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Landesweingut Der Kellermeister von Kloster Pforta

Kellermeister Christoph Lindner gehört zu den Jüngsten seiner Zunft und ist das Gesicht des Landesweingutes Kloster Pforta in Bad Kösen.

Von Julia Köhler 08.10.2016, 23:01

Bad Kösen l Wenn in Bad Kösen die Nacht hereinbricht, die Luft angenehm kühl ist und der Himmel schwarz, dann kehrt Ruhe ein in dem 5000-Seelen-Ort. Für das Landesweingut Kloster Pforta gilt das aber nicht. Hier herrscht seit dem 12. September Hochbetrieb, vor allem nachts, weil die Trauben möglichst kühl in die Verarbeitung kommen sollen. Die Erntemaschinen sind bis zum Morgengrauen im Einsatz. Schlagen die Trauben ab, die dann auf Hänger geladen und später zu Wein verarbeitet werden.

Das Landesweingut, mit 50 Hektar Rebfläche das größte im Saale-Unstrut-Gebiet, blickt auf eine mehr als 850-jährige Geschichte zurück. Mönche gründeten das Kloster im Jahr 1138 und pflanzten auf dem nahe gelegenen Köppelberg schon bald Reben, um aus den Trauben Wein zu gewinnen. Diese Tradition pflegen die Mitarbeiter des Weingutes bis heute. Einer von ihnen ist Kellermeister Christoph Lindner.

Kellermeister. Das klingt nach älterem Herrn mit graumelierten Haaren, der vor noch älteren Weinfässern hockt und den Geräuschen in den Holzgefäßen lauscht. Mit der Realität hat diese Vorstellung allerdings nichts zu tun. Auf dem Weingut Kloster Pforta ist das ein junger Mann, einer der Jüngsten seiner Zunft, der für das Lauschen keine Zeit hat.

„So früh wie in diesem Jahr waren wir noch nie dran“, sagt der 29-jährige Kellermeister Christoph Lindner bei der Begrüßung. Verantwortlich für die frühe Weinlese sei das Wetter, erklärt er weiter. Die hohen Temperaturen Ende August, Anfang September haben den Reifeprozess der Trauben beschleunigt. In diesem Jahr wirkt sich das Wetter besonders heftig auf den Geschmack des Weines aus. „Der Wein hat viel Zucker eingelagert und wenig Säure. Das ist völlig untypisch für die Region“, erklärt Lindner. Daher wurde dieses Jahr eine Ausnahmeregelung beantragt, die Weine mit Weinsäure anzusäuern, damit sie „nicht zu flach werden“. Christoph Lindner rechnet trotzdem mit einer ähnlich guten Qualität wie 2015: „Wahrscheinlich wird der Wein sogar noch besser.“

Wenn die Ernte in einigen Wochen abgeschlossen ist, soll Wein für 400  000 bis 500  000 Flaschen eingelagert sein. Da die Region als klassisches Weißweingebiet gilt, machen Weißweine etwa 70 Prozent der Produktion aus. Weißburgunder, Müller-Thurgau und Riesling stehen hoch im Kurs. Rote Weine wie Blauer Zweigelt und Spätburgunder gehen gut, sie profitieren vom Klimawandel.

Christoph Lindner ist viel beschäftigt. Ständig wird er von Mitarbeitern angesprochen, muss hier was unterschreiben, da Fragen beantworten. Zwischendurch kommt Geschäftsführer Fritz Schumann vorbei und bittet: „Füll mal eine kleine Flasche Federweißer ab, mache gerade eine Verkostung“. Diese Aufgabe trägt der 29-Jährige gekonnt an eine Mitarbeiterin weiter, er hat jetzt keine Zeit, Federweißen abzufüllen, er muss Fragen beantworten.

Der junge Mann hat nicht nur während der Erntezeit alle Hände voll zu tun. Die meiste Arbeit fällt im Büro an. „Planen, dokumentieren, archivieren“, zählt der Kellermeister auf. „Es gibt hohe Auflagen bei der Rückverfolgbarkeit des Weines und der Fertigung von Etiketten. Wenn wir beispielsweise einen veganen Wein herstellen, muss auch der Leim, mit dem die Etiketten angeklebt werden, frei von tierischen Produkten sein. Das hat mit Weinherstellung nicht mehr viel zu tun.“

Lindner betreut die Lehrlinge, er muss sich auf Messen zeigen, Verkostungen und Führungen leiten. „Immerhin ist der Kellermeister das Gesicht des Weingutes“, sagt Lindner stolz. Manchmal ist er auch im Weinkeller, seiner „Schatzkammer“. „Wenn ich dort Weine verkoste, ist das immer ein ganz besonderer Moment“, schwärmt der junge Mann.

