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Leichtathletik Die „Grande Dame“ kann es noch

Nadine Müller vom SV Halle gewinnt mit 64,31 Metern das Diskuswerfen beim 12. SoleCup in Schönebeck. Ganz zufrieden ist sie aber nicht.

Von Enrico Joo 02.06.2017, 23:01

Schönebeck l Nadine Müller war nach dem Wettkampf mitten im Experten-Gespräch, den Rücken hatte sie zu den Zuschauern gedreht, als eine Stimme von hinten wisperte: „Nadine, krieg ich ein Autogramm?“, fragte der Mann aus dem Hintergrund. „Klar, gerne“, sagte Müller, drehte sich um und erkannte ihren Vereinskollegen Sebastian Scheffel vom SV Halle. Der lachte. Und Müller entgegnete scherzend: „Spinner.“

Na klar. Nadine Müller war gestern beim SoleCup gut gelaunt. Schließlich hatte sie den Diskuswettbewerb der Frauen vom ersten Wurf an dominiert. Die 64,31 Meter waren sofort Bestweite. Und blieben es auch. Trotzdem haderte sie. Die zweifache Medaillengewinnerin bei Weltmeisterschaften und Vize-Europameisterin von 2012 kann natürlich mehr. Auch in diesem Jahr hat sie schon weiter geworfen. Vor zwei Wochen in Halle beim Heimwettkampf zum Beispiel gewann sie mit 65,76 Metern. Jetzt hätte sie also gern noch einen Meter draufgepackt. Dass der fehlte, hatte aber Gründe. „Bei gefühlt über 30 Grad ist die Thermik gleich null“, klagte sie. „Das macht einen Unterschied. Der Wind half gar nicht.“ Sie fand das alles „ausbaufähig. Aber gewonnen ist gewonnen.“

Müller (31 Jahre) hat es wieder geschafft, die stürmische Konkurrenz aus dem eigenen Lager fernzuhalten. Die „Grande Dame“ des deutschen Diskuswerfens kann es noch. Aber die „jungen Wilden“, sie drücken. Immer mehr. Da ist zum einen Claudine Vita. Die 20-Jährige vom SC Neubrandenburg könnte den ganz großen Durchbruch schaffen im Jahr 2017. Zweimal hatte sie schon ihre persönliche Bestleistung verbessert. Zuletzt vergangene Woche in Neubrandenburg auf 64,45 Meter.

Zur Erinnerung: Medaillen bei Olympia 2016 und WM 2015 wurden - bronzebehangen - bei 65,53 und 65,34 Metern vergeben. Sie ist also dran. Gestern in Schönebeck hieß es: Platz zwei mit 63,80 Metern. „Ich bin trotzdem zufrieden“, sagte sie. Auch sie haderte mit nicht vorhandenem Wind und hohen Temperaturen. Dritte wurde die nächste junge Wilde Shanice Craft (24). Mit 63,18 Metern schaffte sie einen gelungenen Saisonauftakt. Denn noch im April hatte eine Oberschenkelverletzung die zweifache EM-Dritte zum Zusehen gezwungen. „Ich konnte fünf Wochen nicht werfen. Die Verletzung ist abgeheilt, aber mir fehlt noch die Routine. Mit dem Einstieg bin ich aber zufrieden.“

Natürlich hatte sie damit auch die WM-Norm geschafft. Genauso wie Anna Rüh (SC Magdeburg), die gestern aber nur auf 61,81 Meter kam. Und Julia Harting, die die Norm ebenfalls schon in der Tasche hat, war ja verletzungsbedingt gar nicht am Start. Es wird eng. Denn es bleibt dabei: Es gibt nur drei Plätze für die WM in London im August. „Es ist schön, so eine Situation zu haben“, sagte Müller. „Die Küken rücken heran. Das pusht ungemein.“ Natürlich will Müller ihren Titel bei den Deutschen Meisterschaften verteidigen. Es wäre der siebte. Dass das immer schwerer wird, freut die deutsche Vorzeigediskuswerferin aber ungemein.