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Regierungsbilanz Licht und Schatten im Kabinett Haseloff

Am 13. März ist Landtagswahl. Die Volksstimme zieht Bilanz über die Arbeit der Landesregierung.

28.02.2016, 23:01

Magdeburg l Die Regierungszeit des Kabinetts unter Reiner Haseloff (CDU) geht zu Ende. Am 13. März wird gewählt. Heute in zwei Wochen liegt ein Ergebnis vor. In den Umfragen deutet vieles auf eine Fortsetzung der CDU-SPD-Koalition. Doch was hat das Kabinett Haseloff in den vergangenen Jahren fünf Jahren bewegt, was blieb liegen? Wer hatte starke Auftritte, wer hat enttäuscht? Für Haseloff war es die erste Legislatur als Ministerpräsident, zuvor war er Wirtschaftsminister gewesen. Andere sind schon länger in ihrem Amt, wie Finanzminister Jens Bullerjahn und Angela Kolb-Janssen (seit 2006), andere waren 2011 Minister-Neulinge wie Kultusminister Stephan Dorgerloh und Verkehrsminister Thomas Webel.

Was in den vergangenen fünf Jahren aufgefallen ist:

Haseloff nannte als erster Ministerpräsident eines Bundeslandes in der Flüchtlingspolitik eine Integrationsobergrenze: 12 000 Menschen pro Jahr. Damit hat er sich von Merkel abgesetzt und Ärger mit dem Koalitionspartner SPD provoziert, er traf damit aber den Nerv vieler Wähler. Obwohl er lange im Schatten seines Vorgängers Wolfgang Böhmer stand, sind nunmehr fast 60 Prozent der Befragten mit ihm zufrieden.

Das war 2013 anders.  Damals hatte er einen harten Sparkurs angekündigt, Stimmung und Gegenwehr aber unterschätzt. Sein stilloser Rauswurf der Kultusministerin war sein Tiefunkt.

Haseloff wirkt in kritischen Phasen dünnhäutig und geht dem harten Disput  mit SPD und Linken im Wahlkampf lieber aus dem Weg. Seinem machtpolitischen Ideal, einer Koalition mit der SPD, ordnet er vieles unter.

Der Finanzminister legt eine saubere Kassenbilanz vor: Keine neue Schulden, Überschüsse, Rücklagen. Schulen und Kitas werden saniert. Eine Dauerbaustelle bleiben die Kommunalfinanzen, obgleich die Verteilung neu justiert wurde und Gemeinden Schuldenhilfen bekommen.

Beim Personal hat Bullerjahn immer wieder auf die Bremse getreten, allerdings gehen einige Ziele nicht auf, etwa bei den Schulen. Da die Lehrerschaft überaltert ist und Mehrarbeit nicht durchsetzbar war, kommt es immer wieder zu Ausfällen, obwohl statistisch gesehen das Land ein sehr gutes Schüler-Lehrer-Verhältnis hat. Künftig wollen mittlerweile alle Parteien mehr Lehrer und Polizisten einstellen. Bullerjahns strenge Personalpolitik ist am Ende – er selbst muss das nicht mehr erklären, da er den Minister-Job quittiert.

Als Möllring 2013 für die geschasste Ministerin Wolff geholt wurde, war die Stimmung in der Koalition im Keller. Immerhin hatte er zusammen mit Haseloff den „Bernburger Frieden" hinbekommen – ein deutlich sanfteres Sparprogramm, das die Rektoren in Bernburg akzeptieren konnten.

Bei der Mifa-Insolvenz hat er sich als Krisenmanager bewährt, so dass eine unkomplizierte Übernahme möglich war und die Firma heute expandiert. Möllring zieht im Hintergrund viele Fäden und bringt Wissenschaftler und Unternehmer zusammen.

Doch: Sachsen-Anhalts Wirtschaftswachstum liegt weit unter dem Durchschnitt. Bei Kritik wirkte er mitunter lustlos und desinteressiert. Möllring ist ein erfahrener und gewiefter Politiker, doch die Präsenz, die er einst als Finanzminister Niedersachsens entwickelte, blieb hier aus.

Der Innenminister ist gerne der Macher-Typ, der harte Kante zeigt. In der Flüchtlingspolitik verfolgt er die Linie: Wer Hilfe benötigt und sich gut integriert, soll bleiben – alle anderen gehören abgeschoben.

Stahlknecht setzte gegen die Vorstellung des Koalitionspartners SPD eine Polizeireform durch, damit mehr Polizisten auf die Straße kommen. Ob das neue Streifensystem besser ist, muss sich erst noch zeigen. Er plädierte für mehr Polizisten, wurde aber von der Staatskanzlei zurückgepfiffen. Mittlerweile fordern alle mehr Polizei.

Mitunter ist seine Zugkraft nicht so hoch, wie sie erscheint. Bei der Abwasserfrage hat er seine ursprüngliche, bürgerfreundliche Haltung nicht durchgesetzt; letztlich ließ er es zu, dass die Verbände auch noch gedrängt wurden, die umstrittenen Alt-Anschließerbeiträge einzutreiben.

Die Justizministerin hat auch gegen Widerstand aus eigenen Reihen die Schließung kleiner Gefängnisse durchgesetzt. Ob sich die Bedingungen für die Häftling bessern, wie von ihr versprochen, muss sich noch zeigen.

