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Kommunen Dörfer erkämpfen Räte

Ab 2019 sollten kleine Dörfer nur noch mit einem Ortsvorsteher auskommen. Doch die Regelung wird wieder gekippt.

05.06.2016, 23:01

Magdeburg l Im August hatte ein 150-Einwohner-Dorf in der Altmark den Aufstand gegen die Landespolitik geprobt: Kommunalpolitiker des Gardeleger Ortsteils Schenkenhorst riefen zum Protest gegen die Kommunalverfassung auf. Sie starteten gemeinsam mit anderen Orten eine Petition. Der Grund: Laut dem Gesetz fallen ab dem Jahr 2019 in Ortschaften mit weniger als 300 Einwohnern die Ortschaftsräte weg. Dafür sollen die Bürger einen Ortsvorsteher wählen können.

Dies sei „demokratie- feindlich“, hatte der Schenkenhorster Ortsbürgermeister Uwe Roitsch damals kritisiert. „Man darf Ortschaftsräte nicht einfach wegrationalisieren. Wir können doch froh sein, dass wir noch Leute haben, die sich für den Ort engagieren.“

Der Protest hat Wirkung erzielt. Während der Koalitionsverhandlungen haben sich CDU, SPD und Grüne darauf verständigt, die Regelung zu entschärfen. Nun soll der Gemeinderat bestimmen dürfen, ob es in einer Ortschaft weiterhin Ortschaftsrat und Ortsbürgermeister oder nur einen Ortsvorsteher gibt. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte der Volksstimme: „Es ist gut, wenn der Gemeinderat über die demokratischen Rechte in einer Gemeinde entscheidet.“

Vor einem Jahr hatte sein Haus die Abschaffung der Ortschaftsräte noch verteidigt. Damals hieß es, dass Ortschaftsräte für kleine Orte nicht mehr „angemessen“ seien. Diese müssten von der Verwaltung stets begleitet werden und seien zu teuer – hätten aber als „Berater des Gemeinderates“ vergleichsweise kaum etwas zu entscheiden. Deswegen sei ein Wechsel zu einem Ortsvorsteher sinnvoll.

Stahlknecht versteht diese Argumentation auch rückblickend. „Bei der Kommunalgebietsreform vor einigen Jahren hieß es von allen Seiten, kleine Ortschaften würden nicht Ortschaftsrat und Ortsbürgermeister benötigen. Deswegen haben wir das damals so entschieden“, sagte er. Es sei aber nie der Ansatz gewesen, basisdemokratische Elemente abzuschaffen. „Nach dem Protest in der Altmark gegen das Aus der Ortschaftsräte ist die Stimmung im Land dann nach und nach wieder dahin gekippt, Ortschaftsräte zu belassen. Als Minister nehme ich das ernst – ich will das umsetzen, was die Kommunen wollen“, so Stahlknecht. Bis spätestens Mitte 2018 will die Landesregierung das Kommunalverfassungsgesetz ändern. Die Reform soll vor der nächsten Kommunalwahl im Frühjahr 2019 greifen.

„Dass da nun im Land umgedacht wird, nehmen wir wohlwollend zur Kenntnis“, sagte der Schenkenhorster Ortsbürgermeister Uwe Roitsch der Volksstimme. „Ich hoffe, dass das auch in die Tat umgesetzt wird. Die Abschaffung der Ortschaftsräte war ein Fehler. Der muss korrigiert werden.“

Roitsch hält das Organ für unverzichtbar. „Der Ortschaftsrat sorgt dafür, dass es sich weiter lohnt, in den Dörfern zu leben.“ Die ehrenamtlichen Politiker kümmern sich unter anderem um die Organisation von Veranstaltungen, Arbeitseinsätze und leiten Reparaturbedarfe an die Gemeinde weiter. Für Roitsch steht fest: „Das schafft einer allein nicht. Zehn Augen sehen nun mal mehr als zwei.“