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Landtag Stimmung zwischen CDU und Grünen wankt

Zwei Wahlen hatte Sachsen-Anhalts Landtag zu absolvieren. Für die Koalition aus CDU, SPD und Grünen geraten sie zur peinlichen Panne.

Von Jens Schmidt 25.11.2016, 00:01

Magdeburg l Wenn auch die Koalition „Kenia“ heißt, das Klima ist alles andere als sonnig. Kalter Nebel klebt im Bündnis; und so manch politischer Vorgang, der eigentlich zur Routine zählt, gerät zu einem undurchsichtigen Gewurstel.

Am Mittwoch sollte Cornelia Lüddemann in die Parlamentarische Kontrollkommission gewählt werden. Das Gremium kontrolliert den Verfassungsschutz. Lüddemann ist Fraktionschefin der Grünen. Ihre Wahl sollte kein Problem sein: Schließlich haben Schwarz, Rot und Grün die Mehrheit. Zwar sind es nur zwei Stimmen Vorsprung; doch auch die Linke signalisierte Zustimmung, da Lüddemann bei der Opposition auf der linken Seite durchaus Sympathie genießt. Doch es kam anders. Das Dilemma begann schon mit der Anwesenheit - oder besser gesagt: Abwesenheit. 87 Abgeordnete hat der Landtag: 76 waren nur im Plenum. Allein bei der CDU fehlten acht Leute.

Lüddemann benötigt jedoch die Mehrheit aller gewählten Abgeordneten: Also mindestens 44 Ja-Stimmen. Die Zahl der anwesenden Kenia-Koalitionäre betrug aber nur 37. Nun brauchte sie nicht nur die Zuneigung der Linken, sondern auch deren Zustimmung. Die Wahl war geheim. Ergebnis: 43 Ja-Stimmen. Knapp daneben. Durchgefallen. 30 Abgeordnete stimmten mit Nein, drei enthielten sich.

Grüne und SPD versichern danach, dass ihre Leute gestanden haben. „Das war bei uns politisch klar, dass alle Cornelia Lüddemann wählen“, sagt SPD-Fraktionssprecher Martin Krems. Auch aus der Linken kommt der Schwur: Alle waren für Lüddemann. Sollte das stimmen, gab es von rot-rot-grüner Seite 30 Ja-Stimmen – von der CDU aber wohl nur 13, da von der AfD keine Zustimmung zu erwarten war. Offenbar hatten sich neun Unionsleute quergestellt - mit Ablehnung und Enthaltung.

Nun richten sich alle Pfeile auf die CDU. Vor allem auf Markus Kurze. Als Parlamentarischer Geschäftsführer muss er für Anwesenheit und Abstimm-Disziplin sorgen. „Wir müssen noch stärker allen klarmachen, dass wir nur eine dünne Mehrheit haben“, räumt er zerknirscht ein. Nur: Am Mittwoch hätten einige langfristige Termine gehabt. Und außerdem: „Ich würde das nicht so aufgeregt betrachten. Das kann mal passieren.“ Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) verordnet wie so oft in solchen Lagen Beruhigungspillen: „Die vorerst nicht erfolgte Wahl hat keine koalitionspolitische Ursache, sondern eine organisationstechnische.“

So locker stecken das die Grünen nicht weg. Deren Landesvorsitzender Christian Franke sagt: „Die CDU muss sich entscheiden: Gemeinsam oder gar nicht.“ CDU-Landeschef Thomas Webel ätzt zurück: „Der junge Mann kann viele Vorhaltungen machen.“

Franke ist 24, Webel 62. Damit es nicht zum großen Knall kommt, rüstet Fraktionschefin Lüddemann rhetorisch etwas ab: „Das ist keine Regierungskrise, sondern eine grobe organisatorische Panne. So etwas darf nicht passieren.“ Auf der nächsten Landtagssitzung im Dezember tritt sie erneut an.

Das Stimmungsbarometer fällt bei CDU und Grünen schon seit einiger Zeit. Höchst gereizt reagierte CDU-Landeschef Thomas Webel, als Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel zusammen mit einer Abgeordneten der Linken Anfragen an die Regierung stellte und somit gemeinsame Sache mit der Opposition machte. Grünen-Fraktionschefin Lüddemann wiederum machte CDU und SPD für das schlechte Bild verantwortlich, das die Regierung derzeit abgibt. Bei der jüngsten Umfrage bekam „Kenia“ überwiegend schlechte Noten. Wahlaffäre, Berateraffäre, zwei Rücktritte. Fraktionschefin Lüddemann bekundete, sie könne sogar verstehen, wenn die Leute die Regierung negativ bewerten. Die Mitteldeutsche Zeitung titelte: „Die Grünen fremdeln mit der Koalition“.

„Das hat etliche von uns gewurmt“, sagt ein hochrangiges CDU-Mitglied. „Die Grünen sind die Guten – die anderen die Übeltäter.“ Lüddemann, die Ober-Kritikerin – geholfen hatte es ihr bei der Wahl wohl nicht.

Doch das Nachsehen haben nicht immer die anderen. Am Donnerstag bestimmte der Landtag die Wahlleute für die Bundespräsidentenwahl. Die CDU hätte sieben Leute schicken können – doch gewählt wurden nur sechs. Finanzminister André Schröder rutschte weg, weil der CDU vier Stimmen fehlten. Und zwar offensichtlich aus der eigenen Fraktion. Interessant: Es gab vier ungültige Voten; vier Abgeordnete hatten regelwidrig mehrere Kandidaten angekreuzt. „So ein Scheiß“, schimpfte ein entnervter CDU-Mann. Absicht? Dummheit? Oder: alles halb so schlimm? Parlamentsgeschäftsführer Kurze verdreht die Augen: „Damit haben wir uns keinen Gefallen getan.“