1. Startseite
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Lokalsport Magdeburg
  6. >
  7. Emotionale Berg- und Talfahrt

Handball Emotionale Berg- und Talfahrt

Die SG Lok Schönebeck aus der Sachsen-Anhalt-Liga rettete sich. Das aber erst weit nach Saisonende.

Von Franziska Herz 16.06.2017, 01:01

Schönebeck l Im vergangenen Jahr hatten die Schönebeckerinnen wahrlich mit Rückschlägen en masse zu kämpfen. Am auffälligsten für die Anhänger war mit Sicherheit die Aberkennung der Punkte in sechs Begegnungen. Gegen den Magdeburger SV, den Dessau-Roßlauer HV, TSV Niederndodeleben II, TSG Calbe, FSV Magdeburg und die BSG Aktivist Gräfenhainichen in der Hinrunde mehr oder weniger vergebens gekämpft. Fünf Punkte hatte das Lok-Team gesammelt. Befand sich auf einem Platz in der Tabellenmitte. Doch was war passiert? „Wir haben vergessen, auf dem Ausweis das Zweitspielrecht eintragen zu lassen“, erklärt Dirk Schedlo. Aufgrund der vielen Verletzten griff die Lok auf mehrere A-Jugendliche zurück. Was fehlte war ein Stempel. Eine Formalität. „Es ist schade, dass der Handball-Verband Sachsen-Anhalt das nicht selbst schon früher festgestellt hatte“, hadert der Trainer natürlich immer noch ein bisschen. Aber bekanntlich nahm die Geschichte der Lok-Frauen ein gutes Ende. Und so ist bereits Gras über die Angelegenheit gewachsen. „Es ist durchgestanden. Das passiert uns nicht wieder.“

Und da die Flasche ja bekanntlich halb voll und nicht halb leer ist, zogen die Elbestädterinnen aus diesem Fiasko neue Kraft. „Es hat sich eine regelrechte Trotzreaktion eingestellt“, beschreibt Schedlo die harte Zeit. „Die Frauen haben sich dann gesagt: ‚Jetzt erst recht‘.“ Und das zeigte Wirkung. Gegen den Magdeburger SV (24:20, A), den TSV Niederndodeleben II (34:30, A), die TSG Calbe (27:21, H) oder im letzten Punktspiel gegen den SV Anhalt Bernburg (36:34, H) fuhren die Schönebeckerinnen nachfolgend Siege ein. Das Highlight der Saison wurde damit schon genannt. Der Derby-Sieg gegen die TSG Calbe war ein ganz besonderer Moment in diesem turbulenten vergangenen Jahr. „Weil das ein richtungsweisendes Spiel war“, erklärt Schedlo. „Weil es bewiesen hat, dass sich die Mannschaft noch einmal aufgebäumt hat.“ Sieben Tage vor Saisonende ging noch mal ein Ruck durch das Team. Vor allem war es auch ein Heimspiel. Ein kleiner großer Erfolg vor den eigenen Fans. „Das war schön.“

Aber was wäre die vermurkste Saison, wenn es nicht auch in der Begegnung gegen Calbe Pech zu beklagen gäbe. Zwei weitere Spielerinnen verletzten sich und fielen aus. Was bereits zu Beginn der Spielzeit seinen Anfang nahm, setzte sich im Laufe der Zeit fort. Aus einem ursprünglich gut aufgestellten Kader blieben am Ende sieben Damen übrig. Plus zwei auf der Bank. Allerdings waren auch diese verletzt. Die Sieben litt mit. „Es ging jedes Mal ein kleines Zucken durch die Mannschaft, wenn sich wieder jemand verletzte“, weiß Schedlo. „Das wünscht man keinem. Jeder Ausfall ist wie ein Stoß in das Herz.“ Doch trotz jeden Schmerzes, die Handballerinnen zogen aus allen Schwierigkeiten die wohl größte Erkenntnis: „Sie haben begriffen, dass sie mit anderen zusammen etwas bewirken können. Es ist toll, wie sich die Frauen füreinander eingesetzt haben und an einem Strang zogen.“ Die Mannschaft hat gelernt zusammenzuwachsen.

Wie könnte sich das deutlicher zeigen, als in dem Fakt, dass auch verletzte Spielerinnen die Zähne zusammenbissen und sich für ihr Team auf die Platte stellten. Da wäre zum Beispiel Nicole Krause, die angeschlagen spielte oder sich sogar in das Tor stellte, als alle Keeperinnen ausfielen. Oder Cindy Degen, die sich trotz stark geschwollenem Knie nicht daran hindern ließ, die Frauen zu unterstützen. „Die Mannschaft hat sich sehr stark gefestigt“, betont der Coach gern einmal mehr.

Und die, die bis zum letzten Spiel fit waren, „haben eine unheimlich starke Saison gezeigt. Hut ab. Das ist nur mit Eigeninitiative zu schaffen“. Vor allem geht da ein riesen Lob und besonderer Dank an Carolin Schedlo. Sie blieb glücklicherweise verletzungsfrei und war bei jeder Partie für ihre Mannschaft da. Dafür nimmt Carolin sogar einen großen Umstand auf sich, denn sie wohnt 200 Kilometer von Schönebeck entfernt und fährt jedes Mal in die alte Heimat. Dieses Engagement ist ansteckend im gesamten Team, an das ein ebenso herzlicher Dank geht.

Nach dem letzten Spieltag stand dann fest: die Handballerinnen der SG Lok Schönebeck steigen in die Bezirksliga ab. Theoretisch. Doch praktisch kam es anders. Der HBC Wittenberg verzichtete auf sein Aufstiegsrecht – gut für die Lok. Denn so bleiben die Elbestädterinnen in der Sachsen-Anhalt-Liga. „Wir haben die Neuigkeit aufgenommen und uns sehr gefreut. Einige haben sogar ihre Urlaubsplanung verschoben.“ Auch das zeigt den gewachsenen Zusammenhalt. Die Vorbereitungen beginnen nun nämlich zwei Wochen früher. Am 11. Juli stehen die Damen zum ersten Check-up der neuen Saison bereit. „Das ist der unbeliebteste Tag im ganzen Jahr“, schmunzelt Schedlo. Der Fitnessstand der Sportlerinnen wird ermittelt. Anhand der Ergebnisse entscheidet sich, wie die Vorbereitungswochen ablaufen.

Abgänge gibt es bei den Lok-Frauen zur neuen Spielzeit keine. Dafür kehren Pia Schrader (verletzt) und Janka Bauer (Babypause) zurück. Und ein Neuzugang wird in Schönebeck begrüßt. Tugce Kümüs stammt aus Hamburg, studiert jetzt in Bernburg und hat sich die SG Lok als neuen Verein ausgesucht.

Ausruhen heißt es bis Mitte Juli dennoch nicht. Die Frauen treffen sich einmal pro Woche und treiben zusammen Sport, verrät der Coach. Vornehmlich zum Beachvolleyball. „Das ist nichts für die Fitness, aber die Damen bleiben im Gange.“ Im Gange, um in der neuen Saison anzugreifen. Mit neuer Stärke und einer ordentlichen Portion Selbstvertrauen.