Tief gesunken ist ihr Ansehen in der Richterschaft. Wichtige Posten an Gerichten blieben verwaist, weil Ausschreibungen auf Wunschkandidaten zugeschnitten und daher rechtlich nicht haltbar waren. Dass die Justizministerin annahm, ausgerechnet bei Volljuristen mit derlei Tricks durchzukommen, beleidigt einen ganzen Berufsstand. 

Frauenhäuser und Beratungsstellen bekommen etwas mehr Geld. In der Gleichstellungspolitik gibt es viele Konzepte, aber wenig Greifbares . Der Posten einer regierungsunabhängigen Landes-Gleichstellungsbeauftragten wurde wegrationalisiert – das finden nicht alle Frauen toll.

Der Kultusminister durfte ein Lieblingsprojekt der SPD verwirklichen: die Gemeinschaftsschule. Dass die neue Schulform freiwillig und nicht mit dem gesetzlichen Rohrstock eingeführt wurde, war klug.

Nervenaufreibend war der Zoff um die Lehrerstellen. Mal reichten sie, mal nicht, mehrfach wurde das Neueinstellungslimit erhöht. Dorgerloh fand keinen Weg, in Fraktion und Partei Mehrheiten zu organisieren, um Finanzminister und Staatskanzlei frühzeitig umzustimmen und eine klare Linie zu entwickeln. In der Schulschließungsfrage wurde er auf halbem Weg alleingelassen: Erst sollten alle kleinen Grundschulen geschlossen werden, nach miesen Kommunalwahl-Ergebnissen aber trat die SPD auf die Bremse.

Kirchenmann Dorgerloh hat sich innerlich schon aus der Politik verabschiedet. Künftig wird die SPD das Ressort wohl an die CDU abgeben müssen.

Manche zweifelten ja, ob der eher vorsichtig agierende Minister nach der Flutkatastrophe 2013 eine neue Hochwasserschutz-Politik einleiten würde. Doch Aeikens hielt Wort, ließ 2014 ein Konzept entwickeln, das jetzt als Bauprogramm vorliegt. Das Land erhält nicht nur höhere Deiche, künftig werden auch Polder gebaut und Überflutungsflächen geschaffen. Die Flüsse bekommen wieder mehr Platz.

In der Agrarpolitik hat sich Aeikens mit den großen Landwirtschaftsbetrieben und landhungrigen Immobilienhaien angelegt. Er will verhindern, dass riesige Ackerflächen verscherbelt werden und die Dörfer ihr Gesicht verlieren. Mit einem Gesetzesvorstoß scheiterte er allerdings zunächst, da die Koalition vor der Wahl keinen Bauernkrieg riskieren mochte. Agrarunternehmer sehen sich in ihrer Freiheit massiv beschnitten.

Kindern und Eltern Gutes tun – das stand beim Sozialminister ganz oben auf der Liste, das treibt ihn an: Ganztagsanspruch für alle Kinder, mehr Personal in den Kitas, Entlastung von Mehrkindfamilien zählen zu seinen Erfolgen. Allerdings steigen auch die Kosten. Die Kommunen haben vor dem Landesverfassungsgericht eine Neuregelung der Finanzierung durchgesetzt.

Übel nahmen ihm Betroffene die Kürzung des Blindengelds auf 320 Euro.  Und die zugesagte Schützenhilfe aus Berlin traf nicht ein: Das versprochene Bundesteilhabegesetz, das auch ein einheitliches Blindengeld in Deutschland bringen sollte, gibt es bis heute nicht.

Von seiner Fraktion hatte sich Bischoff mitunter mehr Rückhalt gewünscht. Dennoch ist der 65-Jährige nicht amtsmüde. Allerdings wird ihm in der neuen Regierung voraussichtlich kein Platz angeboten.

Wäre alles glatt gegangen, hätte Minister Webel in diesen Tagen die neue Autobahn zwischen Colbitz und Stendal einweihen können. Doch sein Haus verlor 2014 vor dem Bundesverwaltungsgericht nach einer Klage des Umweltverbands BUND. Nun ist das Naturschutzrecht tückisch, doch einige der monierten Planungsfehler wären vermeidbar gewesen. Immerhin hat Webel gut reagiert: Der Planerstab wurde personell aufgerüstet, dort sitzen jetzt auch sehr erfahrene Verwaltungsjuristen. Und Webels Staatssekretär sucht Friedensgespräche mit den Umweltschützern, anstatt sich in endlosen Gerichtsprozessen zu verlieren.

Im Streit um eine mit EU-Geldern geforderte Sporthalle in Wolmirstedt wirkte Webel nicht  sonderlich souverän: Erst teilte er gegen die EU-Prüfer aus, doch dann verlor er den Streit: Die Halle durfte nicht gefördert werden.

Der versierte Jurist leitet Haseloffs Machtzentrale. Viele öffentliche Auftritte hatte er nicht, obgleich sein Haus auch für die bessere Internetversorgung  zuständig ist. Damit geht es in Sachsen-Anhalt nur langsam voran.

Wer Robra öffentlich erlebt, trifft einen gebildeten, kultivierten Mann – er redet druckreif, er spielt Bratsche. Intern aber kann der Staatskanzlei-Chef recht ruppig werden. Koalitionäre, gleich welcher Farbe und welchen Ranges, bekommen bei unbotmäßigem Verhalten Mails im Knurrton. Ohne Anrede, ohne Gruß.

Nicht wenige, die seit vielen Jahren im Geschäft sind, bemerken: Die Dünnhäutigkeit des Ministerpräsidenten überträgt sich offenbar auf viele Mitarbeiter seiner Staatskanzlei – die den Druck dann einfach weitergeben.