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Notfallbehandlung Patienten in der Budget-Falle

Bei plötzlicher Übelkeit oder Bauchschmerzen Hilfe beim Allgemeinmediziner? Das klappt nicht immer, wie ein Beispiel aus Magdeburg zeigt.

Von Steffen Honig 24.04.2017, 01:01

Magdeburg l Als Volksstimme-Leser Felix W.* kürzlich das Darmgrimmen packte, suchte er schnellstens Hilfe. Und zwar in der nächstgelegnen Praxis eines Allgemeinmediziners in Magdeburg. Die Abfuhr erfolgte gleich an der Anmeldung: Es sei Quartalsende hieß es an der Anmeldung und deshalb wäre das Behandlungsbudget erschöpft. Der kranke W. musste letztlich den Notdienst in Anspruch nehmen, fühlt sich aber von der Praxis verladen.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KVSA) stellt auf Volksstimme-Nachfrage klar: „Ein Vertragsarzt kann nur aus Gründen der Überlastung oder aber wegen eines gestörten Arzt-Patienten-Verhältnisses die Annahme oder Weiterbehandlung eines Patienten verweigern.“

Sollte der Patient der Meinung sein, dass bei ihm ein medizinischer Notfall vorliegt, müsse der Arzt zumindest dies ausschließen oder aber die Notfallbehandlung vornehmen, so die KVSA. Gleichzeitig verweist die Ärzteorganisation darauf, dass wegen der Unterfinanzierung der ambulanten medizinischen Versorgung jeder Vertragsarzt in Sachsen-Anhalt durchschnittlich 20 Prozent seiner Leistungen ohne Vergütung erbringe: „Dabei geht es nicht darum, ob das hier so genannte ,Budget‘ erschöpft ist oder nicht. Eine Zurückweisung von Patienten ist deshalb aber nicht möglich.“

Thomas Nawrath, Barmer-Sprecher in Sachsen-Anhalt, erklärt der Volksstimme gegenüber zur Budget-Falle: „Es ist nicht richtig, wenn hier der Schwarze Peter den Krankenkassen zugeschoben wird. Vielmehr stammen die Vorgaben für das Jahresbudget der Arztpraxen von der Kassenärztlichen Vereinigung – und nicht von den Kassen. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen an die Kassenärztliche Vereinigung für die Gesamtheit ihrer Versicherten ,mit befreiender Wirkung‘. Die Verteilung dieser Budgets innerhalb der Ärzteschaft obliegt den Gremien der KVSA.“

Aus Sicht der AOK Sachsen-Anhalt stellt die beschriebene Behandlungsverweigerung eine Ausnahme dar. „Konkrete Fälle sind uns derzeit nicht bekannt, in denen Ärzte Verordnungen oder andere Leistungen zum Quartalsende nicht mehr erbringen mit dem Hinweis, dass das Budget erschöpft sei. Auch Versichertenbeschwerden haben uns dazu in der letzten Zeit nicht erreicht“, sagt Pressesprecher Sascha Kirmeß.

Doch gibt es tatsächlich Fälle, in denen der Allgemeinmediziner die Behandlung ablehnen kann. Die KVSA nennt dafür eindeutige Bedingungen. Demnach kann der Arzt ein Stoppzeichen setzen, wenn er überlastet ist und befürchtet, den neuen Patienten nicht mehr ordnungsgemäß versorgen zu können. Dies müsse aber für alle weiteren anfragenden Patienten auch gelten und darf nicht selektiv erfolgen.

Die Ärzteorganisation kann dann überprüfen, ob die Überlastung objektiv nachvollziehbar ist. Dazu werden laut KVSA die Patientenzahlen in der betroffenen Arztpraxis mit denen der Fachkollegen verglichen. Hinzu kommt die Bewertung weitergehender Faktoren.

Von einer Ablehnung in Allgemeinarzt-Praxen betroffene Patienten sollten sich an die Kassenärztliche Vereinigung wenden (Tel. 03 91/6 27 60 00). Dann wird die Sache mit dem betreffenden Mediziner geklärt. Diesen Weg kann auch Felix W. beschreiten – wenn er sich auskuriert hat.

(*Name von der Redaktion geändert)