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Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt lässt Millionen verschimmeln

Der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt hat wieder einmal etliche Mängel in der Landesverwaltung aufgedeckt.

Von Michael Bock 21.10.2017, 01:01

Magdeburg l Sachsen-Anhalt nutzt die Schlossanlage in Barby (Salzlandkreis) seit 1990 als Grundbucharchiv. Dort lagern rund 2,2 Millionen historische Grundbücher und -akten. Auch das Rechenzentrum der Justiz zur Führung des elektronischen Grundbuchs befindet sich in dem Schlossgebäude. Rechnungshofpräsident Kay Barthel sagte am Freitag in Magdeburg, dieser Standort sei „unzweckmäßig und unwirtschaftlich“. Er müsse schnellstmöglich aufgegeben werden.

Das an der Elbe gelegene Schloss ist hochwassergefährdet. Viele Lagerräume sind verdreckt und mit Schimmel kontaminiert. Der Brandschutz ist unzureichend. Klimatisierte Räume für die Akten? Fehlanzeige! Beim Elbehochwasser 2002 und 2013 mussten Grundbucharchiv und Rechenzen­trum evakuiert werden. Viele Dokumente wurden beschädigt. Zwei Millionen Akten schimmeln nun langsam vor sich hin. Allein die Reinigung der äußeren Einbände kostet satte 1,9 Millionen Euro.

Das Justizministerium teile die Einschätzung des Rechnungshofes, sagte ein Sprecher. „Das ist kein idealer Ort, um Akten zu lagern. Wir brauchen ein Ausweichquartier.“ Das Finanzministerium suche nach Alternativen.

Im Rechnungshofbericht sind teils skurrile Beispiele unwirtschaftlichen Handelns aufgeführt.

Trickreich nach Afrika: Im Jahr 2011 flogen Studenten der Sozial- und Kulturwissenschaften einer Universität nach Mozambique. Die Landeszentrale für politische Bildung unterstützte die Studienreise mit rund 7300 Euro. Zu Unrecht, sagte der Rechnungshof. Es habe sich um eine universitäre Veranstaltung gehandelt, die grundsätzlich aus dem Hochschulbudget hätte bezahlt werden müssen. Die Universität nutzte einen Kunstgriff: Statt selbst als Antragsteller aufzutreten, wurde der Umweg über die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt gewählt. Der war es möglich, Fördergeld für eine Studienreise zu bekommen. Der Rechnungshof kritisiert eine „bewusste Umgehung der Fördermodalitäten“.

Das Bildungsministerium sicherte zu, dass die Landeszentrale künftig haushaltsrechtliche Vorschriften beachten werde.

Mit Currywurst zur Bestleistung: Der Landessportbund (LSB) bekam nach einer „quasi maßgeschneiderten“ Ausschreibung (was der Rechnungshof kritisiert) den Zuschlag für den Betrieb der Internate und Mensen der Sportschulen in Magdeburg und Halle. Der LSB sicherte eine sportgerechte und ausgewogene Verpflegung der Schüler zu. Doch was kam laut Rechnungshof in den Sportmensen tatsächlich auf den Teller? Zum Beispiel Currywurst mit Pommes, Burger, Hot Dogs und Pizza – in der Regel angeliefert vom Großhändler und vor Ort nur noch erwärmt. Barthel sprach vom „Who is Who“ des Junkfood. Die Rechnungsprüfer sehen darin eine „klare Vertragsverletzung“.

Kreatives für Kreative: Für den Branchenwettbewerb „Bestform“ gab das Land laut Rechnungshof 2013 mehr als 300.000 Euro aus. Die Investitions- und Marketinggesellschaft (IMG) entwickelte viele kreative Ideen. Allerdings wurde nach Ansicht der Prüfer „bei einzelnen Werbeaktionen der Grundsatz des wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit Haushaltsmitteln nicht vollumfänglich beachtet“. So wurden als Werbung für die Kreativwirtschaft 250 Mini-Suppenschüsseln entworfen und hergestellt – für insgesamt 6159,44 Euro. Diese wurden als Gastgeschenk verteilt und auf Veranstaltungen eingesetzt.

Das Wirtschaftsministerium sagte, es handele sich um ein „kreativ gestaltetes Mittel, das auf ungewöhnliche Weise für die Branche wirbt und neben dem Überraschungseffekt auch einen Nutzwert aufweist“. Zur Preisverleihung 2013 wurde die Moderatorin von einer Kreativ-Modefirma eingekleidet. Die Kleidung kaufte die IMG für 1798 Euro. Unnötig, meinen die Prüfer, denn: „Allein die Präsentation des Kleides bei einer solchen Veranstaltung ist pure Werbung für die Designerin.“

Halbierte Truppe auf alten Kähnen: Auf dem Wasser steigen Straftaten wie Umweltsünden: Doch die Zahl der Wasserschutz-Polizisten wurde in den vergangenen 25 Jahren nahezu halbiert – auf 75 Kräfte.

Für ihre Kontrollen und Patrouillen auf dem 740 Kilometer langen Wasserstraßennetz müssten sie mit zum Teil mehr als 30 Jahre alten, reparaturanfälligen Booten fahren. „Wirkungsvolle Polizeiarbeit sieht anders aus“, sagte Barthel. Das Innenministerium müsse die Flotte modernisieren und den Personalbedarf überprüfen.

Das Ministerium teilte mit, bis 2021 solle die Flotte schrittweise modernisiert werden – mit einem Mehrzweckboot und sechs Streifenbooten.