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Seleção ist ein Scherbenhaufen

13.07.2014, 15:01

Die Heim-WM 2014 war für Brasilien sportlich ein Turnier zum Vergessen. Nicht einmal ein würdevoller Abschied gelang dem Rekord-Weltmeister. Und Trainer Scolari verliert seine Reputation.

Brasília (dpa) l Gedemütigt und ausgepfiffen schlichen Brasiliens WM-Versager einer ungewissen Zukunft entgegen. Nach dem völlig missratenen Abgang im Spiel um Platz drei ist die Seleção nur noch ein Scherbenhaufen. "Dass es so zu Ende geht, haben wir nicht verdient. Wir müssen uns beim Volk entschuldigen", jammerte Kapitän Thiago Silva. Das Team des Rekord-Weltmeisters zerbröselte auf der Zielgeraden wie eine Sandburg an der Copacabana. Ein Umbruch ist nach dem Total-Zerfall mit 1:10-Toren in den letzten zwei Partien unausweichlich, aber der entzauberte Luiz Felipe Scolari sperrt sich noch gegen den Abschied als Nationaltrainer.

Zumindest Neymar schien die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Der verletzte Superstar humpelte nach dem blamablen 0:3 gegen die Niederländer während der Pressekonferenz auf die Bühne und unterbrach Scolaris Verteidigungsrede. Neymar herzte den störrischen Coach, der sich mit ein Küsschen auf die Wange bedankte. Danach gab Neymar auch dem Technischen Direktor Carlos Alberto Parreira die Hand. Es wirkte wie eine Verabschiedung am Ende des frustrierenden Heimturniers, das ursprünglich den "Hexacampeão", den sechsten WM-Titel, für den Rekord-Weltmeister bringen sollte.

Vor 68 034 Zuschauern in Brasília geriet der WM-Gastgeber durch einen Elfmetertreffer von Robin van Persie bereits in der 3. Minute in Rückstand. Daley Blind (17.) und Georginio Wijnaldum (90.+1) besorgten mühelos den Rest gegen schwache Brasilianer. Nichts war es mit einem versöhnlichen Auftritt, die Seleção wurde ausgebuht und verschwand in der Kabine, ehe die Niederländer von Fifa-Präsident Joseph Blatter die Bronzemedaillen umgehängt bekamen.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es ist ein furchtbares Gefühl", sagte Mittelfeldspieler Oscar ratlos und vergoss - wieder einmal - ein paar Tränen. Mit Leidensmiene verließ Dante das Estádio Nacional. Beim Debakel gegen Deutschland war der Bayern-Innenverteidiger einer der Sündenböcke, diesmal musste er wieder zuschauen. "Ich bin sehr, sehr enttäuscht, sehr traurig wegen des ganzen Turniers. Aber ich habe viel gelernt: Dass man im Fußball immer sehr, sehr konzentriert sein muss", betonte der 30-Jährige. "Das Spiel gegen Deutschland war sehr schwierig. Ich bin sicher, wenn ich zurückkomme, werde ich stärker sein als vorher." Jetzt will er erstmal drei Wochen Urlaub mit der Familie machen.

Scolaris Ansehen in der Öffentlichkeit hat bei der WM heftig gelitten. "Es ist die Entscheidung des Verbandspräsidenten, was mit mir passiert. Ich werde meine Zukunft nicht mit Ihnen diskutieren", sagte "Felipão" auf die Frage eines Journalisten. Er wiederholte wie schon die Tage zuvor: "Wir hatten vereinbart, dass wir nach Ende des Wettbewerbs einen Bericht einreichen werden. Unsere Position wird vakant sein, und der Präsident und der Vorstand werden die WM analysieren." Scolaris Vertrag endet ohnehin nach dem Turnier.

Der 65-Jährige konnte sich auch nach den Pleiten in den letzten beiden Spielen nicht dazu durchringen, das Ende seiner Dienstzeit zu verkünden. Der designierte Präsident des Brasilianischen Verbandes (CBF), Marco Polo Del Nero, hatte sich zuletzt für einen Verbleib des Weltmeistertrainers von 2002 ausgesprochen. Nach der Blamage im kleinen Finale sagte Noch-Verbandschef Jose Maria Marin der Zeitung "Folha da São Paulo", die Situation mit Scolari sei "unhaltbar".

Die Zeit drängt für den Verband: Am 5. September steht in Miami gegen Kolumbien das nächste Länderspiel an, 2015 die Copa América und 2016 in Rio de Janeiro das olympische Fußball-Turnier. Ein Umbruch scheint unumgänglich, Routiniers wie Torwart Júlio Cesar, Dante, Dani Alves und Dante haben wohl keine Zukunft in der Seleção.