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Flughafen Vor 90 Jahren landete der erste Flieger

Heute vor 90 Jahren landete am Airport Leipzig/Halle das erste Flugzeug. Fast ein Drittel dieser Zeit erlebte auch Ingolf Brömme.

24.04.2017, 23:01

Schkeuditz l In einer Nacht im Herbst des Jahres 1990 starrt Ingolf Brömme in die Augen eines Islandponys und wundert sich über den 1000-Mark-Schein, den er in der Hand hält. Seine Schicht als Feuerwehrmann am Flughafen Leipzig/Halle ist an diesem Abend eigentlich schon seit Stunden vorbei. Brömme hatte gewartet. Der Flieger aus dem isländischen Reykjavík war viel zu spät gelandet. Ein Transporter hatte danach die lebendige Ladung abgeholt. Doch weil das Fahrzeug zu klein war, musste ein Tier zurückbleiben. Jetzt steht Brömme auf dem Rollfeld mit seinen 1000 D-Mark in der Hand. Das Geld wird er später mit neun Kameraden teilen, die in dieser Nacht ebenfalls Dienst hatten.

Brömme passt auf. Die merkwürdigen Männer mit den langen, schwarzen Mänteln hatten ihn darum gebeten. Den ganzen Abend hatten die dunklen Typen schon in der Nähe gewartet. Als das Pferd nicht mehr in den Transporter passte, kam einer der Männer auf Brömme zu, öffnete seine Geldbörse und zückte den großen Schein. Fast 27 Jahre später erzählt der 62-Jährige diese Geschichte noch immer so, als wäre sie erst gestern passiert. Erst viel später erfuhr Brömme, dass die Männer die Sparkasse Halle um Millionen geprellt hatten. Die Pferde führten sie den Bankdirektoren vor, um ihren vermeintlichen Reichtum darzustellen.

Über fast drei Jahrzehnte Flughafengeschichte kann Ingolf Brömme berichten. Er hat sie hautnah erlebt, erst als Feuerwehrmann, später als Gästeführer. Jetzt kann er auch die restlichen 60 Jahre so erklären, als wäre er dabei gewesen.

Zum Beispiel, dass heute vor 90 Jahren Richard Held den grünen Boden der Rasenpiste am Flughafen Halle/Leipzig betrat. So hieß der Platz damals, weil vor allem Halle den Bau des grasigen Landekreises und einiger kleiner Baracken finanzierte. Held, der Margarinefabrikant aus Schkeuditz, gilt als der erste Passagier des Airports. Zuvor landete er am Morgen des 25. April 1927 und war eigentlich eine Woche zu spät: Weil es regnete, musste der Pilot den Erstflug um sieben Tage verschieben.

Heute, 90 Jahre nach der Ankunft der ersten Maschine, hat der Flughafen zwei Start- und Landebahnen. Selbstverständlich sind die Pisten asphaltiert, Flüge bei Wind und Wetter stellen längst kein Problem mehr dar. Jedes Jahr verzeichnen die Statistiker gut 65.000 Flugbewegungen. Etwa 37.000 davon entfallen auf den Frachtverkehr. Vor allem die Deutsche-Post-Tochter DHL nutzt den Airport als Drehkreuz.

Ingolf Brömme ist vor fast 30 Jahren auch für die Ausbildung des Feuerwehr-Nachwuchses verantwortlich. An einem Tag im Herbst 1989 stehen Landungen von Hubschraubern und Kampfflugzeugen auf dem Lehrplan. „Die Militär-Maschinen fliegen sowieso nie hier“, sagt Brömme vorher zu seinen Azubis und redet bis zur Mittagspause ausschließlich über Helikopter. Auf dem Weg zur Kantine nimmt er ein ungewohntes Geräusch wahr. Ein russisches Kampfflugzeug des Typs Mig-29 ist tatsächlich auf dem Rollfeld gelandet. Brömme traut seinen Augen kaum. Später erfährt er, was passiert ist: Der Pilot, ein russischer Jung-Offizier, hatte wohl die Landebahn in Leipzig/Halle mit der des nur wenige Kilometer entfernten sowjetischen Militärflughafens in Merseburg verwechselt. Als der Flieger seinen Irrtum bemerkt, ist es zu spät. Die Mig muss landen. Wenig später rückt dann ein russischer Konvoi an, um den Kollegen aus seiner misslichen Lage zu befreien. Den donnernden Abflug der Maschine hat Brömme noch heute in seinen Ohren.

„Lauter war nur die Concorde“, sagt er. Gut ein Dutzend Mal landete der Überschallflieger zwischen 1986 und 1989 in Leipzig/Halle. „Pünktlich zur Messezeit flog Air France mit dem Prestige-Flieger ein. Das war auch eine Machtdemonstration des Westens“, so Brömme. Für die DDR-Bevölkerung war ein Blick in das Statussymbol der Kapitalisten tabu. Im Herbst 1989 will sich Ingolf Brömme dennoch anpirschen. Zusammen mit einem West-Mechaniker von Air France zieht er los. Der junge Grenzbeamte vor der Concorde hält Brömme, adrett gekleidet in Uniform, wohl für einen Stasi-Offizier und lässt ihn passieren. Brömme geht die Gangway hoch und steht plötzlich in dem Überschallflieger. „Ich war ein wenig enttäuscht, wie wenig Komfort das Flugzeug bot. Das war nur ein Rohr, links und rechts zwei Sitze“, erklärt Brömme.

Damals ist Leipzig/Halle seit gut 17 Jahren ein Verkehrsflughafen. Bis 1972 nahm die staatliche Fluggesellschaft Interflug den Airport immer nur dann in den Flugplan auf, wenn in Leipzig die Messetore öffneten. Vier Wochen im Jahr wurden zu jeder Saison provisorisch Abfertigungsanlagen auf- und wieder abgebaut. Bei einem Ostbesuch soll der deutsche Bundesminister Franz-Josef Strauß (CSU) den Airport einst als „Start- und Landebahn mit einer Würstchenbude“ verspottet haben.

Heute ist der Flughafen Leipzig/Halle eine Erfolgsgeschichte. Mittlerweile arbeiten am Standort rund 8000 Menschen in etwa 100 Unternehmen. Nach der Wende haben Sachsen und Sachsen-Anhalt etwa zwei Milliarden Euro in den Ausbau investiert. Hinzu kommen Großinvestitionen des Logistikers DHL in Höhe von 600 Millionen Euro. Nur weil der Flughafen die staatlichen Ausgaben abbezahlen muss, steht am Ende ein Jahresminus. Der operative Gewinn lag 2015 bei rund 17 Millionen Euro.

Im Jubiläumsjahr des Erstflugs könnte dem Airport sogar noch eine weitere Feierstunde bevorstehen: Im Juni dürfte die Marke von 60 Millionen abgefertigten Passagieren erreicht werden.