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Planenschlitzer Autohöfe setzen auf Überwachung

Täglich wird auf Autobahnparkplätzen Lkw-Ladung entwendet. Autohöfe setzen nun auf Sicherheitsparkplätze.

Von Massimo Rogacki 17.08.2016, 01:01

Magdeburg/Theeßen l Dariusz Antczak fährt mit seinem Lastwagen auf den Autohof Theeßen an der Autobahn 2 – einer der Hauptschlagadern für Güterverkehr auf der Straße. Der polnische Lkw-Fahrer hält an einem Schlagbaum, zieht ein Parkticket, die Schranke öffnet sich. Antczak transportiert Neuwagen. Von seinem Chef hat er die Anweisung bekommen, auf überwachten Parkplätzen wie in Theeßen zu halten – und das nicht ganz grundlos. Denn Ladungsdiebstahl hat schon länger Hochkonjunktur.

Das Autobahnrevier Börde, zuständig für die A 14 und B 6n, A 2 – damit auch für Thee­ßen – verzeichnet im ersten Halbjahr 49 Diebstähle. Der Verlust für die Unternehmen: rund 160 000 Euro. 356 Anzeigen zählt das Landeskriminalamt (LKA) in den ersten sechs Monaten 2016 landesweit. Nach Angaben des Gesamtverbandes Deutscher Versicherer werden jedes Jahr Entschädigungen in Höhe von rund 300 Millionen Euro für gestohlene Ladungen gezahlt.

Und was wird geklaut? „So ziemlich alles, was sich zu Geld machen lässt“, sagt Polizeioberkommissar Thomas Skudinski vom Autobahnrevier Börde. Fernseher, PCs, Handys oder Zigaretten. „Ladungsdiebstähle und Planenschlitzer sind definitiv ein großes Problem“, sagt Skudinski.

Um Diebstähle auf Parkplätzen zu erschweren, haben die Euro-Rastpark-Gruppe und die Vereinigung Deutscher Autohöfe (VEDA) in Theeßen den deutschlandweit ersten von 20 sogenannten Premium– und Comfort-Parkplätzen entstehen lassen – ausgeleuchtet, mit Kameras, Leitplanken, Schranken und lückenloser Dokumentation der An- und Abfahrten.

Die Polizei findet das Konzept gut. Skudinski: „Wir begrüßen alle Vorkehrungen, die Diebestouren erschweren, insbesondere gesicherte Parkplätze.“ Skudinskis Revier ist zuständig für die meisten Autobahnkilometer in Sachsen-Anhalt, er weiß, wovon er spricht.

Kraftfahrer Dariusz Antczak steigt aus seinem Lkw aus. Kameras folgen seinen Schritten. Nicht jeder Fahrer kann sich damit anfreunden. „Für mich ist es okay“, sagt der Spediteur. Auf dem Sicherheitsparkplatz wisse er seine Ladung besser geschützt als anderswo.

Lastwagen wie der von Antczak werden in Theeßen bei der Einfahrt von vier Seiten gefilmt. Das Areal, auf dem 100 Fahrzeuge Platz finden, ist mit Leitplanken umzäunt. Mit einem Transporter bis zu den wertvollen Ladungen vorzustoßen, wird für Diebe quasi unmöglich. Rastpark-Geschäftsführer Johannes Witt erläutert: „Wir setzen vor allem auf effektive Abschreckung. Mit unseren Daten können wir auch Aufklärungshilfe leisten.“ Ein Ansprechpartner an der Raststätte überwacht auf zwei Bildschirmen im Kassenbereich die Bilder – 24 Stunden. Zudem werden die Aufnahmen mindestens sieben Tage gespeichert.

Diese Extraportion Sicherheit gibt es für die Fahrer nicht zum Nulltarif. Vier Euro zusätzlich muss dem Spediteur die sichere Unterbringung seines Gefährts wert sein. Wer die Nacht in Theeßen verbringt, zahlt 14 Euro – inklusive eines Verzehrbons. Andere Parkplatzbetreiber setzen zur Abschreckung auf härtere Bandagen. Auf einem sogenannten Parc Fermé am Autohof in Uhrsleben (A 2) schlägt die Überwachung inklusive verplompter Ladefläche mit 30 Euro zu Buche. Ein Service, den sich insbesondere Spediteure mit wertvoller Fracht leisten. Andere Brummi-Fahrer nutzen den daneben liegenden einfach gesicherten Parkplatz.

Der ADAC Sachsen-Anhalt hat beobachtet, „dass etliche gesicherte Rastanlagen vorbildlich ausgestattet sind, aber wenig Anklang finden. Dadurch bleiben Kapazitäten ungenutzt“, sagt Sprecherin Christine Rettig. Während die Parkplätze in Theeßen und Uhrsleben mit einer Auslastung von rund 80 Prozent unter der Woche aufwarten können, regiert an vielen Autobahn-Parkplätzen das Chaos. Der Grund: An Deutschlands Autobahnen gibt es viel zu wenige Parkplätze für Lastwagen.

Für Sachsen-Anhalt beziffert das Verkehrsministerium den Mehrbedarf auf etwa 700 Stellplätze. Gleichwohl lassen viele Fahrer Bezahlparkplätze und autobahnfernere Autohöfe aus Kostengründen links liegen. ADAC-Sprecherin Rettig bestätigt: „An Autohöfen bleiben etwa 15 Prozent der Stellflächen ungenutzt.“

Spricht man mit Fahrern, hat das einen einfachen Grund: „Die meisten wollen schnell parken und nichts zahlen“, weiß Spediteur Frank Möller. Und: Einige stecken sich die zusätzlichen Euros, die Speditionen für sichere Parkplätze auslegen, lieber selbst ein. Möllers Lkw steht auf dem Parkplatz in Thee­ßen. Geladen hat er flüssige Kakaobutter. Diebstahl fürchtet er bei dieser Fuhre nicht. Warum verbringt er die Nacht am Bezahl-Parkplatz? Er ist die Suche an der Autobahn leid: „Die wilden Parkplätze sind abends heillos überfüllt. Da werden beinahe die Einfahrten zugeparkt“, sagt der Berliner.

Er ziehe es vor, ein paar Euro aus eigener Tasche zu zahlen. Dafür müsse er sich nicht um die raren Stellplätze in Autobahnnähe streiten. Den positiven Nebeneffekt, die Sicherheit, nimmt er trotzdem gern mit. Wie die meisten Fahrer wurde auch er schon mal beklaut. „Mir wurde Sprit abgezapft. Ansonsten toi, toi, toi“, sagt Möller.

Während sich der Spediteur aus Berlin für die Weiterfahrt rüstet, steht Dariusz Antczak an der Kasse der Raststätte. Er kommt von der Toilette und besorgt sich noch eben ein Brötchen. Zügigen Schrittes läuft er zurück zum Parkplatz und wirft einen prüfenden Blick auf seine Ladung. Die Autos sind noch da – und unbeschädigt. „Weiter geht es“, ruft der Lastwagenfahrer und fährt davon.