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Halbfinale 7:1-Sieg geht als Jahrhundertereignis in die WM-Geschichte ein DFB-Team bremst sich selbst

Das 7:1 gegen Brasilien wird als Jahrhundert-ereignis in die
WM-Geschichte eingehen. Die deutschen Fußballer bremsen sich nach dem
weltweit bestaunten Giganten-Auftritt jedoch selbst. Bundespräsident
Gauck und Kanzlerin Merkel besuchen das Finale am Sonntag.

10.07.2014, 01:24

Santo André (dpa) l Der Sieg für die Ewigkeit löste bei den deutschen Fußball-Heroen spontan gewaltige Glücksgefühle aus - unsterblich aber werden erst Weltmeister. Diese Losung gaben Joachim Löw und seine zur Krönung entschlossenen Spieler nach der magischen Halbfinal-Nacht mit dem weltweit bestaunten 7:1-Festival aus, das die krachend gescheiterten Brasilianer in eine Schockstarre stürzte.

"Nee, nee, nee, wir haben uns jetzt gegenseitig schon gebremst", berichtete der nun alleinige WM-Rekordschütze Miroslav Klose nach dem Wahnsinnsspiel gegen den gedemütigten Rekordweltmeister, das als ein Jahrhundertereignis in die Fußball-Geschichtsbücher eingehen wird. "Weltmeister ist noch niemand im Halbfinale geworden", konterte indes Toni Kroos verfrühte Jubelarien.

Auf dem Rückflug aus Belo Horizonte richtete DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ein großes "Dankeschön" an alle Beteiligten. "Ihr könnt euren Kindern und Enkelkindern noch in Jahren und Jahrzehnten erzählen: Damals, 8. Juli 2014, in Belo Horizonte, ich war dabei. 7:1 gegen Brasilien. Noch in Jahrzehnten wird man fragen: Wie war das möglich?"

So abgeklärt, wie seine gereifte Elf auf dem Rasen das in Panik geratene Gastgeber-Team demontiert hatte, blieb derweil auch Löw nach dem größten Sieg in seiner achtjährigen Amtszeit als DFB-Chefcoach. "Man sollte das Ergebnis jetzt auch nicht zu hochhängen", erklärte der 54-Jährige nach dem höchsten Sieg in einem WM-Halbfinale überhaupt. "Wir müssen jetzt Demut haben und uns mit aller Ruhe vorbereiten auf das Finale", sagte Löw und mahnte mit Blick auf die erhoffte Krönung zum Weltchampion am Sonntag (21 Uhr/ARD) in Rio de Janeiro: "Niemand sollte sich unbesiegbar fühlen."

Diese Gefahr scheint kaum vorhanden bei einer Generation mit Veteranen wie Klose, Lahm oder Schweinsteiger, die von knapp verpassten Triumphen genug hat. "Wir sind zweimal im Halbfinale bei einer Weltmeisterschaft ausgeschieden, zweimal knapp. Die Mannschaft hat sich das einfach erarbeitet", urteilte Kapitän Philipp Lahm.

Das Team 2014 sei "geerdet", betonte Löw: "Ich glaube, dass diese Mannschaft unbedingt bereit ist, das Finale jetzt zu gewinnen." Das Unfassbare, das sich im Estadio Mineirao abgespielt hatte, soll nicht den Blick vernebeln. "Es kann nur einen ganz großen Wurf geben, wenn wir uns auf dieses Spiel nicht allzu viel einbilden", meinte Mats Hummels.

Die Brasilianer zerbrachen - noch dazu ohne Superstar Neymar und Kapitän Thiago Silva - an dem immensen Druck, im eigenen Land Weltmeister werden zu müssen. "Wir sind den tiefen Emotionen und der Leidenschaft der Brasilianer mit Ausdauer, mit Klarheit und mit Beharrlichkeit begegnet", analysierte Löw. Der Erfahrungsvorsprung von im Schnitt 66 Länderspielen der deutschen Startelf-Akteure gegen gerade 38 der Brasilianer schlug voll durch, gerade in den verrückten sieben Minuten vom 2:0 (23.) bis 5:0 (29.).

"Wir haben ein Tor nach dem anderen gemacht, das konnte man zwischendurch kaum glauben", staunte der herausragende Kroos, der zweimal traf. Dazu erzielte Klose sein 16. WM-Tor, Thomas Müller sein fünftes im Turnier und Sami Khedira sein erstes. Nach der Pause schlug André Schürrle noch zweimal zu sowie ganz zum Schluss Oscar für die hemmungslos weinenden Spieler der Seleção.

In Deutschland jubelte die Rekordzahl von 32,57 Millionen Menschen vor den TV-Geräten mit. Dass sie ausgerechnet am 24. Jahrestag des dritten und letzten deutschen Titelgewinns Geschichte geschrieben hatten, beeindruckte die möglichen Nachfolger der 90er-Weltmeister nicht übermäßig. "Sonntag können wir Geschichte schreiben", entgegnete Jérome Boateng. "Jetzt müssen wir noch einmal durchziehen, Vollgas geben und uns das Ding holen", lautete die Ansage von Müller.

Nach wechselvollen Wochen fügt sich in Löws Puzzle ein Teil ins andere. Das Tor-Phänomen Klose ist punktgenau zurück.

Unterstützung erhalten die DFB-Kicker von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in Begleitung von Bundespräsident Joachim Gauck als Glücksbringerin zum Finale kommt.

Im Maracanã könnte Deutschland nun als erstes Team aus Europa bei einer WM in Südamerika den Titel gewinnen. "Mir ist wurscht, wo ich Weltmeister werde, Hauptsache, wir werden es", erklärte Kroos.