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Interview der Woche Bodo Thiele, ehemaliger Fußballtrainer von Eintracht Gommern, über die aktuellen Geschehnisse "Unterm Strich ist es ein dreckiges Spiel"

25.01.2014, 01:17

Vor zwei Wochen wurde der Schönebecker Bodo Thiele von seinen Pflichten als Trainer beim Fußball-Landesklasseteam des SV Eintracht Gommern entbunden. Sportredakteur Frank Nahrstedt sprach mit dem 63-jährigen Diplom-Sportlehrer mit Spezialfachausbildung Fußball über die jüngsten Geschehnisse und Erinnerungen.

Volksstimme: Herr Thiele, kam die Entscheidung der Abteilungsleitung für Sie überraschend?

Bodo Thiele: Ich war zweieinhalb Jahre tätig. Zum jetzigen Zeitpunkt war es für mich durchaus überraschend. Sportlich gesehen konnte man nicht mehr herauskitzeln, die Mannschaft bildeten aufgrund der Verletzungssorgen zuweilen nur fünf Spieler der Ersten, ergänzt mit der Zweiten und unregelmäßig einigen A-Junioren.

Volksstimme: Hat man Ihnen gegenüber jemals geäußert, dass über eine Entlassung nachgedacht wird, wenn die Klasse nicht gehalten wird?

Thiele: Nein, die Leitung war mit meiner Arbeit zufrieden. Trotz vieler Abgänge landeten wir in der ersten Saison auf Platz sechs.

Volksstimme: Wurde jemals geäußert, dass Ihre Trainingsinhalte nicht die richtigen wären?

Thiele: Gar nicht. Es waren aber aufgrund von Verletzungen auch nicht die Spieler dafür da. Es ging immer nur darum, wie wir am Spieltag durchkommen. Ich wollte mit allen Spielern, die am Wochenende auflaufen sollen, wenigstens einmal trainieren. Das war aber nicht möglich. Einige A-Junioren haben gute Voraussetzungen. Eine Zusammenarbeit mit dem Trainer der A-Jugend, der über keine Übungsleiterstufe, geschweige denn Lizenz verfügt, war nicht möglich. Es erfolgten keine regelmäßigen Absprachen. Ich konnte die Spieler nicht kennenlernen und beobachten.

Volksstimme: Sind Sie der Überzeugung, dass Sie mit dieser Mannschaft den Klassenerhalt realisiert hätten?

Thiele: Ja. Sie ist charakterlich dazu in der Lage. Aber es hätten Veränderungen in der Abteilung sowie seitens der Verantwortlichen der A-Junioren erfolgen müssen. Es wurde nur geredet, Termine fixiert, Versprechungen getätigt. Ergebnis gleich null.

Volksstimme: Was genau meinen Sie mit mangelnder Absprache?

Thiele: Es wurde vor der Saison die Unterstützung der A-Jugend versprochen. Doch das wurde seitens der Abteilungsleitung nicht mit Nachdruck durchgesetzt. Es fehlte die Regelmäßigkeit , teilweise die notwendige Qualität, und ich selbst konnte keinen Einfluss auf die Spielerauswahl nehmen. Den A-Junioren inklusive Verantwortlichen ist es stets schwer gefallen zu akzeptieren, dass die erste Mannschaft das Aushängeschild eines jeden Vereins ist, egal wie der Trainer heißt. So konnten kein Fundament geschaffen und kein Zusammenwachsen ermöglicht werden.

Volksstimme: Wie haben Sie darauf reagiert?

Thiele: Ich wollte das nicht mitmachen. Ich kenne keine Mannschaft, in der die A-Jugendlichen nicht stolz sind, in der Ersten spielen zu dürfen und keinen Verein, in dem die A-Junioren komplett in die Erste übernommen wurden.

Volksstimme: Wäre die Unruhe in der Abteilung zu verhindern gewesen?

Thiele: Ja. Abteilungsleiter Volker Woche hat es verpasst, rechtzeitig durchzugreifen. Das hat er selbst zugegeben. Es gab Versuche, etwas zu unternehmen, aber es ist nie dazu gekommen. Es war mehr ein "Gewurschtel" als klare Strukturen, zu viele Schleichwege denn Konsequenz. Matthias Baumgarten, mein ehemaliger Co-Trainer, der im Dreiergespann mit Mario Storm und Tino Garbisch als Übergangslösung fungieren sollte zum Beispiel, ist vollkommen aus der Luft gegriffen. Er war bislang im Urlaub, mit ihm wurde bis dahin gar nicht gesprochen und er distanziert sich von diesen Plänen.

Volksstimme: Wie haben ihre ehemaligen Schützlinge die Entlassung aufgenommen?

Thiele: Aktuell sind nur noch drei von ihnen übrig, die eine neu formierte Mannschaft unterstützen möchten. Andere sind bereit, die Zweite zu unterstützen und gegebenenfalls im Sommer einen Vereinswechsel vorzunehmen, da sie sich fast ein Jahr lang durch den Abteilungsleiter und die Repräsentanten des Gesamtvereins verarscht fühlen.

Volksstimme: Gab es dazu im Vorfeld keine klärenden Gespräche?

Thiele: Darüber habe ich schon gesprochen. Letztlich war für den 18. Dezember 2013 ein Gespräch mit der Abteilungsleitung und den sportlichen Leitern vorgesehen, das dann auf den 8. Januar 2014 verschoben wurde und letztlich nicht stattfand. Warum?

Volksstimme: Aus welchen Gründen haben Sie sich vor 2,5 Jahren zum Engagement bei Gommern entschieden?

Thiele: Ich war angetan vom Umfeld, den zwei Rasenplätzen und der Sporthalle gleich nebenan, darüber hinaus nach Jahren wieder eine B-Juniorenmannschaft, die berechtigte Hoffnungen für die sportliche Zukunft machte sowie der Arbeit der Abteilung, dass der Trainer eingebunden war und eine regelmäßige Zusammenarbeit vorhanden war.

Volksstimme: Was wird ihnen von Gommern in Erinnerung bleiben?

Thiele: Eine charakterlich starke Mannschaft und eine Vielzahl an Sportfreunden, mit denen ich sportlich und sponsorentechnisch unterwegs war. Ich habe eine Mannschaft kennengelernt und geformt, die mich stolz werden lässt. Das gilt auch für die Reserve unter Trainer Jens Randel, die uns großartig unterstützt hat. Ich habe aber auch Dinge kennengelernt, bei denen ich nur den Kopf schütteln kann. Es gab eine Abteilungsleitung, die ihre Philosophie nicht durchsetzte und eine A-Jugend, die immer mehr zum Staat im Staat wurde.

Volksstimme: Können Sie sich eine erneute Tätigkeit als Trainer vorstellen?

Thiele: Ich hatte bereits zwei Anfragen. Wäre meine Entlassung im Dezember gewesen, hätte ich sicherlich anders gehandelt. So aber musste ich zwei Absagen erteilen. Wenn es sich ergibt, kann ich es mir vorstellen. Dafür müssen aber das Umfeld und die Perspektive stimmen sowie ein organisierter Nachwuchsbereich, insbesondere bei den A-Junioren, vorhanden sein. Zudem muss es insgesamt auch charakterlich passen.