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Sicherheit Sachsen-Anhalter setzen auf Reizgas

Die Zeiten sind unruhig. Viele Menschen in Sachsen-Anhalt sehen sich in ihrer Sicherheit beeinträchtig und versuchen sich zu schützen.

Von Gitta Keil, dpa 31.12.2016, 08:11

Halle (dpa) l Immer mehr Sachsen-Anhalter bewaffnen sich mit Reizgas oder einer Schreckschusswaffe. Die Zahl der dafür nötigen kleinen Waffenscheine hat sich innerhalb von knapp zwei Jahren fast verdoppelt. Im Januar 2015 gab es 4365 solcher Genehmigungen im Land. Im November 2016 waren es 8265, wie das Innenministerium auf dpa-Anfrage mitteilte.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht das Hantieren mit Reizgas und Co. kritisch. "Wir haben eine sehr skeptische Haltung zur Selbstbewaffnung. Diese Dinge vermitteln nur scheinbar Sicherheit", sagte GdP-Sprecher Rüdiger Holecek. "Das kann sogar dazu führen, dass man sich Situationen stellt, denen man lieber ausweichen sollte", sagte er. Ausweichen oder Fliehen sei keine Feigheit. Nach seiner Ansicht nützen das Reizgas oder die Schreckschusswaffe in der Tasche wenig, wenn der Umgang damit nicht trainiert wurde.

Einen gestiegenen Absatz für die Mittel zur Selbstverteidigung verzeichnet der Verband der Waffenfachhändler. "Nach den Anschlägen in Paris im November 2015 explodierte die Nachfrage", sagte Verbands-Geschäftsführer Ingo Meinhard, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Dann habe eine Art Zick-Zack-Bewegung eingesetzt. Nach den Silvester-Ereignissen in Köln und den Anschlägen von Nizza, München oder Ansbach stieg die Nachfrage an. "Das hat sich jetzt verstetigt", sagte Meinhard.

Er sieht beim Thema Sicherheitsgefühl vor allem psychologische Aspekte. "Diese Menschen, die im Fachhandel waren, sind gekommen, weil sie sich psychisch außerhalb ihrer Komfortzone fühlen und sie ein Sicherheitsdefizit verspüren", meinte Meinhard. "Andere melden sich stattdessen im Karateclub an."

Vereine und Clubs bieten Selbstverteidigungskurse für Jedermann. Doch einen großen Run darauf gibt es in Sachsen-Anhalt nicht. "Es hält sich in Grenzen", sagte der Leiter der WingTsun Akademie in Dessau-Roßlau, Oliver Hofmann. "Wir haben 2016 aber schon gemerkt, dass die Nachfrage bei Frauen sehr groß ist".

Speziell für sie bietet die Akademie dreistündige Crash-Kurse an. "So viele Chrash-Kurse wie in diesem Jahr haben wir noch nie gemacht". Es gehe dort allerdings weniger um körperliches Training. Wahrnehmung und Aufmerksamkeit würden geschult. Es gehe darum, Grenzen zu ziehen. "Jede Frau muss für sich entscheiden, 'wie weit lasse ich jemanden an mich ran'", sagte der Trainer.

Auch der Ju-Jitsu-Verband Sachsen-Anhalt verspürt anhaltendes Interesse bei Frauen und Mädchen. Speziell das Kurs-Programm "Nicht mit mir!" sei sehr gut nachgefragt, sagte Verbands-Präsident Silvio Klawonn. Angeboten werde ein Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungstraining.

Die Trainingsleiter geben teils unter dem Dach des DRK oder anderer Träger Kurse, beispielsweise bei Weiterbildungsveranstaltungen. "Aber es ist nicht so, dass die Frauen und Mädchen in unsere Vereine strömen", sagte Klawonn. Der Ju-Jitsu-Verband hat im Bundesland 20 Mitgliedsvereine.

Bei der Volkshochschule in Magdeburg stehen schon seit langem Selbstverteidigungskurse auf dem Programm. Im letzten Halbjahr sei das Interesse eher zurückgegangen, hieß es dort. Mit 20 Teilnehmern sei der Kurs nicht ausgelastet gewesen.

Infografik: Waffenbesitz in Deutschland | Statista
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista, Referenz