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Sachsen-Anhalt Ach, du dickes Straußen-Ei!

Wenn sich Familie Holldorf ein Rührei macht, reicht ein einziges Ei. Denn die Holldorfs besitzen 40 afrikanische Strauße.

Von Emily Engels 16.04.2017, 03:00

Nedlitz l Neugierig lugen etwa 20 Strauße über den Zaun. Einige legen den Kopf schief, andere starren mit ihren wachen Augen ihre Besucher aus unmittelbarer Nähe an. Wieder andere fahren mit ihren langen Hälsen ihren Kopf hoch und runter, um die beste Sicht zu haben – und sehen damit unweigerlich komisch aus. Sie alle halten Ausschau. Und zwar nach allem, was glitzert.

„Strauße sind wie kleine Elstern”, sagt Simone Holldorf, die Inhaberin vom Straußenland Nedlitz. Obwohl gerade „klein” das eine Adjektiv sein dürfte, das beim Gedanken an den Strauß nicht sofort aufkommt. Denn mit ihren bis zu 150 Kilogramm Körpergewicht und bis zu zwei Metern Höhe sind die Vögel alles andere als zierlich. Ein Vogel dieser Größe legt natürlich auch Eier in XXL. Ein Straußen-Ei wiegt bis zu zwei Kilogramm – es entspricht dem Inhalt von etwa 25 bis 30 Hühnereiern.

Wer von außerhalb kommt und sich in der Gegend rund um den Bahnhof Büden bei Nedlitz verirrt, könnte kurz meinen, er sei in der afrikanischen Steppe gelandet. Denn daran erinnern die großen Gruppen afrikanischer Strauße in der weitläufigen Landschaft – so geht es auch Simone Holldorf oft, wenn sie ihre Vogelherde beobachtet.

Die gebürtige Magdeburgerin hat sich mit der Farm einen Kindheitstraum erfüllt. Denn während andere Kinder früher von Hunden, Katzen und Meerschweinchen als Haustiere träumten, hatte sie schon immer eine Schwäche für Strauße. Nach einem längeren Aufenthalt in Südafrika war es dann um sie geschehen. „Ich war voll und ganz von den Tieren fasziniert und wollte eine Farm gründen”, erzählt sie. Was genau es war, das sie so in den Bann der Tiere gezogen hat, weiß sie nicht mehr. Vielleicht war es der stolze und gleichzeitig neugierige Charakter der Tiere, der sie zugleich elegant, aber auch frech wirken lässt. Denn wenn die Strauße etwas im Visier haben, möchten sie daran picken. Das kann ein Jackenzipfel sein, aber auch ein Finger oder ein Ohrläppchen. Vor allem eben, wenn da ein Glitzerohrring dranhängt. „Das ist einer Besucherin bereits passiert“, so Holldorf. Bis auf ein leichtes Zwicken vom Straußenschnabel in dem ein oder anderen Körperglied habe es jedoch noch keine ernsthaften Vorfälle gegeben.

Obwohl die Tiere ursprünglich aus Afrika kommen, können die robusten Vögel mit dem Klima im Jerichower Land gut leben. „Unterschiede zwischen -20 und 25 Grad sind für die Tiere kein Problem – da sind sie recht unkompliziert”, erzählt Simone Holldorf. Denn in Afrika gebe es schließlich teils extrem kalte Nächte und sehr heiße Tage.

Auf über vier Hektar verteilt wohnen die derzeit 40 Tiere in verschiedenen Herden. In einer sind die Jungtiere, die bis zu drei Jahren alt und somit noch nicht geschlechtsreif sind. Dann gibt es die größte Gruppe, die Simone Holldorf ihre „Mädels” nennt. Pro Saison, die von März bis August reicht, legen die Mädels je 30 bis 40 Eier. „Besonders gut eignen sich die XXL-Eier für Eierkuchen – da muss man nicht so viele Hühnereier aufschlagen”, so Simone Holldorf.

Außerdem kommen oft Wander- oder Fahrradgruppen am Straußenland vorbei und kaufen sich als Gruppe für 35 Euro ein Ei. Das können sie sich dann in der Gruppe vor Ort als Rührei zubereiten. „Das Eigelb ist zwar so groß wie ein Tennisball und somit wesentlich größer als das eines Hühnereis, die Eier schmecken aber sehr ähnlich”, beschreibt Holldorf.

