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Justiz Mammut-Prozesse 2017 in Sachsen-Anhalt

Der Mord an einer chinesischen Studentin, Anklagen wegen illegalen Mülls oder Diesel-Tricksereien - 2017 bringt umfangreiche Prozesse.

Von Dörthe Hein und Franziska Höhnl, dpa 02.01.2017, 12:03

Stendal/Magdeburg/Halle (dpa) l Sachsen-Anhalts Gerichte haben in diesem Jahr so einige Verhandlungsmarathons hinter sich gebracht. Es geht um Korruptionsvorwürfe, Steuerhinterziehung in Millionenhöhe, Untreue und einen grausamen Mordverdacht. Einige Verfahren bleiben auch 2017 Dauerbrenner – und neue umfangreiche Verhandlungen kommen dazu. Einige der größten:

In einem der derzeit am längsten laufenden Prozesse des Landes beschäftigen rund 170.000 Tonnen illegal entsorgter Müll das Landgericht Stendal. Er soll zwischen Juni 2005 und Mai 2006 ohne Genehmigung in der Tongrube Möckern im Jerichower Land abgeladen worden sein. Angeklagt sind sechs Männer wegen Straftaten gegen die Umwelt oder Beihilfe dazu – die Staatsanwaltschaft sieht Gewinnsucht als Motiv. Der Prozess hatte am 3. September 2015 begonnen. Weitere Verhandlungstage sind noch bis zum 31. März 2017 angesetzt. Parallel dazu soll laut Gerichtssprecher Michael Steenbuck am 14. Februar 2017 ein weiterer Müll-Prozess beginnen: In die Tongrube Vehlitz soll noch mehr illegaler Müll gebracht worden sein – 900.000 Tonnen. In dem Fall seien Verhandlungen bis zum 27. Februar 2018 terminiert.

Vor dem Landgericht Magdeburg spielt der Müll in den Tongruben ebenfalls seit über einem Jahr eine Rolle – im Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Landrat des Jerichower Landes, Lothar Finzelberg. Die Staatsanwaltschaft wirft Finzelberg vor, im Amt mehrfach Bargeld angenommen und dafür auf Genehmigungen zur Müllentsorgung Einfluss genommen zu haben. Mitangeklagt sind zwei Geschäftsleute, die laut Anklage Tongruben betrieben hatten. Der Prozess war am 28. Oktober 2015 im zweiten Anlauf gestartet. Eigentlich sollten am 19. Dezember Plädoyers gehalten werden. Wegen der Krankheit eines Mitangeklagten wurden die Plädoyers verschoben und werden jetzt am 9. Januar erwartet.

Dauergast in Gerichten ist der selbst ernannte König von Deutschland, Peter Fitzek. Aktuell muss er sich vor dem Landgericht Halle wegen Untreue verantworten. Seit dem 20. Oktober steht er vor Gericht, weil er laut Staatsanwaltschaft 1,3 Millionen Euro verschwinden ließ, die Geldanleger ihm anvertraut hatten. Der Angeklagte weist das zurück. Laut Landgerichts-Sprecher Wolfgang Ehm sind in dem aktuellen Fall noch bis zum 2. März 2017 Verhandlungstage angesetzt. "Ein Ende ist nicht abzusehen." Fitzek stand immer wieder wegen Fahrens ohne Führerschein vor Gericht oder auch, weil er illegal eine Versicherung betrieben hat.

Die Dessauer Fördermittel-Affäre wird juristisch vor dem Landgericht Halle aufgearbeitet. Laut Gerichtssprecher Ehm sind schon drei bis vier Prozesse mit Verurteilungen der Angeklagten zu Ende gegangen. Der Kern der Vorwürfe: Es sollen Fördermittel in Millionen-Höhe für Bildungskurse geflossen sein, die aber nicht wie abgerechnet durchgeführt wurden. Seit November stehen ein ehemaliger Regionalbereichsleiter des IHK-Bildungszentrums Halle-Dessau und eine ehemalige Mitarbeiterin vor Gericht. Sie sollen maßgeblich beteiligt gewesen sein, dass Fördermittel in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro flossen – aufgrund wahrheitswidrig ausgefüllter Anträge, Bescheinigungen und Anwesenheitslisten. Die Staatsanwaltschaft hat laut Gerichtssprecher Ehm mehr als 200 Zeugen benannt. Vorerst sind Verhandlungstage bis zum 19. April angesetzt.

