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Walker-Prozess Todesfahrer schweigt zum Unfall

Ein 64-jährigen LKW-Fahrer aus Hohendodeleben soll 2016 zwei Frauen überfahren und eine schwer verletzt haben. Nun begann der Prozess.

Von Matthias Fricke 16.05.2017, 13:43

Oschersleben (dpa) l Auf diesen Augenblick hat Rita P. gewartet. Als der 64-jährige Angeklagte Reinhard S. an ihr vorbeigeht, stellt sie sich ihm in den Weg: „Ich wollte Ihnen nur einmal in die Augen sehen. Das bin ich meiner Tochter schuldig.“ Doch der Angeklagte geht wortlos mit gesenktem Kopf weiter. Dann bleibt die Mutter der getöteten 43-jährigen Monique P. ratlos im Flur des Amtsgerichtes Oschersleben zurück. Sie sagt später: „Dieser Unfall hat unser aller Leben verändert.“ Auf eine Entschuldigung warte sie, wie die anderen Opfer auch, bis heute. Monique P. hinterlässt zwei Kinder, auch das andere 45-jährige Todesopfer Susanne A. hatte einen Sohn.

Doch wie ist es zu dieser Tragödie in einem Dorf westlich von Magdeburg gekommen? Oberstaatsanwalt Bernhard Tangemann wirft dem Angeklagten aus Hohendodeleben fahrlässige Tötung in zwei Fällen und fahrlässige Körperverletzung vor. „Unachtsamkeit“ habe zum Unfall geführt.

Die 55-jährige Überlebende Kerstin L. schildert dem Gericht, dass sich die drei Frauen an jenem Sonnabend zum Nordic Walking getroffen haben. Sie waren am 4. Juni gegen 8.50 Uhr auf einem zur Straße parallel verlaufenden Weg in Richtung Magdeburg unterwegs, als sich von hinten der Lkw auf der Straße näherte. Die Frauen haben das Unglück nicht kommen sehen. „Monique und Susanne sind vor mir gelaufen. Dann plötzlich ist alles schwarz geworden“, schildert sie. Als sie wieder zu sich kam, habe sie einen Mann gesehen, der entsetzt die Hände vor seinem Gesicht zusammenschlug. „Da wusste ich, dass etwas ganz Schreckliches passiert sein musste“, fügt die 55-Jährige hinzu.

Der Laster war laut Gutachten mit 58 km/h auf der geraden Strecke in Richtung Magdeburg unterwegs gewesen. Wie die Beifahrerin eines entgegenkommenden Autos dem Gericht beschrieb, soll der Lkw erst nach und nach auf die Gegenfahrbahn gelangt sein. Das Ehepaar, das aus Richtung Magdeburg kam, hupte erst und bremste dann sein Fahrzeug ab. Als der Lkw fast auf gleicher Höhe war, überfuhr dieser erst den Grünstreifen und erfasste dann die Gruppe der Frauen. Während die überlebende 55-Jährige zur Seite geschleudert wurde, überrollte der Lkw die anderen beiden.

Die Gerichtsmedizinerin sprach von Verletzungen, die sofort zum Tod geführt haben. Der Lkw soll erst dutzende Meter weiter mitten im Feld zum Stehen gekommen sein. Kerstin L. wurde mit zehn Rippenbrüchen und weiteren inneren Verletzungen in eine Magdeburger Klinik gebracht. Nach der Notoperation konnte sie auf eine Normalstation verlegt werden und acht Tage später das Krankenhaus verlassen. Bis Dezember habe sie mit den Folgen zu kämpfen gehabt.

Wie der Anwalt des Angeklagten meint, leide auch der 64-jährige Lkw-Fahrer an den psychischen Folgen des Unfalls. „Mein Mandant versucht, das öffentliche Leben zu meiden“, sagt der Verteidiger.

Der Prozess soll am 1. Juni fortgesetzt werden. Dem Angeklagten drohen im Fall einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.