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Sammelwut Panini-Bildchen nerven Lehrer

Die Fußball-Sticker der Firma Panini fluten die Grundschulen. Sogar im Unterricht wird getauscht, Lehrer klagen über Streit.

Von Hagen Eichler 11.06.2016, 01:01

Magdeburg l 96 Seiten stark ist das blaue Sammelheft mit dem EM-Pokal auf der Titelseite. 680 Klebebildchen mit Fußballern, Mannschaften und Verbands-Wappen sind nötig, um ein Panini-Album komplett zu füllen. Vor allem in Grundschulen ist das Sammelfieber ausgebrochen – viele Lehrer sehen das jedoch mit Argwohn.

Schule geht vor, findet etwa Thekla Mayerhofer, die in Halle an der Ulrich-von-Hutten-Schule unterrichtet. „Die Pausen sind so kurz, die Kinder brauchen doch die Zeit zum Essen und um die nächste Stunde vorzubereiten“, sagt sie. Zudem gebe es beim Tauschen immer wieder Streit und Neid. Mayerhofer hat deshalb die Sticker aus ihrer Klasse verbannt. Eine Ausnahme macht sie immer mittwochs. „Aber nur, solange es friedlich bleibt. Sonst sammle ich die ein.“

Mit detaillierten Regeln und Teilverboten versuchen viele Schulen, der Bilderflut Herr zu werden. An der Diesterwegschule in Halberstadt erinnert man sich genervt an frühere Fußballturniere. „Da hat es zur Stunde geklingelt und trotzdem wurde munter weitergetauscht“, sagt Schulleiterin Annett Biewendt. Die Konsequenz damals: Hausverbot für Panini. Bei dieser EM hingegen ist das Tauschen in Pausen und im Hort wieder erlaubt – solange es keinen Ärger gibt. Die Burger Pestalozzi-Grundschule erlaubt das Tauschen nur in einem einzigen Raum, der Bibliothek.

Panini versucht, die Leidenschaft der kleinen Sammler gezielt anzufachen. An 2500 Schulen in Deutschland hat das italienische Unternehmen kostenlose Sammelalben geschickt - mit einigen wenigen Stickern zum Start. Viele Lehrer haben die begehrte Ware an ihre Schüler verteilt. In der Magdeburger Grundschule Nordwest etwa war die Kiste schnell leer. Andere Schulleiter sehen darin Geschäftemacherei, der sie einen Riegel vorschieben. „Bei uns sind die Alben unerwünscht“, heißt es aus der Evangelischen Grundschule Magdeburg.

Das Magdeburger Bildungsministerium macht den Schulen keine Vorgaben. „Ein Verbot, Sticker oder andere Sammelobjekte mit in die Schule zu bringen, gibt es nicht“, sagt Sprecher Stefan Thurmann. „Das liegt im Ermessen jeder Schule.“

Viele Eltern wären froh, wenn die Schule Grenzen setzen würden– zumal Panini nicht der einzige Anbieter ist. „Fast jeder Discounter hat sein eigenes Sammelsurium. Die Kinder wollen alles haben“, klagt die Wittenbergerin Nicole Greupner auf der Facebookseite des Landeselternrats. „Es nervt.“

Von einem „schmalen Grat“ spricht Thomas Jäger, Vorsitzender des Landeselternrats. Arme Kinder könnten sich leicht ausgeschlossen fühlen, wenn sie nicht mithalten können. „Andererseits kann eine Schule Sticker auch im Unterricht einsetzen, etwa in Mathematik. Das könnte auch positive Effekte haben.“

Dinge tauschen, Werte einschätzen, Regeln einhalten – beim schwunghaften Panini-Handel entwickeln sich einige Kinder zu gewieften Kaufleuten. An der Grundschule Stadtmitte in Genthin beobachtet man das ganz genau. „Für eine begehrte Karte drei andere zu fordern, ist okay“, sagt Schulleiter Ingo Doßmann. Doch es gibt eine Grenze. „Wenn jemand für einen Schweinsteiger zwei Tafeln Kinderschokolade verlangt – da würden wir einschreiten.“