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Volleyball Das sportliche Lächeln ist zurück

Wie die gebürtige Schönebeckerin Lisa Stock die Lust auf Volleyball zurückgewonnen hat.

Von Enrico Joo 19.05.2017, 23:01

Schönebeck l Lisa Stock und ihr Freund Franz nutzten den Spaziergang in der alten Heimat an der Elbe, um das sagenumwobene Verbrecherpärchen Bonnie und Clyde Gassi zu führen. Es sind die ersten warmen Tage im Frühling und die 22-jährige Volleyballerin, die ja gerade in der Saison so selten in Schönebeck ist, zeigte den gleichnamigen Hunden, den französischen Bulldoggen, die Stadt, in der sie geboren ist. Ein familiärer Besuch stand an. Und Lisa Stock nutzte das auch, um tolle Neuigkeiten zu verkünden. Und um zu erzählen, wie es ihr sportlich so im vergangenen Jahr ergangen ist.

Die Schönebeckerin, die einst beim SV Pädagogik ihre ersten Volleyball-Schritte gemacht hat, zog mit 13 Jahren nach Dresden, um ein Star zu werden. Zumindest ein kleiner in ihrer Sportart. Nein, ein Vollprofi ist Libera Stock, die Verteidigungsspezialistin, nicht. Aber über all die Jahre hatte sie sich beim Erstligisten Dresdner SC, dem Aushängeschild im deutschen Frauen-Volleyball, etabliert, wurde mehrmals Deutsche Meisterin.

Im Sommer 2016 war sie dann, auch leicht gefrustet über die weniger werdenden Spielzeiten, nach Thüringen zum Aufsteiger Schwarz-Weiß Erfurt gewechselt. Da wurde aus der sportlich leicht verbitterten Lisa Stock, die ihre Volleyball-Schuhe ja fast an den Nagel gehangen hätte, eine wieder strahlende Sportlerin. Erfurt war ein Volltreffer für Stock. Sportlich gesehen.

Auf dem Spielermarkt war sie interessant geworden. Mehrere Angebote gab es aus Liga eins, auch von anderen namhaften Vereinen. Stock durfte wählen. Vergangene Woche verkündete sie dann, dass sie zum 1. VC Wiesbaden wechselt, dem traditionsreichen Verein in Hessen. Beim Team, das 2010 Deutscher Vizemeister wurde und seit 2004 ununterbrochen in der ersten Liga spielt. Ende Juli steht der Umzug von Erfurt nach Wiesbaden an. „Ich habe Erfurt als Sprungbrett genutzt“, sagt Stock. „Ich habe mich dort eigentlich vom Umfeld her sehr wohl gefühlt.“

Nachdem aber klar war, dass Erfurt die Liga nicht halten wird, war auch Stock klar: Sie muss weiterziehen. „Zweite Liga kam für mich nie in Frage.“ Trotzdem hat sie viel mitgenommen. Sie hat gelernt, Verantwortung zu übernehmen auf dem Feld. Mit ihren gerade mal 22 Jahren ist sie in Erfurt zur Führungsspielerin gereift. Auch, wenn sie sich damit nie brüsten würde. „Das mit der Verantwortung läuft einfach so mit“, sagt sie bescheiden.

Nun also Wiesbaden. Ein Verein, der sofort Eindruck hinterlassen hat. „Da sind die Strukturen professioneller als in Erfurt“, erzählt Stock. Sie hat einen Zweijahresvertrag unterschrieben, den sie auf alle Fälle erfüllen wird und wird wieder Stammlibera sein und, was ihr vor allem wichtig ist, sie kann ihre Ausbildung als Bauzeichnerin beenden. Stock geht in Wiesbaden ihr drittes und letztes Lehrjahr an. „Das war mir wichtig, dass ich die Ausbildung beenden kann.“

Aber sie ist natürlich auch froh darüber, dass in Wiesbaden, logischerweise, alles organisierter läuft. Co-Trainer gab es in Erfurt zum Beispiel nicht. „Wir hatten da viele Freiräume“, erklärt Stock. „Und mussten viel allein machen.“ Weil die professionelle Rundumversorgung aus sportlicher Sicht aus personellen Gründen einfach nicht möglich war. Gerade für die ganz jungen Spielerinnen war das schwierig, die noch ein bisschen mehr Führung gebraucht hätten. War das auch ein Grund für den Abstieg? „Vielleicht. Aber wir waren schon ein gutes Team“, so Stock. Am Ende waren es auch nur Nuancen, die gefehlt haben. Entscheidend waren die beiden Spiele gegen Suhl und den VCO Berlin. Hätte Erfurt diese beiden Partien gewonnen, hätte es wohl gereicht. Aber der Klassenerhalt wird eben nicht im Konjunktiv zusammengeschustert.

Klar ist aber: Stock mauserte sich zur absoluten Führungsspielerin in der Saison. Mehrmals wurde sie zum „Most valuable player“ (MVP) gewählt. Also zur wertvollsten Spielerin. Die größte Wertschätzung wurde der 22-Jährigen aber am 12. April zuteil. Da verkündete der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) auf seiner Homepage den 24 Kopf starken Kaderkreis der Nationalmannschaft für die Lehrgänge und Turniere im Sommer. Lisa Stocks Name tauchte auch auf. Das erste Mal. Per Mail wurde sie damals darüber informiert.

Ob sie sich gefreut hat? Nur so halb. „Das ist für mich nie wirklich ein Traum gewesen“, sagt sie freimütig. „Ich habe nie daran gedacht.“ Stock weiß also auch gar nicht, ob sie daran teilnimmt. Denn gerade in der Zeit, in der die Lehrgänge anstehen, steht für die Berufsanfängerin eine wichtige Zeit in der Ausbildung an. Sie müsste all die verlorenen Stunden nacharbeiten. Das will Stock eigentlich nicht. Das zeigt aber auch: Die Schönebeckerin ist trotz der Lobhudeleien im vergangenen Jahr bescheiden geblieben. Die berufliche Ausbildung ist das wichtigste in ihrem Leben. Erst an zweiter Stelle kommt der Sport. Und wenn dabei sogar eine Nominierung für die Nationalmannschaft herausspringt, dann nimmt sie das gern mit. Oder eben auch nicht. Das macht sie nicht unglücklich.

Für ihre Fans bliebe sie trotzdem ein Star. Im sozialen Netzwerk Facebook hat Stock fast 10 000 „Likes“ gesammelt. Pro Tag bekommt sie im Schnitt 20 Nachrichten. Zusammen mit ihrem Freund beantwortet sie alle. Schon jetzt dauert das zwei Stunden am Tag. Noch kann sie das stemmen. Die Basisarbeit ist ihr wichtig. Aber wenn das mit der steiler gewordenen Karriere so weiter geht, kann es durchaus passieren, dass die Volleyballerin das irgendwann nicht mehr schafft. Das wäre eben die schwere Bürde, die sie gern trägt. „Ich freue mich einfach auf die neue Saison.“ So einfach ist das. Lisa Stock geht ihren Weg.