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Katholische Kirche Priester: Ein Exot mit Prinzipien

Klemens Schubert hat einen Beruf gewählt, der alles andere als im Trend liegt. Am Sonnabend wird er in Magdeburg zum Priester geweiht.

14.05.2016, 07:23

Magdeburg l Eine Woche vor der Weihe wäre ein Interview mit Klemens Schubert unmöglich gewesen. Denn er schweigt. Der junge Katholik ist für sieben Tage ins Kloster Herstelle in Ostwestfalen gegangen, für die Exerzitien – eine geistliche Übung, um sich intensiv auf Gott zu besinnen. Einmal am Tag führt er ein Gespräch mit dem Priester, einmal wird in der Gruppe eine Messe gefeiert. Ansonsten sagt niemand ein Wort. Es ist eine außergewöhnliche Woche, bevor Schubert in einen außergewöhnlichen Beruf einsteigt.

Mit einer Weihezeremonie wird der 27-Jährige am 14. Mai in den Kreis der Priester aufgenommen. Künftig arbeitet er als Gemeindeseelsorger im Bistum Magdeburg – wo genau, erfährt er noch. Eine rare Angelegenheit ist diese Weihe. 2015 erfuhr sie im Bistum lediglich ein Mann, aktuell bereitet sich ein weiterer vor. Danach ist erstmal Schluss. Selbst wenn jetzt jemand seine Ausbildung beginnt, steht er frühestens in sechs Jahren bereit.

Der Nachwuchsmangel ist ein bundesweites Problem. Um ein Viertel sank die Zahl der Neupriester allein von 2013 auf 2014. Rechnerisch ist ein Priester für rund 1700 Katholiken zuständig. In Sachsen-Anhalt sind es etwas weniger, nämlich 1300 – allerdings leben die Katholiken besonders in dünn besiedelten Gebieten wie der Altmark weit verstreut. Hinzukommt, dass der Großteil der Priester älter als 50 Jahre ist.

Klemens Schubert, ein ruhiger, bedachter Typ, schrecken diese Zahlen offenbar nicht ab. Der Diakon – eine Vorstufe zum Priester – gibt sich optimistisch: „Idealismus gehört schon zum Beruf, aber ich glaube nicht, dass ich der letzte der Mohikaner bin“, erzählt er, als er vergangene Woche zum Gespräch die Redaktion besucht. „Was die Aufgaben betrifft, werde ich schauen, was wichtig ist. Viele Verwaltungsaufgaben beispielsweise kann man weiterdelegieren.“

Seinen Berufswunsch hegt er schon sehr lange. Mit 14, in einem Alter, in dem andere Jungs eher Fußball, Daddeln und Mädels im Kopf haben, dachte Schubert zum ersten Mal darüber nach. Damals war er Ministrant in Merseburg. „Mir gefiel, wie die Priester die Kinder- und Jugendarbeit gestalteten. Die inhaltlichen Aufgaben wurden mit der Freizeit vermischt, wir haben zum Beispiel viele Ausflüge gemacht.“ Außerdem habe er ihre Art und Weise gemocht: „Sie hatten klare Ansichten, aber gingen trotzdem locker mit uns um.“

Den Ausschlag gab schließlich einer der Ausflüge: Zusammen mit dem Vikar besuchte er eine Priesterweihe. „Als sich der Weihekandidat auf den Boden legte, die Allerheiligenlitanei gesungen wurde und er dem Bischof Gehorsam in die Hände versprach, hat mich das sehr bewegt.“ In den Jahren bis zum Abitur, erzählt er weiter, sei der Gedanke dann immer mal mehr, mal weniger präsent gewesen. Letzteres war vor allem dann der Fall, wenn er gerade eine Freundin hatte. Immerhin bedeutet die Entscheidung für das Priesteramt den lebenslangen Verzicht auf eine Partnerin. „Es gab aber keine Zeit, in der ich es ausgeschlossen habe, Priester zu werden“, sagt er.

Selbst zu Abiturzeiten hatte der Merseburger noch eine Freundin. Kurz bevor er dann ins Priesterseminar nach Erfurt ging, trennte er sich. „Für sie war das schwer zu verstehen, aber für mich war es die richtige Entscheidung.“

Mit dem Zölibat, sagt Schubert, habe er sich angefreundet: „Manche bemitleiden mich, ich finde das erstmal nicht so schlimm. Als Pfarrer lebe ich zwar allein, aber nicht einsam. Außerdem ist mir bewusst, wofür ich das mache: um des Himmelreichs Willen.“ Trotzdem wird ihm der Verzicht ab und zu schwerfallen, das redet er nicht schön. „Deshalb ist es wichtig, ein gesundes Gebetsleben zu pflegen.“

Schuberts Zeit in Erfurt sah ein wenig anders aus als das typische Studentenleben. Statt im WG-Zimmer lebte er im Priesterseminar, ähnlich wie in einem Internat. Während sich Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaftler auf Partys tummelten, verabredete er sich mit den Theologen zum Stillen Abend mit Referat und Schweigezeit.

Während des Studiums hätte Schubert jederzeit die Möglichkeit gehabt, sich doch noch gegen das Priesteramt zu entscheiden. Die Kandidaten sollten sogar ein vierwöchiges Betriebspraktikum machen, um mal eine andere Welt kennenzulernen. Der Merseburger ging damals zu einem Restaurator. Ein Beruf, der ihn schon faszinierte, erzählt er. Doch gegen das Priesteramt kam das Handwerk nicht an. Was ihn so sehr daran reizt? „Ich finde es schön, wenn ich meinen Glauben auch beruflich ausleben kann. Außerdem gefällt mir die soziale Komponente, zum Beispiel die Arbeit mit jungen Menschen oder mit Kranken.“

Obwohl Schubert Teil der jungen Katholikengeneration ist, verteidigt er einen Grundsatz der Kirche, der in der Öffentlichkeit immer wieder Diskussionen darüber auslöst, ob er zeitgemäß ist: Nur Männer dürfen Priester werden. Gerade hat die Theologiestudentin Jacqueline Straub ein Buch mit Argumenten gegen das Kirchenrecht veröffentlicht. Bei Lanz und Jauch, in Radio- und Zeitungsinterviews erklärte sie, warum man ihr erlauben sollte, Priesterin zu werden. Sie stellt zum Beispiel die Frage, ob es gerecht sei, wenn man mehr als die Hälfte der Christenheit von Weiheämtern ausschließt.

Der Merseburger hält dagegen: „Ich bin davon überzeugt, dass in den Entscheidungen, die im Vatikan getroffen werden, der Heilige Geist wirkt.“ Und dass Gott eine Frau zur Priesterin beruft, obwohl das Kirchenrecht es nicht zulässt, kann er sich nicht vorstellen. „Schließlich will Gott nicht, dass die Menschen unglücklich sind.“

Abgesehen davon steht Klemens Schubert grundsätzlich für das ein, was die katholische Kirche lehrt. Dazu hat er sich bei seiner Weihe als Diakon verpflichtet.