Im Keller riecht es muffig, und es ist dunkel. Die „Schatzkammer“ des Weingutes umgibt eine ganz spezielle Aura, romantisch irgendwie, aber auch unheimlich. Hunderte verstaubte Flaschen lagern dort unten auf morsch wirkenden Holzregalen. Sie füllen einen Raum, in dessen Mitte ein Holzfass mit einer halb abgebrannten Kerze steht. Daran schließt sich ein langer dunkler Tunnel an, Weinflaschen so weit das Auge reicht. Im Gang daneben stehen riesige Eichenfässer und behüten kostbare Schätze.

Christoph Lindner liebt seinen Beruf. Sonst würde der junge Kellermeister wohl kaum jeden Tag 60 Kilometer von Höhnstedt nach Bad Kösen und wieder zurück fahren und bis zu zwölf Stunden lange Arbeitstage in Kauf nehmen. Ob er mal an seiner Berufswahl gezweifelt habe? „Nein, eigentlich nicht. Es gab nur kurzzeitig die Überlegung, Koch zu werden. Aber da hätte ich ja immer dann gearbeitet, wenn alle anderen frei haben,“ sagt der 29-Jährige mit einem verschmitzten Lächeln.

Dass Christoph Lindner einmal „irgendetwas mit Wein zu tun haben“ werde, stand schon früh fest. Der Opa bewirtschaftet einen kleinen Weinberg in Höhnstedt, wo Lindner als kleiner Junge auf dem Traktor mitfahren durfte. In der Schulzeit wurde er an den Traubenanbau herangeführt, dann folgte ein Praktikum. Später wurde ihm klar, dass er nicht nur Winzer sein will. Darum folgte eine Ausbildung als Techniker für Weinbau und Kellerwirtschaft in der Gemeinde Veitshöchheim bei Würzburg.

Seit 2009 arbeitet Christoph Lindner auf dem Weingut Kloster Pforta, ein Jahr später wurde er zum Kellermeister ernannt. Über den schnellen Aufstieg sagt Geschäftsführer Fritz Schumann: „Christoph hat eine gute Ausbildung genossen und besitzt geschärfte Sinnesorgane, die für die Arbeit eines Kellermeisters unerlässlich sind. Doch vor allem hat er durch seinen familiären Hintergrund eine emotionale Verbindung zum Weinbau, das ist etwas Besonderes.“

Besonders ist auch die Sicht auf die umliegende Landschaft. Vom Weingut blickt man auf das einstige Klostergelände, auf dem sich heute zum Beispiel das Gymnasium Schulpforte befindet. Doch trotz aller Schönheit gibt es Pläne, zum ursprünglichen Klostergelände zurückzukehren; dort einen Teil des Geländes zu nutzen, alles neu aufzubauen, um von der besseren Verkehrsanbindung zu profitieren. Auch das gehört zu den Aufgaben eines Kellermeisters. Mutig zu sein, Pläne zu schmieden, neue Dinge auszuprobieren. „Der Kunde will immer mehr Erlebnis. Verkostungen und Hoffeste reichen da nicht mehr. Um den Kunden mehr bieten zu können, brauchen wir Platz.“

Momentan steht aber eine ganz andere Idee im Vordergrund: Um zu verstehen, wie sehr sich der Klimawandel auf das Wachstum der Trauben und die Bewirtschaftung der Weinberge auswirkt, nimmt das Weingut seit August an dem EU-Projekt „EU Life 15“ teil. „Deutschlandweit sind wir das einzige Weingut, das bei diesem vierjährigen Förderprogramm mitmacht“, sagt Geschäftsführer Fritz Schumann.

Mit Unterstützung der Hochschule Anhalt wollen die Wein-Experten herausfinden, in welcher Form Weinbaubetriebe auf Extremwetterereignisse reagieren können. So sollen an den Klimawandel angepasste Bewirtschaftungsweisen entwickelt werden, die Erosionsgefahren eindämmen und gleichzeitig die Artenvielfalt wahren. „Geplant sind etwa neue Saatgutmischungen aus regionalen Wildpflanzen zu erproben, Rebflächen zeitweilig zu beweiden oder Heil- und Gewürzpflanzen anzubauen“, erklärt Fritz Schumann. Mit den ersten Ergebnissen wird bereits im Herbst 2017 gerechnet.

„Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!“, schreibt Goethe im Faust. „Als Kellermeister im Dienst trinkt man den Wein nicht. Man schmeckt ihn ab, prüft den Säuregehalt, die Aromen und dann spuckt man ihn wieder aus, egal wie gut er schmeckt. Privat, auf Familienfesten etwa, gönne ich mir aber schon mal ein Gläschen.“ Das hätte Goethe mit Sicherheit nicht gereicht. Gut, dass er Dichter geworden ist und Lindner Kellermeister. Doch in einem stimmt der 29-Jährige dem großen Denker zu: „Das Leben ist zu kurz, um schlechten Wein zu trinken.“

Informationen zum Weingut und zu Veranstaltungen gibt es hier.