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Vegan Eiersalat geht auch ohne Ei

Immer mehr Menschen in Deutschland entscheiden sich für einen veganen Lebensstil. Sogar in der Jugendherberge wird bald mehr vegan gekocht.

Von Verena Schitnig 05.12.2016, 23:01

Magdeburg l Heute gibt es veganen Eiersalat. Klingt verrückt? Ist aber so! Köchin Elke Schippel aus der Jugendherberge Naumburg guckt verdutzt. Wie, Eiersalat ohne Eier? Wie das funktionieren soll, weiß die 55-Jährige noch nicht. Das wird sie lernen, denn sie ist eine von 15 Jugendherbergs-Köchen, die an dem Workshop zum Kochen ohne tierische Produkte teilnimmt. Dafür hat sich Ralf Heydecke, Leiter der Jugendherberge Magdeburg, Björn Moschinski ins Haus geholt. Der Koch ist ein Promi unter den Veganern, trat schon im Fernsehen auf und hat bereits vier Bücher geschrieben.

Köchin Schippel kippt Nudeln in den Topf mit kochendem Wasser. Noch immer ist ihr nicht klar, wie aus weichgekochten Nudeln hartgekochte, vegane Eier werden sollen. „Ihr werdet keinen Unterschied merken“, sagt Moschinski.

„Ich war immer gegen die vegane Küche und fand auch Tofu eklig. Aber ich bin wirklich gespannt, wie das Essen heute schmecken wird“, sagt die schlanke Frau mit den rotgefärbten Haaren und blickt auf das brodelnde Wasser. Und gespannt darf sie sein, denn Moschinski weiß, was er tut. Schließlich ist er seit über 20 Jahren vegan, hat sich das Kochen selbst beigebracht und kennt alle Tipps und Tricks. Auch oder gerade für die Großküche.

„Wir werden zusammen massentaugliche vegane Gerichte kochen, die richtig geil schmecken und leicht zu machen sind. Wie der Eiersalat“, sagt der 37-Jährige in die Runde. Der eine oder andere Koch hält den schlanken Mann mit seiner lässigen Art, den Dreadlocks und dem „V“-Tattoo am Handgelenk sicherlich für einen Hardliner, einen, der beim Anblick eines Stücks Fleisch prompt eine Demo organisiert. Auch Schippel zieht eine Augenbraue hoch, während sie die Pasta im Kochtopf umrührt. „Keine Sorge, ihr müsst jetzt nicht alle vegan werden. Ich will nur das Bewusstsein für einen nachhaltigen Lebensstil und einen ressourcenschonenden Umgang für Lebensmittel schaffen“, sagt der Wahl-Pfälzer und lächelt.

Weil in Deutschland rund 7,5 Millionen Vegetarier leben und sich nahezu 900 000 Menschen vegan und komplett „fleischfrei“ ernähren - und es immer mehr werden, will das Deutsche Jugendherbergswerk Landesverband Sachsen-Anhalt in den Gästehäusern ein täglich wechselndes, veganes Gericht einführen. Damit soll die Produktpalette in den Jugendherbergen erweitert werden und für alle Gäste etwas dabei sein. „Nicht nur Veganer, auch Vegetarier, Gesundheitsbewusste und jene mit ökologischem Gewissen, Allergiegeplagte und alle, die koscher oder halal leben, könnten sich bedienen“, sagt der vegane Profi-Koch. „Grundvoraussetzung ist, dass es schmeckt.“ Er rät den Köchen, offen für Neues zu bleiben, mit Aromen und Gewürzen zu spielen.

Azubi Meikel Wollmerstedt macht sich an das Kichererbsenmus für den Salat. Dafür hat er einen großen Messbecher auf die Arbeitsfläche gestellt, in den er mehrere Dosen Kichererbsen leert und ein Gemisch aus Sojamilch und Öl gießt. „Und jetzt gut durchrühren“, sagt Moschinski und drückt dem Azubi einen Stabmixer, groß wie eine Bohrmaschine, in die Hand. Drei Monate ist der junge Mann in der Jugendherberge Kretzschau (Burgenlandkreis) und hat vom Kochen noch nicht viel Ahnung, vom veganen schon gar nicht.

