang mit dem Thema Tod.

Von Juliane Just 15.06.2016, 09:04

Magdeburg l Herzschlag. Monoton und lebenserhaltend treibt er uns an. Das wichtigste Organ, das Blut durch unsere Venen pumpt, arbeitet unaufhörlich. Wie oft gibt es Situationen, in denen man die Augen schließt und das Hämmern in der Brust bewusst wahrnimmt. Doch was, wenn das beständige Klopfen spürbar schwächer wird? Wenn wir uns verlieren in einem Kampf, der zum Scheitern veurteilt ist?

Es ist still im Schauspielhaus. Auf der Bühne sitzen zwölf Tänzerinnen, wiegen sich im Takt eines Herzschlags. Wie Fähnchen im Wind. Ganz in schwarz gekleidet wird deutlich, um welches Thema es gehen soll: um den Tod. Eigens für die Landesschülertheatertage, die „Berlinale“ unter den jungen Theatermachenden, kreierten die Schülerinnen der „Tanzplantation Gommern“ mit der Leiterin Antje Barthels das Stück um das Tabuthema.

Eine dynamische Performance gepaart mit stillen Momenten brachten sie am Montag auf die Bühne. Sie trägt den Namen „Leben(en)dig?“ Dabei betrachten sie den Tod aus verschiedenen Blickwinkeln, nehmen Trauer genau so in den Fokus wie den Kampf um das Leben. „Die Jugendlichen haben das Thema selbst gewählt. Ich dachte nur: Das ist heftig“, erzählt Antje Barthels.

Gemeinsam mit der Truppe ging sie das Stück an. Intensive Gespräche über das Sterben gingen einher mit einer tiefen Emotionalität. „Das hat die Gruppe verbunden. Es ist toll, wie sie miteinander arbeiten“, sagt die Leiterin. Bewegend ist es nicht nur für die Tänzerinnen, sondern auch für den Zuschauer. Eine Szene, in der sich zwei blonde Spielerinnen - eine davon als schwebende Seele, mit weißen Handschuhen versehen - umeinander winden, sich offenbar berühren wollen und es nicht können, bleibt im Gedächtnis. Wenn die Erinnerung eines verstorbenen Menschen immer wieder auftaucht. Man das Gefühl hat, dass jemand da ist – und ins Leere greift. Die Konturen verwischen, ein Phantombild bleibt.

Der Erfolg gibt ihnen recht. Bereits zum siebenten Mal gehört die „Tanzplantation“ zu den wenigen ausgewählten Stücken, die bei den Landeschülertheatertagen zur Aufführung gebracht werden. Insgesamt 150 jugendliche Theaterspielende wohnten den acht Aufführungen bei und tauschen in anschließenden Gesprächsrunden ihre Meinungen aus. Ein junger Pool voller kreativer Köpfe. „Sie lernen hier, Stücke bewusst zu sehen“, betont Barthels. Hinter dem Theatertreffen steht der Gedanke, neue Möglichkeiten des Handwerks zu zeigen. Die Idee zum Stück entstand übrigens in einer Berliner U-Bahn. Aber das nur am Rande.

Die Tänzerinnen verharren auf dem Boden. Es herrscht Stille. Eine Kinderstimme bricht das Schweigen mit dem Satz: „Du bist schuld.“ Die Bühnentänzer sprechen es nach. Immer mehr zerschmetternde Sätze sagt die Kinderstimme auf. – „Alle hassen dich.“ – Der Chor lässt die Worte nachhallen. Immer lauter werden die Stimmen, immer hysterischer das Brüllen der Tänzer. Sie schreien sich ins Gesicht. Und es tut offenbar gut. So sieht für sie die Hölle aus – wenn es denn eine gibt.

Dass die Eigenproduktion außer dieser Worte keiner weiteren bedarf, spricht für das tänzerische Talent der Spielerinnen. Die Emotionalität, die sie in das Stück gelegt haben, ist nahezu greifbar. Durch Hebefiguren und Sprünge wirkt das Stück dynamisch, durch ruhige Momente dem Thema entsprechend.

Zwei weitere Aufführungen plant Barthels im Herbst in Schönebeck und Gommern. „Die Jugendlichen haben so viel Energie in das Stück gesteckt“, sagt sie.

Schlusstakt. Aus den zusammgebundenen Haaren sind fliegende Mähnen geworden. Die Tänzer fegen über die Bühne mit einer Überschwenglichkeit, die bisher nicht zu spüren war. Eine neue Chance, ein neues Leben. Schön, wenn es wirklich so sein könnte.