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Schulprojekt Musik verbindet Kulturen

Begegnungsängste vor fremden Kulturen abbauen will das Wernigeröder Interkulturelle Netzwerk. Schüler haben Tunesien tänzerisch kennengelernt.

Von Holger Manigk 28.01.2016, 08:15

Wernigerode l Drei Monate Sommerferien – wovon viele Schüler in Deutschland träumen, ist in Tunesien Realität. Das erklärt Amel Kühne den verblüfften Sechtsklässlern des Landesmusikgymnasiums in Wernigerode. „Da es tagsüber so heißt ist, werden wir in der freien Zeit erst in den Abendstunden richtig aktiv und gehen an den Strand.“ In Cafés und Restaurants werde bis tief in die Nacht gefeiert.

Die Lehrerin aus dem nordafrikanischen Land lebt seit vier Jahren in Deutschland und möchte den Schülern die Kultur ihres Landes näherbringen. Die Visite der jungen Frau und syrischer Musiker am Gymnasium ist Teil eines Projektes des Wernigeröder Interkulturellen Netzwerkes (WIN). Seit zwei Jahren versucht der Verein damit, Berührungsängste von Kindern und Jugendlichen gegenüber fremden Kulturen abzubauen. „Wenn die Jungen und Mädchen Rituale aus dem Alltag und das Leben in der Schule kennenlernen, fällt das viel leichter“, sagt Huong Trute vom WIN-Vorstand.

Unterdessen staunen die Gymnasiasten, als Amel Kühne ihnen erzählt, dass die Kinder in Tunesien zweisprachig aufwachsen – neben Arabisch lernen sie Französisch als Muttersprache. Der Schulalltag sei bedeutend stressiger als in Deutschland: Ab der dritten Klasse haben die Schüler acht Unterrichtsstunden pro Tag – die nicht nur 45 Minuten, sondern eine ganze Zeitstunde dauern. Die beste Note sei die 20.

Weihnachten und Ostern gebe es in ihrem Heimatland nicht, antwortet die Tunesierin auf eine Frage der Schüler. „Stattdessen bekommen die Kinder beim Zuckerfest Geschenke von Verwandten – Schuhe, Kleidung, ihr Lieblingsspielzeug und Geld.“ Dann werde drei Tage lang mit der Familie und Freunden das Ende des Fastenmonats Ramadan gefeiert.

Nichts Neues ist die arabische Welt für Cloe Wilm. Die Zwölfjährige habe ein Jahr lang in Dubai gelebt, berichtet sie. Die Gymnasiastin habe immer noch Kontakt zu Freunden dort, nur die Sprache falle ihr inzwischen schwer. „Wie Bayerisch oder Sächsisch im Deutschen gibt es im Arabischen viele verschiedene regionale Dialekte“, berichtet Amel Kühne, als sie den Wernigeröder Gymnasiasten Schulhefte aus Tunesien zeigt. In ihrer Heimat werde von rechts nach links geschrieben.

Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Christiane Schierhorn probiert Cloe traditionelle weite Gewänder aus Tunesien an. „Darunter kann man Leggins oder einen Rock tragen“, erklärt Amel Kühne den beiden. Solche Kleider könne man aber ebenso bei einer Hochzeit anziehen. „In der Schule werde ich es nicht tragen, aber wenn ich mit meiner Familie in einem arabischen Land Urlaub mache, dann auf jeden Fall“,sagt Cloe, die das zartrosa Kleidungsstück behalten darf.

Zum Abschluss der Begegnungsstunde erklingen in der Aula des Landesgymnasiums für Musik mediterrane Melodien und Rhythmen. Junge syrische Flüchtlinge, die sich in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt kennenlernten, geben den Sechstklässlern ein kleines Konzert mit Liedern aus ihrer Heimat. Samir Sido, einer der Musiker, zeigt den Schülern dazu einen traditionellen Tanz aus seiner kurdischen Heimat. „Tanzen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur und unseres Alltags“, sagt der Kurde. Die Musikgymnasiasten revanchieren sich für diesen Einblick mit John Lennons Friedenshymne „Imagine“.