Während Köchin Schippel die Pasta abgießt, rückt Azubi Wollmerstedt seine Brille zurecht. In dem Gefäß vor ihm befindet sich jetzt die weiche Kichererbsen-Masse. „Probier mal“, sagt Moschinski zu dem 19-Jährigen. Wollmerstedt taucht seinen Löffel in die Masse und verkostet sie. „Das schmeckt nach nichts“, erwidert er mit leicht verzogener Miene. Und wie in aller Welt kommt jetzt der Eigeschmack in den Salat? Wahrscheinlich liebt Moschinski den Moment, wenn seine „Lehrlinge“ verwirrt aus der Wäsche gucken, er seinen veganen Trumpf aus der Tasche zieht und ganz lässig aus dem Handgelenk über die fade Salatmasse kippt. „Kala Namak“ heißt das Zauberwort. Das schwarze Vulkansalz ist schwefelhaltig und „imitiert jedes Hühnerei“. Vorsichtig würzt er das Kichererbsenmus .

Für Otto-Normalköche ist Kala Namak ein Exot unter den Ersatzstoffen. Erhältlich ist er in Bioläden, vereinzelt in großen Supermärkten und Discountern. Um zwei Drittel teurer als das gemeine Tafelsalz, bleibt er aber erschwinglich.

Auch Agar-Agar ist vielen noch kein Begriff. Es ist ein veganes Geliermittel, das aus Zellwänden von Rotalgen statt aus Rinderknochen gewonnen wird. Und in vielen Supermärkten gehört es bereits zum Standard-Sortiment.

Als klassischer Fleischersatz dienen Weizen-, Lupinen- und Sojaprodukte, die in den meisten Super- und Drogeriemärkten erhältlich sind.

Statt Kuh- oder Ziegenmilch - die auch tierischen Ursprungs sind - wird Soja-, Reis-, Mandel-, Hafer- und Kokosmilch verwendet. Die Produkte können bereits in nahezu jedem Supermarkt gekauft werden.

„Probiert jetzt!“ Schippel verkostet als eine der Ersten. „Geil“, fällt sie ihr knappes Urteil. Auch die anderen Köche machen sich neugierig daran. „Mmmhhh“, „lecker“ ist aus unterschiedlichen Ecken zu hören. Moschinski schnappt sich die Masse und kippt sie über die weichgekochte, halb-zerfallene Pasta, die jetzt eine ähnliche Konsistenz hat wie hartgekochte, kleingeschnittene Eier, und rührt alles gut durch. Für die gelbe Farbe wird der Salat noch mit Kurkuma (dt. Gelbwurz) gewürzt und mit etwas Schnittlauch dekoriert. Jetzt sieht der vegane Eiersalat seinem originalen Vorbild zum Verwechseln ähnlich und schmeckt auch so. „Ich hätte den Unterschied nicht bemerkt“, sagt Azubi Wollmerstedt stolz und ist begeistert über sein Kochwerk.

Nach insgesamt drei Stunden schweißtreibender Küchenarbeit sind neben dem veganen Eiersalat noch vegane Mayonnaise, Reispuffer mit Dattelratatouille, Linsenpfanne, Frikassee, Spaghetti Bolognese, eine Zitronencreme und Schokoladen-Mousse entstanden. Jetzt geht´s ans Probieren.

Und, zufrieden mit der Wahl des heutigen, veganen Küchenchefs? „Ja“, sagt Leiter Heydecke. „Ich denke, dieser Workshop hat den Köchen gezeigt, wie einfach veganes Essen in einer Großküche zubereitet werden kann, das auch noch richtig gut schmeckt.“ Und wie sehen die anderen das? Von der anfänglichen Skepsis scheint, den leeren Tellern nach, nicht mehr viel übrig zu sein. Auch Azubi Wollmerstedt hat eine klare Meinung und sagt: „Ich könnte mir sogar vorstellen privat vegan zu kochen.“