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Handball Pokalsieg überstrahlt nicht alles

Der SC Magdeburg ging nach Rang vier im Vorjahr mit großen Erwartungen in die Serie 15/16. Die Grün-Roten wurden von der Realität eingeholt.

Von Janette Beck 13.06.2016, 01:01

Magdeburg l Auf dem starken vierten Platz in der Vorsaison lag für den SCM und Trainer Geir Sveinsson in der neuen Spielzeit schon früh der Fluch der guten Tat. Die Erwartungshaltungen – die eigenen ebenso wie die des anspruchsvollen Magdeburger Handball-Publikums und erst recht der heißblütigen Fans – waren hoch. Nach einem passablen Start schürten bald die ersten bitteren Enttäuschungen den Verdacht, dass die Magdeburger, die ambitioniert und mutig zum Angriff auf das Spitzentrio Kiel, Flensburg und die Rhein-Neckar Löwen geblasen hatten, den Ansprüchen nicht gerecht werden. Und dass es stattdessen wieder einmal auf eine Achterbahnfahrt durch die Saison hinauslaufen würde.

Um die sportliche Talfahrt, einhergehend mit einer fehlenden Konstanz und mannschaftlichen Geschlossenheit sowie einer spielerischen Rückentwicklung zu stoppen, zog die Vereinsführung die Notbremse: Trainer Geir Sveinsson, dessen Vertrag vor Saisonbeginn vorzeitig um zwei Jahre verlängert worden war, wurde entlassen.

Und eben hier offenbart sich in der Analyse eine der Hauptursachen für die sich bereits über Jahre hinwegziehenden Leistungsschwankungen: Bennet Wiegert ist nach dem Rauswurf von Alfred Gislason (1999 bis 2006) der neunte Trainer des SC Magdeburg innerhalb von zehn Jahren.

Und ein neuer Mann auf der Kommandobrücke bedeutet letztlich auch immer einen Wechsel des Spielsystems sowie eine Neuordnung der Mannschafts-Hierarchie und des Umfeldes. In der Summe sind das nun einmal Faktoren, die ebenso wie häufige Spieler-Ab- und Zugänge auf zentralen Positionen der Konstanz abträglich sind.

Bennet Wiegert trat ein schweres Erbe an. Aber der 34-Jährige krempelte die Ärmel hoch und stellte sich der Aufgabe mit Haut und Haar. Er warf Leidenschaft, Akribie, Fleiß und schließlich auch den Wagemut eines Jungtrainers („Ich gehe meinen eigenen Weg und mache nur noch das, was ich für richtig halte.“) in die Waagschale. Nach dem Fehlstart in der Bundesliga (Heimniederlage gegen Leipzig) ging es langsam, aber stetig bergauf. Die Verlängerung seines Vertrages bis 2018 noch vor den „Entscheidungsspielen“ war der verdiente Lohn.

Am Ende hat der SCM mit dem Erreichen des Final-Fours in Hamburg ein Saisonziel erreicht und dieses mit dem sensationellen Pokalsieg noch veredelt. Die Maßgabe, 2016/17 erneut europäisch zu spielen, wurde auf direktem Wege über die Platzierung in der Liga zwar verpasst, doch der Pokaltriumph öffnete das Hintertürchen.

Dennoch blieb Wiegert seiner Linie treu und konstatierte nach dem Scheitern im Viertelfinale des EHF-Cups gegen Göppingen und Rang acht, der erst am letzten Spieltag mit Können (Sieg über Gummersbach) und Glück (Niederlage von Wetzlar) gesichert wurde: „In der Bundesliga blieben wir hinter unseren Erwartungen zurück.“ Und auch er machte die mangelnde Konstanz als Manko aus: „Wir können an guten Tagen jeden schlagen, können aber auch an schlechten Tagen gegen jeden verlieren.“ Für die Zukunft wünsche er sich von seiner Mannschaft, dass sie „ein bestimmtes Leistungsniveau nicht unterschreitet“.

Größtes Faustpfand des SCM ist und bleibt die 6:0-Abwehr, auch wenn die Zahl der kassierten Gegentore (880) nicht gerade als Ruhmesblatt herhält. Allerdings hat sich im Deckungssystem auch eine der größten Veränderungen vollzogen, zudem musste aufgrund von Verletzungen immer wieder mal improvisiert werden.

Die Rollen wurden durch Wiegert neu verteilt. Bei der Umformierung der in der Hinrunde oftmals instabil anmutenden Abwehr – über weite Strecken mit Fabian van Olphen als tragendes Element sowie Jacob Bagersted und Neuzugang Zeljko Musa als wechselnde Partner – spielte dem Trainer der überraschende Titelgewinn der deutschen Handballer bei der Europameisterschaft zu Jahresbeginn in die Karten. Durch den Einsatz des EM-Helden Finn Lemke gewann der Mittelblock des SCM in der Rückrunde mehr und mehr an Sicherheit und Stabilität. Van Olphen fand sich indes immer öfter auf der Bank wieder. Wie es mit dem Kapitän, dessen Vertrag 2017 ausläuft, weitergeht ist eine spannende Frage. Ebenso bleibt abzuwarten, wie schwer der Wegfall von Abwehr-Säule Michael Haaß wiegt.

Die Steuerung des Angriffs oblag zum größten Teil Spielmacher Marko Bezjak. Doch die Sache hatte einen entscheidenden Haken: Der Slowene, im Vorjahr der Motor für den Durchmarsch bis auf Rang vier, wirkte teilweise angeschlagen. Mit den einen oder anderen körperlichen Wehwehchen kämpfend, lief er über weite Strecken seiner Top-Form der Vorsaison hinterher.

Das Prunkstück im Angriff ist nach wie vor der Tempogegenstoß. Rechtsaußen und Siebenmeterschütze Robert Weber war in dieser Saison offensichtlich einmal mehr die „Lebensversicherung“ – er allein warf ein Viertel aller SCM-Tore.

Wie allgemein in der Liga (21 Prozent), so fielen auch bei den Magdeburgern die meisten Tore auf Rückraum links (22 Prozent). Das war zum großen Teil ein Verdienst von Neuzugang Michael Damgaard. Der Däne kam langsam, aber gewaltig in Schuss. Am Ende war der 25-Jährige mit 155 Treffern gar der beste Feldtorschütze. Auch die Zahl der Assists (46) sowie die Wurfeffektivitat (51 Prozent) wiesen eine steigende Tendenz auf, so dass „Michi atemlos“ zum Shootingstar der Liga avancierte. Die SCM-Fans honorierten die Leistung des Halblinken mit der Wahl zum „Spieler der Saison“.

Steigerungsbedarf besteht indes auf Rückraummitte. Mit einem Anteil von elf Prozent aller Tore liegen die Grün-Roten deutlich hinter dem Liga-Trend (16 %). Aber auch das Spiel am Kreis offenbarte viel Luft nach oben. Weder Jacob Bagersted noch Neuzugang Zeljko Musa konnten die Lücke, die der Abgang von Bartosz Jurecki gerissen hat, vollends füllen.

Grundsolide, mit kleinen Ausschlägen nach oben und unten – so lässt sich die Torhüterleistung in der abgelaufenen Saison beschreiben. Ergo: Dario Quenstedt und Jannick Green haben ihren Job gemacht und sich gut ergänzt. Mit einer „Fangquote“ von 33 Prozent (Quelle Handballwoche) und einer Gesamt-Spielzeit von 19 Stunden hat Quenstedt seinem Partner (31% / 13 Stunden) dennoch den Rang abgelaufen.