Falsch deklarierter Diesel beschäftigt das Landgericht Magdeburg in zwei zeitgleich laufenden Prozessen. Seit Dezember 2015 wird sechs Angeklagten vorgeworfen, den Kraftstoff falsch benannt zu haben, um die Energiesteuer zu sparen. So sollen dem Fiskus 13 Millionen Euro entgangen sein. Im September startete ein weiterer Prozess gegen acht Beschuldigte wegen gemeinschaftlicher Steuerhinterziehung. Die sieben Männer und eine Frau sollen auf der gleichen Anlage wie ihre Vorgänger die Produktion von Schmierstoffen angemeldet, ihre Gemische aber als Fahrzeug-Diesel verkauft haben. So sollen dem Fiskus 78 Millionen Euro Steuern entgangen sein. Es geht um 5600 Fälle aus den Jahren 2012 bis 2014. Ein Ende ist bei beiden Prozessen nicht absehbar, wie ein Gerichtssprecher sagte.

Hat sich Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) der Untreue schuldig gemacht? Das Landgericht Halle sprach ihn im Februar 2015 nach siebenmonatigen Prozess frei. Die Anklage hatte ihm zur Last gelegt, drei engen Mitarbeitern deutlich mehr gezahlt zu haben als im Tarifvertrag vorgesehen. Im Mai dieses Jahres allerdings hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe Wiegands Freispruch auf. Er habe "durchgreifende Rechtsfehler". Jetzt muss das Landgericht Magdeburg den Fall wieder aufrollen. Wann der Prozess starten kann, ist jedoch völlig ungewiss, wie ein Gerichtssprecher sagte. Die zuständige Wirtschaftsstrafkammer sei mit den drei Großverfahren zu den mutmaßlichen Dieselbetrügereien und dem Korruptionsverdacht gegen Finzelberg ausgelastet. Zumindest der Finzelberg-Prozess müsse abgeschlossen werden, ehe sich die Kammer Wiegand widmen könne.

Auch der Dessauer Prozess um die brutale Vergewaltigung und den mutmaßlichen Mord an einer chinesischen Studentin dürfte lang dauern. Die beiden 21 Jahre alten Angeklagten schweigen zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Sie geht davon aus, dass das Paar die Studentin auf ihrer Joggingrunde im Mai abfing, in einer leerstehenden Wohnung etwa eine Stunde lang immer wieder vergewaltigte und quälte. Dann sollen sie ihr Opfer in der Annahme zurückgelassen haben, es würde ohne Hilfe sterben. Etwa drei Stunden später sollen sie zurückgekehrt sein und die Sterbende ins Freie gebracht haben. Dort wurde die Leiche zwei Tage nach der Tat gefunden. Vor Gericht kommt auch die Rolle der Polizei nach der Tat zur Sprache. Die Eltern des Angeklagten waren anfangs eng dran an den Ermittlungen.

Und noch ein Blick nach vorn: Zur Stendaler Briefwahl-Affäre wird das Landgericht Stendal vom 10. Januar an verhandeln. Angeklagt ist ein ehemaliger CDU-Politiker wegen Urkundenfälschung. Er soll im Mai 2014 für die Kommunalwahl 140 Briefwahlvollmachten gefälscht haben. 20 Mal soll er zwar Vollmachten erhalten, die Wahlunterlagen dann aber auch selbst ausgefüllt haben. Der Verdacht gegen den Politiker kam auf, weil mehreren Stendalern am Wahltag gesagt wurde, sie hätten schon per Briefwahl abgestimmt. Der Fall hatte auch die Landespolitik erreicht. So trat Landtagspräsident Hardy Peter Güssau zurück, der lange der CDU in Stendal vorstand. Es gibt zudem einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag.