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VaterschaftsstreitMagdeburger will Aldi-Sohn sein

Der Magdeburger Heribert Saalfeld will beweisen, dass der Aldi-Gründer sein Vater ist. Das Verfahren stockt wegen einer fehlenden Adresse.

14.05.2017, 23:01

Magdeburg l Ein mittelloser Mann gegen die reichste Familie Deutschlands: Die Geschichte von Heribert Saalfeld hat etwas vom Kampf David gegen Goliath. Doch der in Magdeburg lebende Rentner gibt sich unbeeindruckt. Für ihn steht fest: „Ich bin ein unehelicher Aldi-Sohn. Karl Albrecht war mein Vater.“

Aldi gehört zu den erfolgreichsten Discountern der Welt. Angefangen hat die Geschichte 1913 in Essen. Dort eröffnete Anna Albrecht unter dem Namen ihres Mannes einen Tante-Emma-Laden. Ihre Söhne Karl (1920–2014) und Theo (1922–2010) machten später eine Handelskette daraus.

Eine der Mitarbeiterinnen in den 1930er Jahren soll Saalfelds Mutter Gisela gewesen sein. „Sie war Kassiererin“, erzählt der 79-Jährige. Auf einem Prospekt, das Aldi 2013 anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums herausgebracht hat, sei sie sogar abgebildet, sagt Heribert Saalfald. Der in Magdeburg lebende Mann behauptet, das Resultat einer Affäre seiner Mutter (damals 20) mit Karl Albrecht (damals 18) gewesen zu sein. Er betreibt vor dem Familiengericht eine Vaterschaftsklage.

Ob die Geschichte stimmt? Selbst Saalfelds Anwalt Knud Hartstock hat Zweifel. „Ich weiß es nicht“, sagt er. „Aber sein Vortrag ist erstmal schlüssig. Er erinnert sich an viele Details. Deshalb wollen wir, dass ein Familiengutachten erstellt wird.“ Die Nachkommen von Karl Albrecht, Sohn Karl junior und Tochter Beate Heister, sollen eine Speichelprobe abgeben. Ein genetisches Sachverständigengutachten könnte Klarheit bringen.

Heribert Saalfeld wurde 1938 in Bochum geboren. „In dieser Frauenklinik kamen damals viele unehelichen Kinder zur Welt“, erzählt er. Seine Oma Mathilde sei eine gute Bekannte von Anna Albrecht, Karls Mutter, gewesen. „Die gingen immer zusammen in die Kirche. Die Albrechts waren katholisch.“ Als kleiner Junge sei er häufig in einem Albrecht-Laden nahe der Essener Wohnung gewesen, sagt Saalfeld. „Zu Karls Mutter durfte ich ‚Tante Anna‘ sagen.“ Auch die beiden Söhne habe er dort regelmäßig gesehen.

Die Frage nach seinem Vater hat Heribert Saalfeld als Kind oft gestellt. Doch Mutter und Oma seien stets ausgewichen, erzählt der 79-Jährige. „Ein uneheliches Kind war zu dieser Zeit eine Todsünde.“ Ein paar Hinweise hätten sie ihm aber gegeben. Er sei ein einflussreicher Mann in Essen. „Und meine Mutter sagte immer: ‚Wenn du ein paar Stunden später geboren worden wärst, hättest du am gleichen Tag wie dein Vater Geburtstag.‘“ Heribert Saalfeld wurde an einem 19. Februar geboren, Karl Albrecht an einem 20. Februar.

Saalfelds Mutter kann dazu nicht mehr befragt werden. Sie ist bereits vor 48 Jahren gestorben. Doch warum bemüht sich der 79-Jährige erst jetzt, Jahrzehnte später, um Aufklärung?

