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Wärmestuben Neue Generation Hilfebedürftiger

Soziale Einrichtungen wie Wärmestuben haben in der kalten Jahreszeit Hochkonjunktur. Zu den Besuchern zählen vermehrt Kinder und Rentner.

12.11.2016, 06:32

Halle/Magdeburg (dpa) l Die Wärmestuben und Suppenküchen in Sachsen-Anhalt werden vermehrt von jungen Menschen und Rentnern aufgesucht. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Etwa ein Viertel der Bedürftigen in der Wärmestube Halberstadt seien Kinder, sagte Cathleen Brand von der Caritas Halberstadt. Nach Angaben der Betreiber gibt es genug Plätze in sozialen Einrichtungen wie Wärmestuben und Obdachlosenwohnungen. Die Tafeln haben jedoch Probleme, genug gespendete Lebensmittel für ihr Angebot zu bekommen.

Die meisten Besucher von Wärmestuben und Suppenküchen sind Männer, beziehen Arbeitslosengeld II und haben einen festen Wohnsitz. Aber auch junge Menschen mit Mitte 20 und Kinder suchten häufiger Hilfe, sagte Brand. Rund 500 Haushalte in Halberstadt haben einen Anspruch darauf: Sie können zum Frühstück kommen und zum Mittagessen.

Auch in Magdeburg suchen bereits 20-Jährige Rat und Gesellschaft in der Wärmestube des Roten Kreuzes (DRK). Zunehmend besuchen auch Rentner die soziale Einrichtung, wie die Leiterin der DRK-Geschäftsstelle Magdeburg, Britta Goehring, sagte. Im Winter kämen mehr Obdachlose, hauptsächlich betreue sie aber Arbeitslosengeld-II-Empfänger, sagte Goehring. "Insgesamt besuchen uns weniger Menschen. Man merkt, dass es Deutschland insgesamt wieder gut geht." Dennoch seien arme Menschen auf Wärmestube und Kleiderkammer angewiesen.

Obdachlosigkeit sei in Sachsen-Anhalt weniger ein Problem, genaue Zahlen gibt es aber nicht. "Wir haben nicht das klassische Obdachlosenklientel wie in großen Städten in alten Bundesländern", sagte Frieder Weigmann, Sprecher der Diakonie Mitteldeutschland. Insgesamt nehme die Zahl von Obdachlosen seit rund zehn Jahren ab. "Das liegt daran, dass Sozialarbeiter es geschafft haben, mit den Klienten präventiv zu arbeiten", sagte Weigmann. Dadurch landeten weniger auf der Straße. Ehrenamtliche Unterstützung sei immer willkommen, für eine richtige Armutsprävention brauche man aber "fitte Sozialarbeiter", sagte er.

René Pietsch ist Sozialarbeiter. Er betreut Hilfesuchende in der Wärmestube der Stadtmission Halle. Pietsch beobachtet einen Generationenumbruch: Die älteren Besucher der Wärmestube seien um die 50 Jahre alt und oft krank. Sie kämen immer seltener. "Etwa eineinhalb Jahre lang hatten wir weniger Menschen da. Jetzt kommen jüngere Hilfesuchende zwischen 35 und 40 Jahren", sagte Pietsch. Die Bedürftigen seien häufig "multitoxisch" – hätten also ein Alkohol und Drogenproblem. "Das ist eine neue Generation Hilfebedürftiger", sagte Pietsch. Im ersten Halbjahr seien so viele Klienten zur Erstberatung gekommen wie sonst in einem gesamten Jahr.

Sorgen gibt es bei den Tafeln, wo Bedürftige Lebensmittel abholen können. Die Supermärkte kalkulierten inzwischen so gut, dass kaum etwas zum Spenden übrig bleibe. "Das ist für die Tafeln ein echtes Problem", sagte Diakonie-Sprecher Weigmann.

In der Weihnachtszeit laden viele der Sozialeinrichtungen zu adventlichen Feiern ein. In Halle gibt es ein Kaffeetrinken, in Halberstadt und Magdeburg festliche Weihnachtsessen. In Stendal laden Suppenküche und "Saftladen", ein Treff für Alkoholkranke, zum Weihnachtsfest und an Silvester ein. Die Harzer Tafel bietet Bedürftigen an den Festtagen ein Programm: An Heiligabend singt der Kirchenchor, es gibt Kaffee, abends Kartoffelsalat und Würstchen. Am 25. Dezember tafeln jedes Jahr rund 50 Bedürftige bei einem Vier-Gänge-Menü im "Restaurant mit Herz", wie die Suppenküche hier heißt, sagte Anke Gercke-Oberstädt vom AWO-Kreisverband Harz, dem Träger der Tafel. "An Weihnachten soll niemand merken, dass er arm ist."