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Personalnot Justiz am Rande des Kollaps

An den Gerichten in Sachsen-Anhalt fehlen Justizbeamte, Richter und Schreibkräfte. Es drohen lange Verfahren und geplatzte Prozesse.

Von Matthias Fricke 29.03.2017, 01:01

Magdeburg l Weil der Justiz Wachtmeister fehlen, müssen am Magdeburger Landgericht regelmäßig die Türen schon um 15.30 Uhr geschlossen werden. Prozesse dürfen nicht länger dauern. „Es sind zwar noch keine ausgefallen, aber die Länge der Verfahren zieht sich durch das engere Zeitfenster hin“, sagt Landgerichtssprecher Christian Löffler. Er selbst ist in Magdeburg eigentlich Zivilrichter, muss aber aktuell am Amtsgericht Haldensleben als Strafrichter aushelfen: „Im Moment stopfen wir eine Lücke mit der Nächsten.“

Noch prekärer ist die Lage an den Verwaltungsgerichten. Wegen einer noch nie da gewesenen Zahl an Asylklagen sind diese in Magdeburg und Halle unterbesetzt. Die Zahl der Verfahren stieg im vergangenen um 60 Prozent. Der scheidende Präsident des Oberverwaltungsgerichtes Michael Benndorf fürchtet für dieses Jahr noch einmal einen weiteren rapiden Anstieg: „Wir müssten die Richterzahl um die Hälfte aufstocken, um alles zu schaffen.“ Insgesamt arbeiten zurzeit an den Verwaltungsgerichten 52 Richter.

Markus Niester vom Bund der Richter und Staatsanwälte: „Schon jetzt fehlen zum Beispiel an den Landgerichten Halle und Magdeburg jeweils fünf bis sechs Richter.“ Vor allem bei Strafsachen könnten zu lange Verfahren wegen der begrenzten Untersuchungshaft verheerend sein. Er warnt: „Wenn irgendwann ein Mörder frei durch die Stadt läuft, nur weil es nicht rechtzeitig zur Verhandlung kam, ist das Geschrei groß.“

Auch bei den Staatsanwaltschaften hat sich die Situation erheblich verschärft. Die Zahl der offenen Verfahren stieg im vergangenen Jahr um 20.000 auf 40.000. Damit schieben die Anklagebehörden so viele unerledigte Verfahren vor sich her, wie seit 17 Jahren nicht mehr. Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad: „Uns fehlen aktuell 21 Staatsanwälte und 60 Mitarbeiter im Schreibdienst.“ Von 250 Stellen sind nur 190 besetzt. Die größte Gefahr sieht Konrad aber für die nächsten Jahre. Wegen des hohen Durchschnittsalters von 53 Jahren werden in 15 Jahren 118 von 150 Staatsanwälten in Pension gegangen sein. Nachschub ist vorerst aber nicht in Sicht.

Auch bei den Rechtspflegern fehlen inzwischen 30 Mitarbeiter. Bis 2024 sollen planmäßig weitere 100 in Pension gehen. „Wir haben zurzeit aber nur fünf Studenten die nach Berlin gehen und erst 2020 zurückkommen“, sagt Mario Blödtner vom Bund Deutscher Rechtspfleger. Aktuell gibt es 513 Rechtspfleger im Land.

Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) bestätigt: „Besonders drängend sind die Probleme im mittleren Dienst.“ Deshalb soll sich die Zahl der Auszubildenden verdoppeln. Dieses und nächstes Jahr sind 60 eingeplant. Sie wolle auch Proberichter einstellen, könne es aber wegen des aktuell noch geltenden Personalentwicklungskonzeptes „nur in sehr begrenztem Maß tun.“