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VideokunstSchräges Gedicht und halbe Sachen

Kunstunterricht ganz modern: Abiturienten des Hildebrand-Gymnasiums haben experimentelle Videos gedreht.

Von Nora Knappe 20.04.2016, 01:01

Stendal l Kunst ist nicht nur Farbe auf Papier, ist nicht nur bearbeitetes Holz, Stein, Metall. Und Kunst ist vor allem eines nicht: immer schön. Für Kunstlehrer Rainer Döring vom Stendaler Rudolf-Hildebrand-Gymnasium fängt Kunst in dem Moment an, „wo ein Betrachter nach dem Geheimnis dahinter sucht“. So hatte er es einmal im Volksstimme-Interview gesagt. Und statt Kunst erklären zu wollen, findet er, sollte man „einfach nur hinschauen, auf sich hören und Lust am Entdecken haben“. Und genau das vermittelt er auch seinen Schülern.

Dass er damit nicht ganz falsch liegt, zeigt nun ein Wettbewerbserfolg, den er mit einer Gruppe Zwölftklässler errungen hat. Mit Beiträgen, die man vielleicht so nicht für den gewohnten Kunstunterricht erwartet hätte: mit experimentellen Videos. Zur Auswahl standen Themen wie „Gleich sein, anders sein“, „Denn sie hatten keinen Platz in der Herberge“ oder das Kurt-Schwitters-Gedicht „Anna Blume“. Dazu wiederum haben die Schüler Unterthemen gefunden, haben in der Schule zunächst Übungen angefertigt, bevor sie sich zu Hause an den Videodreh machten.

Auch für die 17- und 18-jährigen Abiturienten war diese Aufgabenstellung etwas völlig Neues, schließlich aber haben sie sie so gut und überzeugend umgesetzt, dass die Jury des Wettbewerbs „Camp 2 – Festival für Künstlerischen Film und Performance“ der Burg Giebichenstein/Kunsthochschule Halle sechs der Arbeiten auswählte und die Schüler nun zu einem Workshopwochenende nach Halle eingeladen sind.

Aber nicht nur die Jury war beeindruckt, auch die Mitschüler sind es jeweils von den Arbeiten der anderen. „Nach dem Ansehen der Filme war der Kopf erst mal voll“, erinnert sich Tim Krähe an die Auswertungsstunde, „und vieles hat man beim Anschauen erst richtig begriffen.“ Und so ungewohnt diese Art von Kunstunterricht auch war, hat sie die Schüler doch gepackt und begeistert. Nochmal Tim Krähe: „Von selbst wäre ich wohl nie auf die Idee gekommen, so etwas zu machen. Aber man kann ja so viel machen mit Video, ich konnte drehen, was ich wollte. Durch das Ausprobieren wurde man automatisch kreativ.“

Für Susana Piefke ist diese Art Kunst sogar so interessant, dass sie das auch nach der Schule noch für sich weiterentwickeln möchte. Und sie findet: „So etwas sollte man ruhig öfter machen im Unterricht, der Umgang mit Kameraeinstellungen und Schnittprogramm gibt einem so viele Möglichkeiten.“ Damit hat sich auch Victoria Marks gern ausprobiert, ihr gefiel diese Variante der Darstellung „als persönliche Ausdrucksform sehr gut“.

Performatives Arbeiten, Aktionskunst, Videokunst und Konzeptkunst sind durchaus im Schulunterricht vorgesehen. Aber die wenigsten Lehrer trauten sich da heran, ist Dörings Erfahrung, der der Kunst privat ohnehin etwas näher ist und eigene Werke bereits in Ausstellungen gezeigt hat. Aber auch Schüler scheuten erst einmal vor diesem nicht so recht begreifbaren Genre zurück. Doch die anfängliche Skepsis und Unsicherheit hat in dem Zwölftklässler-Kurs nicht lange angehalten. Auf einmal sind da eben doch Ideen im Kopf, hat man ein Anliegen oder ein Thema gefunden, das einen bewegt und mit dem man sich auseinandersetzen möchte. Und schon packt einen der Ehrgeiz, will man es nicht um der guten Note willen gut machen, sondern weil man sich kreativ ausdrücken möchte, und genau.

Kunstlehrer Rainer Döring ist „unglaublich stolz auf die Gruppe“. Und froh darüber, die Beiträge eingereicht zu haben – wozu ihn zwei befreundete Künstler ermuntert hätten. „Die Beiträge haben Tiefe, es hat sich gezeigt, dass die Schüler mit modernen Ausdrucksformen der Kunst umgehen können.“ Und vor allem Lust darauf hatten. Dass nun gleich sechs Beiträge die „Camp 2“-Jury der Burg Giebichenstein überzeugt haben, freut Döring umso mehr. Auch wenn nicht alle Schüler an dem Workshop-Wochenende im Juni teilnehmen können, ist es auf jeden Fall eine großartige Auszeichnung und Bestätigung.

*Die Kostümierung hat nichts mit den Videos zu tun, die Abiturienten wurden in ihrer Motto­woche fotografiert.