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SC Magdeburg Zu viele Einzelkämpfer

Der SC Magdeburg hat mit der historischen Pleite gegen Hannover bewiesen: Es wächst nicht zusammen, was zusammengehört.

Von Daniel Hübner 18.11.2016, 00:01

Magdeburg l Quo vadis, SCM? Bei der 22:37-Niederlage gegen den TSV Hannover-Burgdorf sind viele grün-rote Herzen zerbrochen. Die Spieler applaudierten nach der Schlusssirene den Fans für deren Unterstützung, und die Fans quittierten den Auftritt mit Pfiffen und Buhrufen. Die Handballer hatten nicht nur den Sprung auf Platz sechs in der Bundesliga-Tabelle verpasst, sie hatten nach Minden (24:34) erneut eine unterirdische Leistung abgeliefert. Und das, nachdem die Verantwortlichen ihr Konstrukt zuletzt auf einem guten Weg wähnten.
„Diese Schwankungen sind unerklärlich“, sagte Sportchef Steffen Stiebler nach der Partie. Er kenne auch nicht den Punkt, an dem man sofort ansetzen könne. „Wir werden den Gesprächsbedarf abdecken“, meinte Trainer Bennet Wiegert. Den wird es indes mit ihm nicht geben. Einen Rücktritt lehnte der 34-Jährige ab: „Ich bin keiner, der wegrennt, wenn es schwieriger wird.“ Und Stiebler gab ihm sofort Rückendeckung: „Für uns stellt sich keine Trainerfrage.“ Dann ist es eine Frage des Systems.
Hannover hat ein Paradebeispiel dafür abgeliefert, wie System funktioniert: Niklas Diebel, 18 Jahre, erzielte in seinem ersten Bundesliga- spiel sein erstes Bundesligator und darf seinen Enkeln eines Tages auch noch erzählen, dass er mit dem TSV am 16. November 2016 dem SCM die höchste Niederlage seiner Bundesliga-Geschichte zugeführt hat. Das war tatsächlich ein historischer Moment.
Bei Grün-Rot drängt sich dagegen von den Youngstern, die derzeit in der 3. Liga Nord auf einem Abstiegsplatz stehen, keiner auf. Ehemalige Akteure wie Benjamin Meschke und Max Janke schreiben derweil mit dem DHfK Leipzig Erfolgsgeschichte. Und beim SCM wächst nichts zusammen, was zuammengehört. Das alles ist ein schleichender Prozess über Jahre, der dringend hinterfragt werden muss – und zwar auf allen Ebenen.
Der Prozess spiegelt sich dann in solch einer Pleite wie jene vom Mittwochabend vor 5949 Zuschauern in der Getec-Arena wie folgt wider: „Das war eine indiskutable Leistung unserer Mannschaft, wir haben in keiner Phase ins Spiel gefunden – nicht in der Abwehr, nicht im Angriff, da war es noch schlimmer“, resümierte Stiebler. Timo Kastening stellte in der 22. Minute erstmals eine Zehn-Tore-Führung für Hannover (4:14) her. Da lief das Debakel für die Gastgeber bereits auf Hochtouren.
Im Versuch, Tempo in die Offensive zu bringen, brach der SCM plötzlich alle Bemühungen ab. Stattdessen verzweifelte Blicke und Kopfschütteln. Keine Auszeit Wiegerts brachte irgendeine Besserung. „Wir haben uns im Treibsand befunden, in den wir tiefer und tiefer reingerutscht sind. Wir haben keinen Rettungsanker gefunden, um wenigstens noch um das Ergebnis zu kämpfen.“
Kein Rettungsanker, kein Leader: Vor der Saison wurde die Klasse der Akteure von Experten wie Stefan Kretzschmar gelobt, aber diese Klasse kommt nicht zusammen. Es stehen lauter Einzelkämpfer auf der Platte, die mit sich selbst beschäftigt sind. Und man muss sich fragen, ob das außerhalb der Platte nicht genauso ist. Gerade nach der Minden-Pleite wollte der SCM die Spieler näher zusammenführen, aber die Spieler sind sich als komplette Einheit nicht nahe. Das kann auf Dauer nicht zum Erfolg führen. Wie also kann man die Herren in die Pflicht nehmen? Wiegert: „In dem man sie packt und anspricht. Wir nehmen kein Blatt vor den Mund. Aber ich möchte das nicht weiterschieben. Wir sitzen alle in einem Boot, das gerade eine Menge Wasser getankt hat.“
An diesem Sonnabend steht der Auftritt im EHF-Cup an, in der heimischen Getec-Arena wird das kroatische Team RK Nexe Nasice empfangen (17 Uhr). „Wir können nicht einfach weitermachen und sagen, unsere nächste Aufgabe ist der Europapokal. Klar ist aber auch, dass wir uns ab morgen mit Nasice beschäftigen müssen“, erklärte Wiegert am Mittwochabend. „Vielleicht hilft uns das sogar.“ Hoffnung ist das Einzige, was dem SCM derzeit bleibt. Meinung