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Minister Felgner Allein auf weiter Flur

CDU-Politiker legt Wirtschaftsminister Felgner in Debatte um umstrittenen Millionen-Vertrag indirekt den Rücktritt nahe.

24.08.2016, 23:01

Magdeburg l Der CDU-Europaabgeordnete Sven Schulze ist in der sachsen-anhaltischen Union als neuer Generalsekretär im Gespräch. In dieser Rolle soll er auch mal Klartext reden, frei von Fraktions- und Kabinettsdisziplin. Mit aktuellen Äußerungen läuft sich der Harzer für dieses Amt warm. Über Twitter forderte er Felgner indirekt zum Rücktritt auf. „Würde die SPD die gleichen Maßstäbe wie bei Güssau anlegen, wäre er nicht zu halten! Jetzt ist er nur noch eine Lame Duck“ (lahme Ente). Ein Politiker also, der handlungsunfähig ist. Der Volksstimme sagte der 37-Jährige: „Die Glaubwürdigkeit des Ministers ist massiv beschädigt.“

In der CDU ist der Ärger noch immer groß darüber, dass SPD-Landeschef Burkhard Lischka in der Stendaler Briefwahlaffäre frühzeitig den Rücktritt von Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) gefordert hatte. Viele hätten nichts dagegen, wenn es nun auch mal den Koalitionspartner SPD trifft.

Doch selbst in den eigenen Reihen ist der Rückhalt für Felgner im kaum messbaren Bereich. Die Wunden aus dem März sind noch lange nicht verheilt.

Nach dem desaströsen Abschneiden der SPD bei der Landtagswahl hatte Felgner noch vor dem Rückzug von Fraktionschefin Katrin Budde angekündigt, für ihr Amt kandidieren zu wollen. Das nimmt ihm ein Teil der Partei immer noch krumm. Dieser Flügel beäugt Felgner als Zögling von Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) sowieso äußerst kritisch – denn von Bullerjahns rigidem Sparkurs wollen sich die Genossen emanzipieren. Budde, die selbst Wirtschaftsministerin werden wollte, sieht in Felgner den Judas, also den Verräter.

Und nun die Affäre um die Beraterverträge. Als Finanzstaatssekretär hatte Felgner im November 2013 einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Investitionsbank (IB) unterzeichnet, bevor dieser im Landtag behandelt worden war. Der Rechnungshof kritisiert das.

„An die IB geht immer mehr Geld. Das ist ein riesengroßer Schattenhaushalt“, heißt es in der SPD. Von dem 6,3-Millionen-Euro-Vertrag gingen 4,4 Millionen an das Wirtschaftsinstitut isw in Halle. Dieses galt als „Haus- und Hoflieferant“ für Ex-Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD). Auf den Ministeriumsfluren wird nicht erst jetzt über ein „Konjunkturprogramm“ für das isw gelästert. Mit dessen Geschäftsführer ist Bullerjahn eng befreundet. Mitarbeiter des Instituts gingen ein und aus im Ministerium. Wie die Volksstimme erfuhr, gab es sogar noch kurz vor dem Vertragsabschluss Gespräche zwischen dem Bullerjahn-Haus und dem isw. Zu Inhalten und konkreten Gesprächsterminen wollte sich das Finanzministerium am Mittwoch nicht äußern. Nur so viel: Aufgrund der 2013 bereits bestehenden Vertragsbeziehungen hätten „naturgemäß Kontakte auf Arbeits- und Leitungsebene“ bestanden.

Landtagsvizepräsident Wulf Gallert (Linke) ist sauer. „Das Finanzministerium hat das Parlament bewusst nicht über den Vertrag informiert, um Ausein­andersetzungen zu vermeiden. Das kommt einer strukturellen Entmachtung gleich“, sagte er. „Ein Minister kann nicht aus seiner Laune heraus entscheiden, ob er den Landtag informiert oder nicht.“ Es liege der Verdacht nahe, dass so eine „institutionelle Förderung des isw am Parlament vorbei“ organisiert werden sollte.

Doch nicht nur die häufige Zusammenarbeit des Finanzministeriums mit dem isw steht in der Kritik – auch das Krisenmanagement Felgners. „Eine Katastrophe“, sagen SPD-Leute. Er hätte auf Berater hören und von Anfang sagen sollen, dass die Einfädelung des Vertrages falsch gewesen sei. „Aus dem Dilemma kommt er nicht mehr raus.“

Noch vergangene Woche hatte Felgner das Vorgehen als „absolut korrekt“ bezeichnet. Am Dienstag vollzog er eine 180-Grad-Wende.

Aus der Aktenlage geht hervor, dass auf der Ministeriums-Fachebene schon knapp fünf Monate vor dem heiklen Vertragsabschluss schwere Bedenken geäußert worden waren. Ein Beamter soll den Plan, eine Beteiligung des Finanzausschusses auszuhebeln, als nicht vertretbar bezeichnet haben.

Neue Erkenntnisse setzen Felgner zusätzlich unter Druck: Dem Vernehmen nach wurde ein hausinterner Kritiker kaltgestellt. Und E-Mail-Verkehr aus der Ministeriumsspitze erhärtet den Verdacht, dass mit dem Vertrag zuletzt im eigenen Haus nur ein ausgewählter Kreis befasst war.