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Kinderschutzhaus "Mattisburg" soll Kinder schützen

In Halle entsteht ein spezielles Schutzhaus, in dem misshandelte und traumatisierte Kinder und Jugendliche betreut werden sollen.

12.01.2017, 19:13

Halle (dpa) l "Das Sexuelle war nicht so schlimm wie die Schläge" - das habe ein Siebenjähriger gesagt. Den Zuhörern stockt der Atem, als die Gründerin der Stiftung "Ein Platz für Kinder", Johanna Ruoff, anonym von einem Schicksal in Deutschland berichtet. Für derartig schwerst traumatisierte Jungen und Mädchen soll es ab Ende 2018 in Halle ein diagnostisches Schutzhaus mit dem Namen "Mattisburg" geben. Es wird von der Stiftung "Ein Platz für Kinder" (München) gemeinsam mit der D.und H. Urban-Stiftung (Hannover) den Angaben zufolge aus Spenden gebaut.

In Halle sollen in der "Mattisburg" insgesamt zwölf Jungen und Mädchen im Alter von vier bis zwölf Jahren - aus Sachsen-Anhalt und in Einzelfällen auch aus anderen Regionen Deutschlands – von speziell ausgebildeten Traumaexperten betreut werden. In der Regel seien Kinder in der "Mattisburg" zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Die Einrichtung sei für Kinder gedacht, die sehr schwere Gewalt, sexuellen Missbrauch und massive Vernachlässigung erlebt haben. "Sie sollen sich dort wohl und sicher fühlen", sagt Susanne Willers, Geschäftsführerin des Regionalverbandes Halle der Caritas. Die Wohlfahrtsorganisation sei Partner des Projekts.

In Halle wird laut den Stiftungen die erste "Mattisburg" in Ostdeutschland sein. Der Name sei angelehnt an die Geschichte von "Ronja Räubertochter". Das Kinderbuch hat die schwedischen Autorin Astrid Lindgren geschrieben. Bundesweit gebe es derartige diagnostisch-pädagogischen Kinderschutzhäuser in Hamburg und Hannover.

"Die Kinder, die wir aufnehmen, sind so schlimm geschädigt, dass sie eine ganz intensive Betreuung brauchen", sagt Dorothea Urban, Gründerin der Stiftung D. und H. Urban (Hannover). Nach Angaben der Opferhilfsorganisation "Weisser Ring" sind Schläge, Drohungen, Erniedrigungen, Misshandlungen oder auch Vernachlässigungen von Kindern in Familien in Deutschland leider Realität.

Die Kinder werden laut Ruoff über die Jugendämter in die "Mattisburg" vermittelt, in der Regel nachdem vorherige Betreuungs- und Therapieformen im Einzelfall nicht ausreichend und speziell genug waren. "Es sind Kinder, die aufgrund der erlebten Traumata in Heimen und Pflegefamilien keinen Fuß fassen konnten", erklärte sie. Laut den bisherigen Erfahrungen fallen die Kinder und Jugendlichen durch besonderes Verhalten auf, zum Beispiel durch Gewalt, Selbstzerstörung (Borderline Syndrom) oder auch Essstörungen.

Das rund eine Million Euro teure Haus entsteht in Halle auf einem 1700 Quadratmeter großen Gelände des St. Barbara-Krankenhauses. Es hat seit langem Erfahrung bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Problemen. "Wir wollen ihnen Halt und Haltung geben, dass sie selbst einen Platz in der Gesellschaft finden können", sagte der Geschäftsführer des Krankenhauses St. Elisabeth & St. Barbara, Thomas Wüstner zum Anliegen des neuen Objekts. Allein durch eine ausgeklügelte Architektur soll es nach Stiftungsangaben den Charakter eines sicheren und heimischen Ortes verkörpern.

Nach dem Aufenthalt in der "Mattisburg" werde gemeinsam mit dem Jugendamt entschieden, wo das Kind optimal untergebracht werden könne, sagte Ruoff. "Wir wollen die Eltern aber nicht stigmatisieren", betonte sie zugleich. So sollen sie die Möglichkeit bekommen, die Kinder – zum Beispiel einmal in der Woche für zwei Stunden – besuchen zu können.

Laut Statistischem Bundesamt (Wiesbaden) führten die Jugendämter in Deutschland im Jahr 2015 rund 129.000 Verfahren, bei denen es um die Einschätzung einer Gefährdung von Kindern ging. Darunter waren 20.800 Fälle, in denen eindeutig eine akute Kindswohlgefährdung vorlag. Das waren 11,7 Prozent mehr als 2014.