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Mode Nachwuchspreis gewonnen

Lea Schweinfurth, Designstudentin in Halle, gehört zu den besten jungen Modemachern Europas. Sie gewann den „Fash“.

Von Juliane Just 24.07.2017, 01:01

Halle l Kurz vor der Preisverleihung: Der weiße Hut sitzt noch nicht richtig. Studentin Lea Schweinfurth rückt ihn tiefer, bis man das Gesicht nicht mehr sehen kann. Die Models sollen darunter verschwinden. Jedes Detail an ihrer Kollektion soll heute perfekt sein – eine Preisverleihung hat sie noch nie erlebt. Zumindest nicht als Preisträgerin.

Der Trubel der vergangenen Tage ist Lea Schweinfurth auch im Atelier in Halle noch anzumerken. Seit sie zur Berliner Fashionweek vor zwei Wochen den European Fashion Award „Fash“ gewonnen hat, steht ihr Telefon nicht mehr still. Der renommierte Nachwuchspreis ist mit 1500 Euro dotiert. Außerdem ist ihre Kollektion nun auf flimmernden Displays in Berlin, Düsseldorf und München zu sehen. Ein Mentorenprogramm wartet auf sie, Ausstellungen sollen kommen. Ein voller Terminplan für die quirlige 27-Jährige.

Zwischen all den Terminen kommt sie im Atelier in Halle zur Ruhe. Schwarze Puppen, Berge von Zeichnungen und Stoffsammlungen umgeben die Designstudentin hier. „Nach Abschlussarbeiten für die Hochschule sieht es hier immer wild aus“, sagt sie beim Blick über die vollgepackten Tische und lacht. Inmitten der Werke sitzt sie in einer blauen, großen Jeanshose und einem weiten, blauen Pulli, die Haare zu einem Dutt gebunden. „Ich bin völlig überwältigt von den letzten Tagen“, sagt die Studentin.

Wenn sie von ihren Erlebnissen in Berlin spricht, gestikuliert und lacht sie viel. Die Ohrringe wippen dabei hin und her, das Lächeln ist ansteckend. Sie wirkt wie die gute Freundin aus Schulzeiten, die man ewig nicht gesehen hat – nicht wie ein Großstadtmädchen. Denn eigentlich kommt sie aus Frankfurt am Main.

Für den European Fashion Award sollte es erneut in eine Großstadt gehen. Anfang des Jahres hatte sie sich mit einer Studienarbeit der Hochschule beworben. Mit der Kollektion „All In“ wagte sie den Schritt unter die Nachwuchsdesigner. „Es war mir wichtig zu sehen, wie meine Kollektion in der Modewelt außerhalb des Campus ankommt“, sagt sie. „Das positive Feedback hat mir sehr viel bedeutet.“ Sie wurde nach Berlin eingeladen. Dort sollte sie einen Preis erhalten. Welchen, das wusste sie nicht.

Vom historischen Campus der Burg Giebichenstein ging es also in die Hauptstadt. Plötzlich steht die zierliche, junge Frau mitten in der Modewelt. „Ich war sehr aufgeregt und habe meine Präsentation geübt“, erinnert sie sich. In Berlin ist sie eleganter gekleidet als im Hallenser Atelier: eine rote, lange Bluse, goldene Knöpfe, eine schwarze Hose. Nach der Präsentation muss sie einem internationalen Publikum unzählige Fragen beantworten.

Eine davon: Was sollen denn diese Netze vor dem Gesicht? „Ich habe die sozialen Medien und mich als Nutzerin hinterfragt“, erklärt sie ihre Idee. Im Internet zeigen die Menschen sich von ihrer besten Seite. Traurige Momente werden retuschiert, das beste Licht auf den eigenen Körper geworfen, eine eigene Welt erfunden – doch die Person, die tatsächlich hinter den Bildern steckt, bleibt oft verborgen. „Das sollten die Hüte verdeutlichen“, erklärt die Designstudentin. Ein bisschen erinnert das Verhalten der Mediennutzer ans Versteckspiel aus Kindertagen.

Weil die Gesichter verborgen bleiben, fällt die Kleidung umso mehr ins Auge. Die sechs Outfits der Kollektion von Lea Schweinfurth sind roh, streng, flächig. Zweidimensionale Mode nennt sich diese Art der Gestaltung. „Ich habe die Kollektion wie Collagen zusammengesetzt, wie es in sozialen Netzwerken mit Bildern auch geschieht. Wir zeigen uns und verschwinden gleichzeitig“, sagt sie. Starke Farben und wilde Muster zieren die Kleidungsstücke – dafür kramte sie auch in persönlichen Erinnerungen.

Die eigenen Erfahrungen spielen bei jeder ihrer Kollektionen eine große Rolle. „Jede Arbeit ist etwas sehr Persönliches“, sagt Lea Schweinfurth überzeugt. Wer ausstelle, gebe viel von sich preis. Wichtig ist es ihr, Kollektionen mit Sinn zu entwerfen. Bei „All In“ wollte sie jedoch nicht mit erhobenem Zeigefinger dastehen. „Auch ich zeige mich in den sozialen Netzwerken möglichst von meiner besten Seite“, sagt sie.

Die Liebe zur Mode begann in ihrer Heimatstadt. Lea Schweinfurth ist nicht die einzige in ihrer Familie, die sich für diesen Beruf entschieden hat. Ihre Oma besuchte eine Modeschule und arbeitete später als Schneiderin. „Irgendwann zeigte meine Oma mir ihre alten Zeichnungen aus den 30er und 40er Jahren“, erinnert sich Lea Schweinfurth. Stundenlang malte die Enkelin die Zeichnungen ab – der erste Kontakt zur Mode war geknüpft. Und wurde stetig weitergesponnen. „Ich konnte mich viele Stunden mit Handarbeiten und Zeichnungen beschäftigen. Anscheinend musste da etwas raus“, sagt die Studentin und lacht.

Nach dem Abitur stellte sie sich Fragen: Will sie wirklich Designerin werden? Will sie ihrer Oma nacheifern? Ja, das wollte sie. „Es ist nicht einfach, in der Modewelt Fuß zu fassen, aber das ist es mir wert“, sagt Lea Schweinfurth und ihr Tatendrang reißt mit. In dem Metier fühlt sie sich wohl, die Arbeit erfüllt sie. In knapp zwei Jahren hat sie den Master-Abschluss in der Tasche.

Und obwohl man von einer angehenden Designerin denkt, dass sie sich keine modischen Fehltritte erlaubt, darf es auch gemütlich sein. „Ich gehe auch mal in Jogginghose einkaufen“, sagt sie. Obwohl sie in diesem Aufzug, wie ein Zitat des Modezars Karl Lagerfeld besagt, damit die Kontrolle über ihr Leben verloren hätte.

Im Gegenteil, Lea Schweinfurth hat die Kontrolle und vor allem hat sie Pläne. Zu großen Modeunternehmen zieht es sie allerdings nicht. „Ich würde nach dem Studium gern bei kleineren Labels arbeiten“, sagt sie. So könne sie sich vorstellen, im Team mit anderen Designern kleine Kollektionen zu entwerfen.

Auch die Nachhaltigkeit ihrer Mode ist ihr wichtig. Die Kollektion „All In“ zum Beispiel bestand nur aus zertifizierten Stoffen oder aus Restbeständen. Vielleicht öffnet der Preis ihr Türen in die Modewelt. „Jetzt kommt es darauf an, was ich daraus mache“, sagt Lea Schweinfurth und zeigt lächelnd auf das Display ihres Handys: Es klingelt wieder einmal.