1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Lokalsport Magdeburg
  6. >
  7. Fairness steht im Vordergrund

EIL

Fußball Fairness steht im Vordergrund

Der Name René Tretschok dürfte den meisten Fußball-Kennern, egal ob jung oder alt, ein Begriff sein.

Von Florian Schulz 20.10.2016, 05:00

Jübar/Wolfen l Tretschok war einer von wenigen Sachsen-Anhaltern, die einst den Sprung ins Deutsche Oberhaus geschafft haben. Heute verbringt der Wolfener seine Zeit hauptsächlich damit, selbst junge Talente zu fördern.

Unter dem Namen „Fairplay-Fußball-Camp“, unterstützt von der Sparkasse, reisen René Tretschok und seine Mitstreiter mehrmals im Jahr durch Sachsen-Anhalt, um kleinere Vereine zu unterstützen beziehungsweise deren Nachwuchs zu fördern. „Wir versuchen den Kids zu vermitteln, dass nicht immer der Erfolg im Vordergrund steht, sondern die gegenseitige Fairness“, verrät der 47-Jährige, der mit seinen Mitstreitern Robert Päßler und Benjamin Lehmeier Ende der vergangenen Woche, genauer gesagt am Donnerstag und Freitag, beim FC Jübar/Bornsen in der Westaltmark Station machte.

„Habe dem Sport so viel zu verdanken“

Genau wie die insgesamt 25 Jübarer Campteilnehmer – 14 aus der C- sowie elf aus der D-Jugend – hat auch René Tretschok einst ganz klein angefangen. In seiner Heimatstadt begann der Mittelfeldspieler bei der BSG Chemie Wolfen seine Laufbahn. „Ich habe dem Sport so viel zu verdanken“, blickt der 47-Jährige heute zurück auf turbulente Jahre – unter anderem auch in der 1. Bundesliga. Dort bestritt der Sachsen-Anhalter immerhin fast 200 Partien für Borussia Dortmund, den 1. FC Köln und Hertha BSC Berlin. In seiner Anfangszeit war dieser Schritt durch Deutschlands Zweiteilung utopisch. Als Tretschok gerade 21 und damit im besten Fußballalter war, fiel die Mauer. „Da ergaben sich auch für mich neue Möglichkeiten. Die Bundesliga war auf einmal erreichbar“, blickt der Champions-League-Sieger von 1997 sowie zweimalige Deutsche Meister mit Dortmund zurück. Der schloss sich 1986 dem Halleschen FC Chemie an, spielte dort mit keinem Geringeren als Ex-Nationalspieler Dariusz Wosz zusammen und war für den Klub erfolgreich in der DDR-Oberliga unterwegs. Auf einmal wurde die Borussia aus Dortmund auf den talentierten Mittelfeldmann, der zuvor dreimal wöchentlich im Trainingsleistungszentrum sowie dazu zweimal im Verein trainierte, aufmerksam und verpflichtete ihn nach erfolgreichem Probetraining im Jahr 1992. „Ich war total aufgeregt, als ich beim BVB vorspielen durfte“, gesteht der Wolfener. Der ging auch weiterhin einen erfolgreichen Weg. Über den 1. FC Köln kam er zu Hertha BSC in die Hauptstadt. Noch bis 2009 war René Tretschok selbst aktiv, zu diesem Zeitpunkt fungierte er bereits als sportlicher Leiter beim FC Grün-Weiß Wolfen.

Seit 1995 ist Tretschok Inhaber einer Fußballschule, die sich „Fairplay-Fußball-Camp“ nennt. „Unser Ziel ist es, kleine Vereine, deren Nachwuchs, aber auch die Ehrenamtlichen zu unterstützen“, erklärt der sympathische 47-Jährige. Die Sparkasse schreibt das Camp aus, der jeweilige Gewinnerverein darf 25 Nachwuchskicker auswählen, die kostenlos daran teilnehmen dürfen. „Es ist somit auch mein Ziel, dass Kinder, die sich das sonst nicht leisten können, mitmachen können“, so der Ex-Profi. Da die Fußballschule, die zweimal im Jahr in den Ferien auf Reisen geht, diesmal in Jübar Station machte, war René Tretschoks Ansprechpartner die Sparkasse Altmark West um den Beetzendorfer Filialleiter Nico Schulz, der das Camp auch eröffnete. „Ohne sie wäre das alles natürlich nicht möglich“, richtet der Wolfener einen Dank aus. Das Fairplay-Camp („Man lernt dadurch viele neue Vereine und Leute kennen“) war nach Beetzendorf im vergangenen Jahr sowie Jahrstedt vor rund einem halben Jahr bereits zum dritten Mal in der Westaltmark zu Gast. Tretschok, der traditionell immer am zweiten Tag selbst vor Ort ist, war überwältigt von der „Herzlichkeit“ und der guten Organisation des Vereins. Am Donnerstag wurden drei Trainingseinheiten – zwei davon im Freien sowie eine in der Halle – durchgeführt. Weiter ging es am Freitag mit zwei Vormittagseinheiten auf dem Platz sowie einer abschließenden Mini-Europameisterschaft in der Kahnberghalle. Frankreich ging im fünf Teams umfassenden Feld übrigens als Sieger hervor. In der Zwischenzeit war die Verpflegung in ausreichender Form abgesichert, dazu stand auch noch der eine oder andere Theorieteil an. Beispielsweise durften sich die Kinder auf einem Plakat auslassen, was ihnen zum Thema „Fairplay“ einfällt. „Es ist alles positiv abgelaufen. Die Kinder sind sehr freundlich und haben Spaß“, freut sich der 47-Jährige, um zu ergänzen: „Uns hat es hier sehr gefallen und wir würden gern wieder in diese Region kommen.“