In ihrem Hofladen verwertet sie alles vom Straußenei –und von den etwa 20 Straußen, die sie im Jahr schlachtet. Dort gibt es neben verschiedenen Fleischprodukten Kauknochen für Hunde aus den Hälsen der riesigen Vögel. Außerdem im Sortiment: Nudeln mit Straußenei und selbstgemachtem Eierlikör. „Bei so viel Ei ist es eine gute Möglichkeit, es in Produkten zu verarbeiten, für die man viele Hühnereier bräuchte”, so Holldorf. Doch längst nicht alle Eier werden verarbeitet. Denn damit auch wieder Nachwuchs kommt, liefert Simone Holldorf befruchtete Eier nach Mecklenburg an eine Straußenfarm, die auf das Brüten der Eier spezialisiert ist.

Weiter geht es zum Gehege vom Straußen-Mann, der dafür sorgt, dass die Eier auch befruchtet werden: Zu Jo-Hahn, von Simone Holldorf auch als „Der Bachelor” bezeichnet. Doch obwohl das zunächst lustig klingt, ist mit dem etwa 2,5 Meter großen Riesenvogel nicht zu Spaßen. Denn Jo-Hahn ist Chef und Aufpasser über seinen Harem, der aus geschlechtsreifen weiblichen Straußen besteht. „Ist ein männlicher Strauß in der Balz, kann er gefährlich werden”, meint Holldorf. So könne das riesige Tier mit einem kräftigen Fußtritt – ein Straußenfuß besteht aus zwei Zehen und einer riesigen Kralle – einen erwachsenen Menschen töten.

Woran erkennt man einen Strauß in der Balz? „An seinem aufgeplusterten Rumpf und den roten Schienbeinen”, erklärt die Straußen-Expertin. Bei Jo-Hahn ist beides der Fall. Inzwischen zeigt sein Schwanz nach oben, er schlägt ein wenig hin und her mit seinem dichten, schwarzen Federkleid. „Jetzt signalisiert er Gefahr”, warnt Holldorf und es wird Zeit, von „Bachelor Jo-Hahn“ wieder Abstand zu nehmen.

Die Kinder von Simone Holldorf, Mattes (17) und Lisa (18), sind aus der Schule gekommen. Die beiden kennen es nicht anders, als mit den riesigen Vögeln zusammenzuleben. „Meine Freunde finden es schon lustig, dass meine Eltern so ungewöhnliche Tiere halten”, sagt Mattes. Von den Straußen fänden sie das Fleisch sehr lecker – am besten gegrillt. Das schmecke nach einer Mischung aus Wild und Rind. Und für Lisa Holldorf? Sie mag Strauße, baut aber keine sehr enge Bindung zu den Tieren auf. Das hat sie sich deshalb abgewöhnt, weil sie weiß, dass die Tiere irgendwann geschlachtet werden.

Wie versteckt man ein Straußenei zu Ostern? Zum Fest mussten Mattes und Lisa Holldorf nie Straußeneier suchen – das wäre viel zu einfach gewesen. Denn die weißen, glänzenden Rieseneier sind bereits aus der Ferne unübersehbar. „Bei uns gab es bei der Suche immer Schokoeier, die gibt es auch für Kinder unserer Gäste, die zu Ostern für Führungen oder zum Essen in unserem Hofladen vorbeikommen”, so Holldorf. Bemalte Eier sucht man bei den Holldorfs vergebens. „Das Straußenei ist schon allein durch seine Größe und Form so einzigartig und schön. Eigentlich bemalt sie kaum einer”, sagt Simone Holldorf.

Die größten Eier der Welt sind zwar leicht zu finden, aber dafür ausgesprochen schwer zu öffnen. Sie sind schließlich so stabil, dass ein erwachsener Mensch auf ihnen stehen kann, ohne dass sie zerbrechen. Warum Familie Holldorf meist Rührei aus den Eiern macht, hat praktische Gründe. Denn wer ein Straußenei wachsweich essen möchte, muss es etwa zwei Stunden köcheln lassen.

Wenn Gäste auf dem Straußenhof der Holldorfs zu Besuch sind, müssen sie ihre Straußeneier selbst öffnen. Simone Holldorf legt dann gerne mal ein Hilfsmittel mit auf den Tisch: eine Bohrmaschine.

Das Straußenland Nedlitz ist wochentags von 14 bis 17 Uhr und am Wochenende von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Am 15. April ist es geschlossen, dafür am Ostersonntag und -montag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.