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Ostalgie Sammler suchen die Schätze aus der DDR

Viele alte Ost-Produkte erzielen heute bei Versteigerungen hohe Summen, vor allem Möbelstücke sind beliebt.

13.11.2019, 23:01

Magdeburg l Wenn Günter Höhne erst einmal angefangen hat, vom Ost-Design zu schwärmen, dann fällt es schwer, ihn und seine ehrliche Begeisterung zu stoppen. „Das war schlicht, das war funktional, das waren einfach ganz, ganz tolle Elemente, die in dieser Zeit entworfen worden sind“, umschreibt der Design-Experte die Möbelserie 602 der Deutschen Werkstätten Hellerau, die in Dresden produziert wurde.

Als Walter Ulbricht, selbst gelernter Tischler, die Möbelserie Ende der 1950er Jahre erstmals sah, bezeichnete er die Objekte des Bauhaus-Schülers und Designers Franz Ehrlich als „unmögliche Kastenmöbel“, wollte die Produktion gar einstellen lassen. Höhne, selbst ein leidenschaftlicher Verfechter des DDR-Designs, erinnert sich mit einem süffisanten Lachen an diese fatale Fehleinschätzung. Denn die Möbelstücke gingen in Produktion und wurden zu einem großen Erfolg. „Schon in den 50er Jahren hat man sich in der DDR am skandinavischen Design orientiert“, sagt Höhne.

Der 76-Jährige war bis 1989 Chefredakteur der Design-Fachzeitschrift „form+zweck“ in Ost-Berlin, bundesweit unterstützt er Aussteller mit seinem Wissen. Seine Design-Sammlung besteht aus Tausenden Objekten aus der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone und der DDR. „Das Design ist zeitlos und vor allem kompatibel mit anderen Elementen, deshalb ist auch Ikea so erfolgreich“, so Höhne.

Nach der Wende war das DDR-Design verpöhnt, galt als hässlich und unpraktisch. Erst in den vergangenen Jahren wurde es von Sammlern neu entdeckt. Die entsprechenden Möbelstücke dürften demnach im Wert weiter steigen.

Bereits heute erzielen die Elemente mit dem schnörkellosen Design von der Anrichte bis zur Vitrine große Summen bei Auktionen. Besonders beliebt: der Schreibtisch der 602er-Serie. Preis: rund 1000 Euro. „Zum Niederknien“, sagt Höhne. „Schlicht im Auftritt, aber dennoch nicht langweilig.“ Ein weiteres Schätzchen: der Menzel-Stuhl. Erstmals 1950 produziert, besteht das Möbelstück aus 29 Lagen Furnierholz und von der Rückenlehne bis hin zu den Vorderbeinen aus einem Stück. Preis bei Versteigerungen: rund 1200 Euro.

Andreas Bartl hingegen hat der Sammelfreude mittlerweile ein Ende gesetzt. Aus Zeitgründen. Der Betreiber der Internetseite rund-um-briefmarken.de bekam 1971 in der ersten Klasse ein kleines Sammelalbum von seinem Opa geschenkt. Der Startschuss für eine Leidenschaft, die 48 Jahre später ein großes Fachwissen rund um Briefmarken hinterlassen hat. „Prinzipiell ist es so, dass mit der Einführung des Euro die Preise für Standardware auch für DDR-Marken massiv gesunken sind“, so der Experte. So bringe eine normale, postfrische DDR-Sammlung von circa 3300 Marken meist nicht mehr als 2000 bis 3000 Euro. Doch auch hier gibt es Ausnahmen. So erzielt ein Markenheftchen aus dem Jahr 1960, wohl ein Einzelstück, rund 6500 Euro. Einzelmarken können bis zu 3500 Euro bringen.

Von diesen Preisen sind die meisten der rund 4000 Exponate von Eric Palitzsch weit entfernt. Auch er ist ein Experte auf seinem Gebiet und hat sich dem DDR-Spielzeug verschrieben. „Anders als bei den Möbelklassikern, die jetzt erst wiederentdeckt werden, hat DDR-Spielzeug für die Menschen eher einen großen emotionalen Wert“, sagt der 46-Jährige. Viele Menschen wollen drei Jahrzehnte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schlichtweg ein Stück eigene Kindheit in Form von DDR-Spielzeug zurückholen. Drum sei es schwer, so Palitzsch, Einzelstücke zu nennen, die bei Auktionen besonders viel Geld erzielen.

Doch es gibt sie. Vor allem jene Spielzeuge, die in den 1950er und 1960er Jahren noch in kleineren Produktionsstätten und damit in geringer Stückzahl produziert worden. Eine absolute Rarität ist zum Beispiel das ferngesteuerte ‚Auto in der Aktentasche‘. Entwickelt wurde es in Gera von Günther Sommermeyer in seinem kleinen Betrieb in den 1950er Jahren. Für die damalige Zeit einzigartig, waren seine vielen Funktionen. So besaß das Spielzeugauto bereits Vorwärtsgänge sowie Licht und einen Blinker. Navigiert wurde es über ein großes rotes Steuersystem. „Das ist schon eine ganz große Rarität und erzielt hohe Summen, wenn es in einem guten Zustand ist“, so Palitzsch. Auf einen genauen Preis will sich der Experte nicht festlegen. Doch ein Blick auf die beendeten Auktionen bei Ebay lässt erahnen, dass der Wert dieses Spielzeugs im vierstelligen Bereich liegen dürfte. So ging ein anderes IFA-F9-Modellauto aus dem Jahr 1955 – ohne Fernsteuerung – vor wenigen Tagen für rund 905 Euro über den virtuellen Ladentisch.

Autos sind ohnehin bei Sammlern beliebt. „Vor allem der Wartburg der Volkspolizei, den kannten alle und wollen alle wieder haben als Erinnerung“, sagt Palitzsch. In gutem Zustand können hier im Netz mehrere hundert Euro erzielt werden.

Doch es gibt auch Irrtümer rund um kostbare DDR-Spielzeuge. „Der Sandkipper, den alle aus Kindheitstagen kennen, wird oft als DDR-Spielzeug bezeichnet, dabei wurde er in Bulgarien produziert.“ Am Wert scheint das wenig zu ändern. Ob alte Lkw-Modelle oder Modellautos: Bei Ebay erzielen die alten Spielzeuge Summen im hohen dreistelligen Bereich. Ein Lkw-Modell aus den 1960er Jahren, hergestellt von der Firma Mechanische Spielwaren Brandenburg, wurde dort erst vor wenigen Tagen für 560 Euro versteigert.

Über den monetären Wert von DDR-Spielzeug spricht Palitzsch nicht gern, das merkt man schon am Telefon. Vielleicht auch deshalb, weil sein Sammelgebiet so stark wie kaum ein anderes vor allem mit Emotionen verbunden ist. Auch für ihn persönlich. Der Rabenauer (Sachsen) wuchs selber mit vier Geschwistern auf. Nach der Wende wollten vor allem seine zwei jüngeren Brüder viel lieber mit dem tollen, neuen Spielzeug aus der ehemaligen BRD spielen. Palitzsch aber wollte die alten DDR-Spielzeuge nicht einfach wegwerfen und begann stattdessen, sie zu reparieren und zu sammeln. Mittlerweile sind seine Exponate bundesweit gefragt. So stellte der Sachse bereits im Stadtmuseum Meißen und im Spielzeugmuseum in Nürnberg aus. „Auch Spielzeuge können eine Menge erzählen“, sagt Palitzsch. „Das ist ein wichtiges Geschichtsgut, das aufbewahrt werden sollte.“

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