Die Frage ist Heribert Saalfeld unangenehm. „Ich habe mich immer geschämt, eigentlich schäme ich mich bis heute“, sagt er. Saalfeld lebte jahrelang im Ausland: In Brasilien, Spanien und Kambodscha war er als Installateur tätig. „Ich wollte meine Vergangenheit vergessen, ausblenden. Doch seitdem Karl Albrecht tot ist, lässt mich das nicht mehr los.“ Vom Tod des Aldi-Gründers hat er aus der Volksstimme erfahren. Im Jahr 2012 verschlug es Saalfeld wegen einer Hüftoperation nach Magdeburg. Seitdem lebt er in einer kleinen Wohnung von Sozialleistungen und Lebensmitteln von der Tafel. Um Geld und Anteil am Erbe gehe es ihm bei der Vaterschaftsklage nicht, beteuert Saalfeld. „Ich will Klarheit.“

Doch ob es die jemals geben wird, ist ungewiss. Das Verfahren am Amtsgericht stockt. Das Problem: Damit ein Sachverständigengutachten erstellt werden kann, soll Saalfeld dem Gericht eine ladungsfähige Anschrift der Prozessgegner – also der Nachkommen von Karl Albrecht – nennen. Doch wie soll man an eine Adresse kommen, wenn eine Familie völlig zurückgezogen lebt?

Dass über das Privatleben der Albrechts wenig bekannt ist, hat eine Vorgeschichte. Karls Bruder Theo wurde 1971 entführt. Erst mit der Zahlung von sieben Millionen D-Mark Lösegeld kam er frei. „Es ist nachvollziehbar und hat seine Gründe, dass die Familie nicht gefunden werden will“, sagt Anwalt Hartstock. „Aber für uns ist das extrem schwierig. Die Albrechts stehen weder im Telefonbuch, noch kann man sie googeln“, sagt der Anwalt. „Man könnte einen Privatdetektiv einschalten – doch den kann sich mein Mandant nicht leisten.“

Auch die Anforderung von Auskünften aus dem Melderegister ist keine Option. Anders als bei Strafverfahren zwingen Gerichte bei Zivilstreitigkeiten die Meldeämter nicht ohne weiteres dazu, die Adressen herauszurücken.

„Wo sollen wir da anfangen? Wir können nicht in jeder Stadt nachfragen“, sagt Anwalt Hartstock. „Außerdem ist der Name nicht gerade selten.“

Vom Aldi-Konzern kann Heribert Saalfeld jedenfalls keine Hilfe erwarten. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir hierzu keine Auskunft geben und Ihnen auch keinen weiteren Kontakt vermitteln können“, so eine Sprecherin auf Anfrage der Volksstimme, ob sich die Nachkommen freiwillig beim Gericht melden und ihre ladungsfähige Anschrift angeben würden, um das Verfahren zu beschleunigen.

Am Amtsgericht Magdeburg ist das Verfahren vorerst weggelegt worden. „Sollte bei uns wieder ein Schreiben dazu eingehen, nehmen wir es aber sofort wieder auf“, sagt Amtsgerichtssprecher Christian Hoppe. Das Gericht habe zwar grundsätzlich die Möglichkeit, auch von Amtswegen zu ermitteln. „Doch dafür gibt es Grenzen. Wir können einer solchen Sache nicht wochenlang ins Blaue hinein nachgehen.“ Wenn beispielsweise eine erste Adresse vorliege und ein Prozessgegner verzogen sei, würde man weitere Nachermittlungen anstellen. „Doch in diesem Verfahren haben wir bisher gar nichts. Auch ein Firmensitz reicht nicht“, sagt Hoppe.

Sollte Heribert Saalfeld doch noch an die Daten kommen, könnte es ganz schnell gehen. „Ein Speicheltest für ein Abstammungsgutachten wäre mit Zwangsmitteln durchsetzbar“, sagt Gerichtssprecher Hoppe. Dann käme es vielleicht doch noch zum Aufeinandertreffen von David gegen Goliath – ohne Steinschleuder. Dafür mit Wattestäbchen.