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Wahlfälschung Linke, SPD und Grüne fordern Aufklärung

Im Stendaler Briefwahlskandal rückt jetzt die Rolle von Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) in den Mittelpunkt.

23.07.2016, 13:00

Magdeburg/Stendal l Im Stendaler Briefwahlskandal rückt jetzt die Rolle von Landtagspräsident Hardy Peter Güssau (CDU) in den Mittelpunkt. Sowohl Linke als auch SPD und Grüne fordern Güssau  auf, sich zu erklären.

Beide reagieren damit auf Berichterstattung der Volksstimme in der Sonnabend-Ausgabe. Demnach ergeben Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, dass führende CDU-Politiker aus Stadt, Kreis und Land versucht haben, den Betrug um gefälschte Briefwahl-Vollmachten bei der Stadtratswahl 2014 zu vertuschen. Damit sollte insbesondere der Hauptbeschuldigte, Ex-Stadtrat Holger Gebhardt, (CDU) aus der Schusslinie genommen werden.

Aus dem internen E-Mail-Verkehr zwischen dem Stendaler CDU-Stadtverbandschef Güssau und CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel geht hervor, dass eine Wiederholung der Wahl und eine Strafanzeige verhindert werden sollten. Demnach wurde hierfür auf die Wahlleiter von Kreis und Stadt Stendal, Landrat Carsten Wulfänger und Vize-Oberbürgermeister Axel Kleefeldt (beide CDU), gezielt Einfluss genommen. Güssau schaltete auch den damaligen Staatssekretär von Verkehrsminister und CDU-Landeschef Thomas Webel, Klaus Klang (CDU), ein. "Zweifellos steht somit ein schwerer Vorwurf gegen Hardy Peter Güssau im Raum", betonte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Landtagsfraktion, Stefan Gebhardt, in einer Presseerklärung.

"Zu den neuen Details und der zweifellos schwierigen Situation für die Landespolitik insgesamt wird sich die Fraktion  verständigen und über mögliche Konsequenzen und Schlussfolgerungen gemeinsam beraten", erklärte Gebhardt. Güssau solle hierzu die Möglichkeit erhalten, von der Fraktion  "zu den im Raum stehenden Vorwürfen angehört" zu werden. Dieses Angebot werde die Linken-Fraktion dem Landtagspräsidenten in den kommenden Tagen unterbreiten. Gebhardt: "Erst dann wird die Fraktion eine abschließende Bewertung der neuerlich bekannt gewordenen Details zur Stendaler Briefwahlaffäre vornehmen.“

Der altmärkische Landtagsabgeordnete Andreas Höppner geht dagegen einen Schritt weiter und twitterte: "Das ist auch und gerade für den Landtagspräsidenten ein unwürdiges Verhalten. Rücktritt wäre seinerseits die richtige Konsequenz!"

Auch in der SPD-Landtagsfraktion "lösen die neuen Details Fragen und Diskussionen aus", erklärte der altmärkische Abgeordnete Jürgen Barth. "Diese werden wir mit Hardy Peter Güssau in der Fraktion und im Ältestenrat führen", kündigte Barth an.

Eine Erklärung erwarten auch die Grünen als Koalitionspartner des CDU/SPD/Grünen-Bündnisses. Ihr Landesvorsitzender Christian Franke sagte der Volksstimme: "Es ist erschreckend. Wir erwarten von Herrn Güssau, dass er sich öffentlich äußert, wie die damaligen Vorgänge mit der Würde und den Aufgaben seines Amtes als Landtagspräsident in Einklang zu bringen sind." Davon wollen die Grünen abhängig machen, wie sie sich in der Frage weiter positionieren.

Holger Gebhardt hatte 2014 ein Wahlergebnis mit 689 Stimmen einen exorbitant hohen Briefwahl-Stimmenanteil von 82,3 Prozent erlangt. Bei einer internen Untersuchung in der Stendaler Stadtverwaltung stellte sich anschließend heraus, dass bei der Wahl 189 Vollmachten an zwölf Personen herausgegeben wurden, obwohl nur vier Vollmachten pro Person erlaubt sind. Die Staatsanwaltschaft geht inzwischen davon aus, dass 178 Vollmachten gefälscht sind.

Die Volksstimme hatte bei den Recherchen für die Berichterstattung in der Sonnabendausgabe Güssau mit Verweis auf neue Erkenntnisse aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gefragt, warum er sich damals in die Suche nach einer Lösung für den Umgang mit den 189 falsch ausgegebenen Vollmachten eingebracht habe. Der Landtagspräsident ließ diese Frage unbeantwortet.