„Es haben sich alle wohlgefühlt“

Auch für den FC Jübar/Bornsen, der dieses Camp über die Fairplay-Soccertour der Sparkasse gewonnen hatte, war es eine Ehre, René Tretschok und seine Trainerkollegen begrüßen zu dürfen. „Wir sind stolz darauf, gerade weil auch alles reibungslos abgelaufen ist und sich alle Teilnehmer und Trainer wohlgefühlt haben. Zudem haben auch alle gut mitgezogen“, freute sich FC-Vorstandsmitglied Benjamin Hendrich. Für die Kids gab es übrigens nach dem Camp nicht nur viele lobende Worte von Tretschok und seinen Kollegen, sondern auch zuvor schon Trikots, eine Trinkflasche sowie einen kleinen Fußball. Schon in der Fragerunde gab der ehemalige Profi den Nachwuchskickern wertvolle Tipps. „Es ist wichtig, dass die Kinder die gleiche Leidenschaft für den Fußball auch in die Schul- sowie später in die Berufsausbildung stecken“, erklärt der Sachsen-Anhalter. Denn eines ist klar: „Heute können in Deutschland vielleicht 2000 Spieler vom Fußballspielen leben. Das ist bei über 80 Millionen Einwohnern nicht gerade viel. Man sieht, dass es sehr schwierig ist, ins Profigeschäft zu gelangen. Man sollte also nicht unbedingt auf diese Karte setzen.“ Allerdings kann sich René Tretschok gut in die Jugend von heute, die eines Tages von der Bundesliga träumt, hineinversetzen. „Ich war früher genauso“, gibt der 47-Jährige offen und ehrlich zu. Doch nebenbei legte der Wolfener trotzdem erfolgreich sein Abitur ab und ließ die Schule nie aus den Augen. Als Trainer der U19 von Hertha BSC Berlin (2009 bis 2012) erlebte Tretschok diesbezüglich einige unschöne Dinge. „Da gab es mehrere Eltern, die ihre Kinder aus der Schule genommen haben, damit sie sich gänzlich auf den Fußball konzentrieren können. Einige von ihnen haben sich später verletzt und dann war der große Traum geplatzt“, verrät der 47-Jährige. Dennoch möchte er jedem Nachwuchsspieler Mut machen, für sein großes Ziel zu kämpfen. „Wer kontinuierlich seine Leistung bringt und verletzungsfrei bleibt, kommt irgendwann mit Sicherheit an die Schwelle zum Profigeschäft“, so der Fußballlehrer, der 2012 nach der Entlassung von Michael Skibbe zunächst für ein Spiel als Interimstrainer von Hertha BSC Berlin (0:1 Borussia Dortmund) im Einsatz war und später für die Hauptstädter als Co-Trainer von Otto Rehhagel arbeitete.

Dass es gerade aus Sachsen-Anhalt („Zu DDR-Zeiten wurden hier noch viele gute Spieler ausgebildet“) nur noch wenige Akteure ins Profigeschäft schaffen, ist René Tretschoks Ansicht nach dem demographischen Wandel geschuldet. „Viele Einwohner gehen speziell wegen Studium und Beruf verloren“, weiß der Ex-Profi. Insgesamt, glaubt der 47-Jährige, sind die Bedingungen deutschlandweit ganz sicher nicht schlechter geworden. „Wenn ich die Nachwuchsleistungszentren heute und dazu die vielen top ausgebildeten Trainer sehe, kann man schon sagen, dass da eine Menge entstanden ist“, erklärt der Wolfener. Der bedauert es zudem, dass keine Mannschaft aus unserem Bundesland im Profifußball spielt. Am ehesten traut er dies in Zukunft den beiden Aushängeschildern 1. FC Magdeburg und Hallescher FC zu. „Mit den Fans, der guten Infrastruktur sowie den wirtschaftlichen Möglichkeiten kann ich mir schon vorstellen, dass es diese beiden Klubs irgendwann zumindest in die 2. Liga schaffen“, gibt sich Tretschok optimistisch. Sollte dies wirklich der Fall sein, kommen womöglich auch junge Spieler aus Sachsen-Anhalt oder sogar aus der Altmark ihrem Traum vom Profigeschäft ein Stück näher. Den einen oder anderen Youngster, der irgendwann vielleicht das Potenzial dazu hat, sah René Tretschok womöglich schon kürzlich beim Camp in Jübar.