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Stipendium Putzhilfe für Forscherinnen

Eine Nobelpreisträgerin mit Wurzeln in Sachsen-Anhalt hilft jungen Wissenschaftlerinnen, Beruf und Kind unter einen Hut zu bekommen.

Von Elisa Sowieja 06.05.2017, 09:30

Magdeburg l Forschen statt Staubsaugen: Reshanne Reeder bekommt zweimal pro Woche Zeit für ihre Karriere geschenkt – und zwar in Form einer Haushaltshilfe. Eine große Unterstützung für eine Wissenschaftlerin mit Vollzeit-Job und einjährigem Kind. So kann sich die junge Amerikanerin in die Arbeit stürzen: Am Institut für Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ergründet sie, wie der eigene Erfahrungsschatz unsere visuelle Wahrnehmung beeinflusst.

Reeder gehört in diesem Jahr zu den 15 Stipendiatinnen der Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung. Die spendiert begabten Forscherinnen mit Kind 400 Euro im Monat für Putzfrau und Babysitter. Hintergrund ist der Frauenmangel in der Wissenschaft. Nur auf jeder fünften Professorenstelle in Deutschland sitzt eine Frau. In Sachsen-Anhalt sieht es genauso aus – und das, obwohl die Studienanfänger zur Hälfte weiblich sind. Eine hohe Hürde auf dem Weg zur Professur ist für viele die Kinderplanung.

Denn zum einen lässt sich beim Forschen die Arbeitszeit schlecht planen, zum anderen gibt es in der Regel nur befristete Verträge – und das erzeugt Druck. Reshanne Reeder wollte nach dem ersten Geburtstag ihrer Tochter möglichst gleich wieder voll arbeiten, erzählt die 29-Jährige: „In Teilzeit hätte ich viel weniger Zeit für Veröffentlichungen. Die sind aber wichtig, weil man sich ständig gegenüber der Konkurrenz behaupten muss.“

Dank der Stiftung kann sie auf ihrem Weg zur Professorin auch mit Kind Vollgas geben. „Ich bin viel flexibler“, sagt sie. Obendrauf hilft ihr das Stipendium indirekt, ihre Tochter besser zu verstehen. Denn da das Mädchen schwerhörig ist, belegen die Forscherin und ihr Mann einen Abendkurs in Gebärdensprachdolmetschen. Der Babysitter für diese Zeit wird auch von den 400 Euro gezahlt.

Die Gründerin der Stiftung hat es in der Wissenschaft selbst weit gebracht: Christiane Nüsslein-Volhard, Biologin und heute 74 Jahre alt, erhielt 1995 den Nobelpreis für ihre Forschungen über die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung. Geboren ist sie in Heyrothsberge im Jerichower Land. Heute arbeitet sie am Tübinger Max-Planck-Institut. Aus Erfahrung weiß sie: „Wissenschaftler ist ein harter Job. Man muss sehr produktiv sein und schneller als die Konkurrenz.“ Warum es Frauen besonders schwer haben, erklärt sie so: „Männer haben oft Hausfrauen, die ihnen vieles abnehmen. Frauen haben das nicht.“

Deshalb will Nüsslein-Volhard ihnen Hilfe von außen zahlen. Ihre Stiftung unterstützt seit 2004 Doktorandinnen und Postdoktorandinnen in Medizin und experimentellen Naturwissenschaften, jeweils für ein Jahr. Das Geld stammt von einer Fülle an Sponsoren.

Rund 100 Forscherinnen hätten sich zuletzt beworben, berichtet die Nobelpreis-Trägerin. „Ausgewählt werden diejenigen, die uns von ihrer Forschung begeistern und eine Chance haben, weiterzukommen.“ Qualitäts-Abstriche wegen Mutterpflichten lässt sie nicht durchgehen: „Jede muss mindestens genauso gut sein wie eine Frau ohne Kind.“

Für nächstes Jahr kann man sich bis zum 30. November bewerben. Infos gibt es hier.