1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Haseloff fordert Umsteuern

Nach Landtagswahl Haseloff fordert Umsteuern

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident zu Konsequenzen nach Wahlniederlage in Mecklenburg-Vorpommern.

Von Michael Bock 06.09.2016, 01:01

Herr Ministerpräsident, die AfD hat bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern erstmals die CDU überholt. Wie bewerten Sie das Ergebnis?

Reiner Haseloff: Das ist für mich keine Überraschung. Die aktuelle bundesweite Gesamtstimmungslage hat sich in diesem für uns schmerzlichen Wahlergebnis niedergeschlagen.

Wie empfinden Sie denn die Stimmung in Deutschland?

Bei vielen Menschen in Deutschland gibt es eine tiefe Verunsicherung. Sie haben das Gefühl, dass nationale und internationale Steuerungsmöglichkeiten nicht mehr wie bislang funktionieren. Bei der EU ist eine Strategie nur schwer erkennbar. Es gibt unübersichtliche und uneinheitliche Verfahrensweisen. Etwa bei der Frage, wie man mit dem Flüchtlingsproblem umgeht.

Wie lautet Ihre Antwort?

Die Flüchtlingspolitik hat zu einer starken Polarisierung in unserer Gesellschaft geführt. Alle etablierten Parteien haben auch deshalb Wählerstimmen an die AfD verloren. Wir müssen diese Polarisierung überwinden und die Menschen wieder zusammenführen.

Wie kann das gelingen?

Dazu bedarf es eines sachlichen Dialogs zum Umgang mit dem Flüchtlingsproblem. Klar ist: Ein Jahr wie das letzte darf sich in dieser Form nicht wiederholen. Der Flüchtlingszustrom muss dauerhaft begrenzt werden. Für Sachsen-Anhalt fordere ich nach wie vor eine Integrations-Obergrenze. Auch SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel hat ja inzwischen erkannt, dass für eine vernünftige Integration eine Obergrenze notwendig ist. Die EU muss ihre Handlungsfähigkeit beweisen. Wir brauchen also eine verstärkte Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die konsequente Einhaltung der zwischen den europäischen Mitgliedsländern geschlossenen Verträge und Vereinbarungen. Einen zeitweise erlebten Kontrollverlust darf es in Zukunft nicht wieder geben. Aber: Wir müssen auch den Menschen, die eine positive Bleibeperspektive haben, eine faire Integrationschance geben. Dafür gab und gibt es einen breiten politischen Konsens, dem jetzt Taten folgen müssen.

Welche?

Erstens: Der Bund muss sich an den Kosten für Flüchtlinge stärker finanziell beteiligen. Diese Debatte ist noch nicht zu Ende geführt, eine schnelle Lösung ist dringend nötig. Es muss den Ländern möglich sein, die Kosten zu schultern, ohne im Landeshaushalt Leistungen für die eigene Bevölkerung zu kürzen. Zweitens: Ehe wir völlig unnötigerweise über Steuersenkungen diskutieren, sollten wir mit den Einnahmen nachhaltig die Ost-West-Rentengleichung finanzieren. Das hat für mich Priorität. Drittens: Es muss endlich eine Lösung im Bund-Länder-Finanzausgleich gefunden werden. Wir verkeilen uns derzeit wegen 1,5 Milliarden Euro ab 2019. Das versteht doch kein Mensch mehr. Der Bund muss endlich zu Ergebnissen kommen und könnte mit vertrauensbildenden Maßnahmen sehr stark zur Entspannung der derzeitigen Lage beitragen.

Wie geschwächt ist Kanzlerin Angela Merkel nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern?

Die Kanzlerin hat ja selber erklärt, dass die Wahl auch Ergebnis der Flüchtlingspolitik sei. Insofern war die Wahl ein klares Signal, was jetzt von ihr erwartet wird. Ein „Weiter so“ darf es nicht geben.

Sollte Sie Ihrer Meinung nach noch einmal antreten?

Diese Entscheidung obliegt ihr selbst.

Und was sagen Sie?

Ich gehe davon aus, dass die Kanzlerin jetzt die richtigen Konsequenzen aus der Landtagswahl zieht. Wer, wenn nicht sie, hat dann das Potenzial, Deutschland in Europa und in der Welt mit einer starken Stimme zu vertreten.

Was erwarten Sie von der Regierungsbildung in Mecklenburg-Vorpommern?

Für Mecklenburg-Vorpommern sehe ich einen klaren Regierungsauftrag zur Fortsetzung der bisherigen Koalition der Mitte, die dazu beitragen kann, eine drohende Spaltung in unserer Gesellschaft verhindern zu helfen.