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Sachsen-Anhalt Schulen in der Kreidezeit

Hier Whiteboard, dort Kreide und Bücher. Bei der Ausstattung mit moderner Technik trennen Sachsen-Anhalts Schulen oft Welten.

Von Alexander Walter 11.04.2017, 01:01

Magdeburg l Biologieunterricht an der Karl-Marx-Sekundarschule in Gardelegen. Zehn Siebtklässler sitzen an modernen Rechnern im Computer-Kabinett. Vorn an der interaktiven Tafel, dem sogenannten Whiteboard, läuft ein Film über Konservierungsstoffe. Parallel „googeln“ die Jugendlichen nach Begriffen zum Thema im Internet.

Es ist die gelebte Bildung 2.0. Auch sonst vermag die erst 2013 eröffnete Schule mit digitaler Ausstattung zu glänzen. Für 330 Schüler gibt es mehr als 100 Computer, sagt Lehrer Michael Läubin. Es gibt ein schulinternes Netzwerk. „Jeder Schüler kann von jedem Rechner im Haus auf seine Daten zugreifen.“ Die Technik erlaubt noch weitaus mehr: So können Lehrer für Vorbereitungen mit einem Klick Filme und Materialien auf einem Server des Landes nutzen. „Die Möglichkeiten haben das Lernen verändert“, sagt Stellvertreter Uwe Baake: Komplizierte Experiment-Aufbauten werden überflüssig, schon Fünftklässler lernen, aufwändige Präsentationen zu erstellen.

Von solchen Bedingungen kann Roland Herms nur träumen. „Bei uns ist alles ein wenig vorsintflutlich“, sagt der Leiter der Wladimir-Komarow-Sekundarschule im benachbarten Stendal. Und tatsächlich: Durch das 1979 errichtete Gebäude weht ein Hauch von DDR-Tristesse. Weil der Standort wegen zwischenzeitlich gesunkener Schülerzahlen zur Debatte stand, wurde nach der Wende kaum saniert.

Auf den Fluren liegt Linoleum, in den Fachräumen fehlen Materialien. Die fehlende Technik ist da nur ein weiterer Aspekt. Und doch schmerzt sie Schulleitung und Lehrer der 270 Schüler zählenden Einrichtung immer mehr. „Im Vergleich zu anderen sehen wir, unsere Möglichkeiten sind doch sehr eingeschränkt“, sagt Herms.

Der Unterricht erfolgt im Wesentlichen auf dem Stand der 1980er Jahre, mit Kreide, Tafel und Fernseher, sagt der Leiter. Nur für zwei Klassen mit Sprachförderung gebe es inzwischen einen Satz von 15 Laptops. Für die im Unterricht so wichtige Anschaulichkeit sei das keinesfalls ausreichend, sagt Herms.

Marx- und Komarow-Schule sind nur 35 Kilometer voneinander entfernt. Und doch bilden sie die Enden des Spektrums bei der Digitalisierung an Sachsen-Anhalts Schulen. Wie viele Schulen dabei gut und wie viele schlecht ausgestattet sind, lässt sich kaum sagen. Denn: Zentrale Statistiken des Landes gibt es nicht. Das liegt auch daran, dass die Träger für die Beschaffung moderner Technik zuständig sind. Bei öffentlichen Schulen sind das die Landkreise und Städte. „Die Ausstattung ist sehr differenziert“, urteilt etwa Birgit Eurich für den Altmarkkreis Salzwedel. Ähnlich äußern sich die Landkreise Stendal und Harz.

Eines allerdings lässt sich sagen: In der Wahrnehmung der Lehrer steckt Sachsen-Anhalt bei der IT-Ausstattung vielerorts noch in der Kreidezeit. Bei einer Befragung durch die Telekom im Jahr 2015 gaben nur knapp 40 Prozent an, ihre Schule sei ausreichend ausgestattet. In Bayern oder Baden-Württemberg dagegen waren es rund 65 Prozent.

Dabei war das Land in den vergangenen Jahren nicht untätig. Auf Antrag der Schulträger wurden zwischen 2007 und 2013 mithilfe von EU- und Landes-Fördermitteln 465 Schulen ausgerüstet, informiert das Bildungsministerium. So wurde Geld für Computer-Kabinette, Medienwagen und lokale Netzwerke bewilligt. Insgesamt flossen 9,6 Millionen Euro.

Nach dem Ende des Programms herrschte drei Jahre Ruhe. Nun startet das Land eine neue Initiative: Grundlage der sogenannten IKT-Förderrichtlinie sind Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds (ELER) sowie aus dem Landeshaushalt. Bis 2023 sollen die Schulen im Gegenzug für ein überzeugendes pädagogisches Konzept insgesamt 13,3 Millionen Euro erhalten. Ziel sei es in allen Schulen des Landes einheitliche Standards zu erreichen, sagt Bildungsministeriums-Sprecher Stefan Thurmann.

Die Komarow-Sekundarschule könnte profitieren. Es wäre ein Glücksfall für die Schule, die zuletzt nicht reich mit guten Nachrichten gesegnet war. Erst vor wenigen Wochen erhielt sie den Bescheid, dass dringend benötigte Mittel für die Schulsanierung nur zum Teil berücksichtigt wurden.

Moderne Technik, schön und gut: Aus Sicht der Schulträger müssen aber auch Geräte gewartet und erneuert werden, erklärt Angela Vogel für den Landkreis Stendal. Vor allem aber brauche es schnelles Internet. Einen Schub könnte der von der Bundesregierung angekündigte Digitalpakt bringen. Bis 2021 will Bundes-Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) den Schulen fünf Milliarden Euro für schnellere Netze und Computer zur Verfügung stellen. Wann die Umsetzung kommt, steht noch in den Sternen. Genaueres dürfte erst nach der Bundestagswahl feststehen.

Das Land ist vorsorglich aktiv geworden. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hat angekündigt, bis Ende 2018 alle Schulen ans Breitbandnetz bringen zu wollen. Helfen könnte das nicht nur der Komarow-Schule, sondern auch der Marx-Schule. Beide surfen aktuell mit nur 16 Mbit/s.