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Springreiten Eine schrecklich erfolgreiche Familie

Die Springreiter-Elite Sachsen-Anhalts traf sich am Wochenende auf dem Eichenhof Pietzpuhl. Für die Gastgeber war es ein Triumph.

Von Björn Richter 16.07.2015, 09:24

Pietzpuhl l Joan Wecke ist trotz ihrer zwölf Jahre bereits Sportlerin genug, um sich mit derart lästigen Dingen wie einem Muskelkater nicht aufzuhalten. „Sie sitzt schon wieder jeden Tag im Sattel“, berichtete Vater und Vereinschef Lutz Gotzel am Mittwoch. Wenn der Anlass am Sonntag nicht so freudig gewesen wäre, hätte man durchaus ein wenig Mitleid mit der Deutsche Vizemeisterin des Vorjahres haben können. So oft wie kein anderer der 128 Starter vom Wochenende musste das junge Talent vom RV Eichenhof Schermen-Pietzpuhl die beiden liebevoll dekorierten Strohballen, die den obersten Platz auf dem Siegerpodest markierten, nach oben klettern. Zwei Landesmeistertitel – unter den Junioren und in der Ponyklasse – sowie den Pokal in der Children-Wertung (zwölf bis 14 Jahre) heimste Joan von Freitag bis Sonntag ein. „Ohne Frage, es war ein perfektes Wochenende“, freute sich Gotzel.

Abgerundet wurde dieses durch einen weiteren Erfolg: Auch seine ältere Tochter Anne-Katrin sicherte sich in der Damen-Konkurrenz nach zwei zweiten Plätzen und einmal Rang drei während der drei M*-Wertungsspringen den Vizetitel. Unter den Besuchern hatte sich unlängst der Vergleich als „schrecklich erfolgreichen Familie“ zur geflügelten Wortgruppe entwickelt.

Übertrug man den Verwandschaftsbegriff auf die Gemeinschaft der Springreiter aus dem Jerichower Land, erwies sich das sprachliche Bild ebenfalls als treffend. Außer unter den Jungen Reitern (16 bis 21 Jahre), bei denen sich der Ihleburger Philipp Kremer einsam, aber mit Platz sieben absolut achtbar schlug, waren „JL“-er in allen Klassen auf dem Podest vertreten.

So durfte dann auch Friederike Kersten vom Wörmlitzer SV gleich zweimal die Strohballen heraufklettern. Zunächst bei den Damen, nach ihrem überraschenden Sieg beim abschließenden S*-Springen mit Stechen auch in der Hauptwertung. Stichwort Familie: Mutti Franziska war als Vertreterin des sachsen-anhaltischen Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt ohnehin mit der Aufgabe betraut, die Siegerehrung vorzunehmen und durfte so auch der eigenen Tochter Glückwünsche überbringen. Die drängendste Frage: „Und wer macht jetzt ein Bild?“

Glücklicherweise fand sich unter den Umstehenden jemand, der das Amt des Handyfotografen ausübte. Lutz Gotzel schied für die Stellenausschreibung schließlich aus. Er und das Organisationsteam vom RV Eichenhof sowie des ausrichtenden Landesverbandes der Reit- und Fahrvereine hatten schließlich alle Hände voll zu tun. Doch die Mühen lohnten: „Organisatorisch lief alles perfekt. Es war eine absolut durchdachte Veranstaltung. Diesen Eindruck haben uns Sportler, Besucher und der Verband übermittelt.“

So sprach auch Dirk Holländer davon, dass „am Wochenende alles gepasst“ hat. Tatsächlich verlief das Turnier des Ihleburgers blendend. Die ersten beiden Wertungsspringen der Schweren Klasse gewann er auf Lansdown souverän. Doch als es am Sonntag darum ging, den Titel in der „Königsklasse“ unter Dach und Fach zu bringen, stimmte ein winziges Detail nicht: „Am sechsten Hindernis hat die Harmonie zwischen Pferd und Reiter nicht gepasst“, schilderte Holländer jene folgenschweren Momente, in denen der 13-jährige Oldenburger Wallach den Sprung verweigerte, die Tür zur Siegerrunde somit verschlossen blieb und in der Endabrechnung der Meisterschaft „nur“ Platz drei blieb. „Ein Hindernisfehler hätte angesichts der starken Paare, die am Start waren, jederzeit passieren können. So ist es natürlich umso schlimmer. Aber so ist eben der Sport. Ich freue mich für den neuen Landesmeister Ralf-Werner König genauso wie er es sicher auch für mich getan hätte“, sagte Holländer und bewies dabei großen Sportsgeist.

Während der Unglückselige am kommenden Woche beim Turnier des Reit- und Fahrvereins „von Bredow“ in Lostau mit vorwiegend jungen Pferden Platzierungen anpeilt, werden auch auf dem Eichenhof die Füße nicht hochgelegt. Schließlich steht ab dem morgigen Freitag der zweite Teil der diesjährigen Landesmeisterschaften an. Gestern „haben wir die beiden Dressurvierecke aufgestellt. Dann warten noch ein paar kleinere Vorbereitungen“, berichtete Gotzel.

Derweil ist auch für den jüngste Familienspross die Saison noch längst nicht beendet. Das ganz große Jahreshighlight steht Joan Wecke noch bevor. Vom 10. bis zum 16. August werden in der Lake Arena in Wiener Neustadt/Österreich die Europameistertitel der Nachwuchsspringreiter vergeben. Nachdem sie im Vorjahr als zweitbeste Deutsche Rang fünf erreichte und seit kurzem die Qualifikation für 2015 in der Tasche hat, soll es auch diesmal auf internationaler Bühne möglichst hoch hinaus gehen. „Bis dahin gilt die Devise: trainieren, trainieren und nochmals trainieren“, lobt der Vater aus. Es gehört nicht viel dazu, um sich vorzustellen: Das mehrfache Erklimmen eines zwei Meter hohen Strohballens dürfte verglichen mit einer EM-Vorbereitung das reinste Kinderspiel sein.