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Müllskandal Der nächste Mammut-Müllprozess

200 Umzugskartons mit Akten, mehr als 150 Zeugen - mit einem Mammutprozess soll der Müllskandal von Vehlitz aufgeklärt werden.

06.03.2017, 23:01

Magdeburg/Stendal l Am Landgericht Stendal hat am Montag die juristische Aufarbeitung des größten Verfahrens im Müllskandal begonnen. Die Staatsanwaltschaft hat über mehrere Stunden die 53-seitige Anklageschrift im Prozess zur Tongrube Vehlitz verlesen.

Die Ankläger werfen den beiden Hauptangeklagten Edgar E. und Stefan S. vor, für die widerrechtliche Ablagerung von mehr als 900.000 Tonnen Müll zwischen 2005 und 2008 verantwortlich zu sein. Sie sollen aus Gewinnsucht gehandelt und mit ihrer illegalen Tätigkeit mindestens 18 Millionen Euro Plus erwirtschaftet haben. Die beiden Männer hätten in „rücksichtsloser Art und Weise“ das Allgemeininteresse am Erhalt der Umwelt ihren Gewinninteressen untergeordnet, so die Staatsanwaltschaft. Dass der Abfall schwere Umweltschäden verursachen würde, sei ihnen bewusst gewesen.

Im Falle einer Verurteilung drohen Edgar E. und Stefan S. bis zu fünf Jahre Haft. Fünf weitere Männer werden in dem Verfahren außerdem der Beihilfe zu unerlaubten Umgang mit Abfällen beschuldigt. Die Angeklagten äußerten sich nicht zu den Vorwürfen.

In der Tongrube hätten nur Stoffe wie Erde und Steine entsorgt werden dürfen. Stattdessen wurden jedoch vor allem hausmüllähnliche Gewerbeabfälle eingebracht – und die müssen seit 2005 in Verbrennungsanlagen. Die Genehmigung, die die Unternehmer 2004 vom Landesbergarmt erhielten, fußte aber noch auf laxeren Regeln. Deshalb fühlten sich die Tongrubenbetreiber im Recht. Die strafrechtlichen Folgen der Genehmigungspraxis dürften das Gericht noch ausgiebig beschäftigen.

In der Tongrube haben sich über Jahre gefährliche Deponiegase und Sickerwasser gebildet. Die Methankonzentration sei sogar explosionsfähig gewesen, so die Ankläger. Die Sanierung kommt den Steuerzahler teuer zu stehen: Die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr werden sich auf mindestens 19 Millionen Euro belaufen und sollen bis 2033 dauern.

In diesem Zusammenhang hat das Land im vergangenen Jahr einen Vergleich über 7,5 Millionen Euro mit dem französischen Umweltkonzern Veolia geschlossen. Allein die Sulo-Gruppe, die 2007 von Veolia übernommen wurde, lieferte rund 300.000 Tonnen Müll für die Tongrube Vehlitz.

Die Tongrubenbetreiber hatten für ihr Geschäftsmodell einen engen Kontakt zu Sulo geknüpft. Der wegen Beihilfe angeklagte Matthias R. war zeitgleich Sulo-Niederlassungsleiter und Geschäftsführer eines Unternehmens im Firmengeflecht des Tongrubenbetreibers Edgar E. Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Matthias R. habe genau gewusst, dass die Abfälle nicht für Tongruben geeignet waren.

Bei der Verlesung der Anklageschrift kamen nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa Schriftdolmetscher zum Einsatz. Der Angeklagte Edgar E. hört schlecht. Die Dolmetscher mussten alle Anmerkungen des Richters aufschreiben, der 61-Jährige konnte auf einem Computer mitlesen.

In dem Verfahren sind 150 Zeugen benannt, die Akten füllen 200 Umzugskartons. Mit einem Urteil ist frühestens im Jahr 2018 zu rechnen.