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Schwimmen Sachsen-Anhalter gehen nicht unter

Beim Verlassen der Grundschule sollen Kinder schwimmen können. In Sachsen-Anhalt können dies 90 Prozent. Doch es gibt zu wenig Bäder.

Von Anne Toss 29.11.2016, 00:01

Magdeburg l Kinder, die die Grundschule verlassen, sollten schwimmen können. Soweit die Theorie. In der Praxis ist das allerdings oftmals nicht der Fall. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) warnt regelmäßig davor, dass jedes zweite zehnjährige Kind, das die Grundschule verlässt, nicht sicher schwimmen kann. Holger Friedrich, Geschäftsführer des DLRG-Landes- verbands Sachsen-Anhalt, bewertet die Lage in Sachsen-Anhalt allerdings als „nicht so brenzlig“.

„Im Alter von acht, neun Jahren kann ein sehr hoher Prozentsatz der Kinder in Sachsen-Anhalt schwimmen“, sagt Friedrich. Jedoch seien die Qualitätsunterschiede zwischen Schulschwimmen und Vereinsangeboten problematisch. „Für uns ist ein Kind erst ein sicherer Schwimmer, wenn es die Anforderungen des Jugendschwimmabzeichens Bronze erreicht hat. Das Seepferdchen als Einsteigerstufe reicht nicht aus.“ Letzteres wird vom Kultusministerium als Nachweis der Schwimmfähigkeit gewertet.

Um das Seepferdchen-Abzeichen zu erhalten, muss ein Kind 25 Meter, also eine Bahnlänge, schwimmen und einen Gegenstand aus schultertiefem Wasser heraufholen. „Wenn dann aber in Gewässern geschwommen wird, die trüb sind, oder auch mal eine Welle kommt, werden die Kinder unsicher“, sagt Friedrich. Dass ein Kind mit Seepferdchenabzeichen sicher schwimmen kann, sei deshalb ein Irrtum.

Stefan Thurmann, Pressesprecher des Ministeriums für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt, berichtet, dass die Seepferdchen-Prüfung mittlerweile verschärft wurde: „Statt 25 Meter müssen die Schüler 100 Meter schwimmen.“ In einer Schwimmstatistik hält das Ministerium die Schwimmfähigkeit der Kinder fest, von 450 Grundschulen haben 305, also knapp 70 Prozent, Daten dafür eingereicht.

Im Schuljahr 2014/2015 konnten demnach 90 Prozent der Schüler schwimmen, das entspricht zirka 9386 Schülern; 56 Prozent schlossen mit einem Jugendschwimmabzeichen ab (5840 Schüler) und 34 Prozent mit dem Seepferdchen (3545 Schüler). Im Vergleich zum Schuljahr 2011/2012 konnte der Nichtschwimmeranteil somit von 24 Prozent auf rund zehn Prozent reduziert werden.

„Der Vergleich zeigt, dass die Schwimmfähigkeit heute insgesamt höher ist, allerdings ist die Qualität der Schwimmabzeichen gesunken“, so Thurmann. Denn 2011/2012 haben noch 64 Prozent der Schüler mit einem Jugendschwimmabzeichen abgeschlossen und lediglich zwölf Prozent mit dem Seepferdchen.

Holger Friedrich vom DLRG bereitet zudem eine andere Entwicklung Sorgen: „Das Bädersterben war bis vor vier, fünf Jahren in Sachsen-Anhalt extrem aktuell. Dieser Trend ist zwar gestoppt, allerdings sind weiterhin Bäder akut von der Schließung bedroht.“ Hallen- und Freibäder fallen unter die sogenannten freiwilligen Leistungen der Kommunen, die bei klammen Kassen genau überprüft werden.

Für Schulen in Regionen mit wenig oder keinen Schwimmhallen bedeutet das zum Beispiel, dass der Schwimmunterricht als Blockunterricht im Sommer stattfindet, „weil nur ein Freibad zur Verfügung steht“, sagt Thurmann. Eltern, die ihre Kinder vor der Schulzeit für Schwimmkurse anmelden wollen, landen wegen der Kapazitätsenge auf ellenlangen Wartelisten: „Es gibt nicht genug Bäder, somit kann nicht gewährleistet werden, dass jedes Kind frühzeitig schwimmen lernt, was aber der Anspruch vieler Eltern ist“, berichtet Holger Friedrich.

In der Sportstättenstatistik aus dem Jahr 2002 befindet sich die letzte belastbare Zahl der Schwimmstätten in Sachsen-Anhalt. Damals zählte man 251 Hallen- und Freibäder. Eine aktuelle Erhebung gibt es nicht, dennoch hat eine Anfrage bei Landkreisen und Kommunen ergeben, dass mindestens 115 Bäder zurzeit geöffnet sind. Der Trend zeigt also nach unten.