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Wahlfälschung Stendaler Ex-Stadtrat legt Geständnis ab

Im Prozess um die Fälschung von Briefwahlunterlagen in Stendal gesteht ein einstiger CDU-Politiker.

10.01.2017, 10:42

Stendal (dpa) l In der Stendaler Briefwahlaffäre hat der beschuldigte Ex-Stadtrat Holger Gebhardt vor Gericht ein Geständnis abgelegt. "Ich bedauere mein Handeln zutiefst und übernehme die volle Verantwortung", ließ der ehemalige CDU-Politiker beim Prozessauftakt am Dienstag vor dem Landgericht Stendal durch seinen Anwalt mitteilen. Der 43-Jährige soll bei der Kommunalwahl im Mai 2014 Briefwahlvollmachten gefälscht sowie fremde Wahlunterlagen selbst ausgefüllt haben.

"Er wollte beweisen, dass er seine Tätigkeit der Wahlvorbereitung ernst nimmt", sagte Gebhardts Anwalt. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Stadtratswahl 2014 Fraktionssekretär der Stendaler CDU. "Er hat sicher die falschen Schlüsse gezogen und konnte mit dem Erwartungsdruck nicht umgehen", so der Anwalt weiter.

Druck und falsch verstandener Ehrgeiz hätten ihn zu seinem Handeln gebracht, ließ der ehemalige CDU-Politiker zum Prozessauftakt am Dienstag vor dem Landgericht Stendal durch seinen Anwalt erklären. Die Staatsanwaltschaft legt dem 43-Jährigen rund 300 Fälle von Urkunden- und Wahlfälschung zur Last. Er soll Briefwahlvollmachten gefälscht und fremde Wahlunterlagen selbst ausgefüllt haben.

Der Druck, möglichst viele Wahlberechtigten zur Teilnahme per Briefwahl zu bewegen, sei vor allem vom CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel gekommen. Schon in vorangegangenen Wahlen habe er gelernt, dass man dabei nichts dem Zufall überlassen könne, hieß es in der Erklärung. Der Angeklagte hatte 2014 selbst für den Stadtrat kandidiert. Rund 80 Prozent seiner Stimmen erhielt er von Briefwählern. Aufgeflogen waren die Manipulationen auch, weil mehreren Stendalern im Wahllokal gesagt wurde, sie hätten bereits per Briefwahl abgestimmt.

Auf Nachfragen der Vorsitzenden Richterin wollte der Ex-Stadtrat am Dienstag nicht antworten. Unklar blieb zunächst, ob hinter der Wahlfälschung ein bereits seit längerem existierendes System stand, von dem auch andere wussten. In der kommenden Sitzung sollen nun zunächst fünf mutmaßlich betroffene Wähler als Zeugen gehört werden. Auch CDU-Kreischef Kühnel ist zu einem späteren Termin geladen. Die Richterin sagte, Klärungsbedarf bestehe vor allem in der Frage, was genau mit den abgeholten Stimmzetteln passiert sei.

Die Manipulation wurde entdeckt, weil mehrere Wahlberechtigte im Wahllokal gesagt bekamen, sie hätten bereits per Briefwahl abgestimmt. Die Justiz beschäftigt der Fall seit Monaten, unter anderem führte die Debatte zum Rücktritt des damaligen Landtagspräsidenten Hardy Peter Güssau (CDU).

Die Briefwahlaffäre beschäftigt Politik und Justiz seit Monaten. Rund 3000 Seiten Ermittlungsakten trug die Staatsanwaltschaft zusammen. Für den Prozess sind zunächst Termine bis Mitte März angesetzt. Im Fall einer Verurteilung drohen dem Angeklagten bis zu fünf Jahre Haft. Einer zuvor angedeuteten Verständigung auf maximal zwei Jahre Haft bei einem umfassenden Geständnis erteilte die Staatsanwältin eine Absage. "Ich sehe keine Möglichkeit, mich mit zwei Jahren zufrieden zu geben."