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Fußball Aus Liebe zum Sport und zum Verein

Förderstedt muss in der Landesliga am Sonnabend nach Irxleben. Auch Michael Buschke wird dabei sein. Dabei wollte er sich zurückziehen.

Von Enrico Joo 24.11.2016, 23:01

Förderstedt l Die Schreie der hungrigen fünf Monate alten Zwillingsmädchen im Hintergrund waren unüberhörbar. Michael Buschke musste schon seine berüchtigte laute Stimme im gemäßigten Maße einsetzen, um sich Gehör zu verschaffen. „Grad passt es nicht. Der Nachwuchs macht Lärm. Ich rufe später noch mal an“, sagte er nur. Was er dann auch tat. Während eines für die Töchter beruhigenden Spaziergangs.

Der Fußballer vom Fußball-Landesligisten SV Förderstedt ist ein Mann, der an vielen Stellen als Baumeister gebraucht wird. Zu Hause als Familienvater, im Beruf als Teamleiter in einer Produktionsfirma für Windmühlen und im Sport als lautstarker Abwehrchef in Förderstedt. Der 33-Jährige, der zudem ja auch noch Co-Trainer beim SVF ist, ist wahrlich zu bemitleiden. Die Frage ist natürlich: Wie bekommt er das nur alles unter einen Hut? Wie hält er das aus, immer unter Strom zu stehen?

Rückblende: Im Sommer hatte der Innenverteidiger angekündigt, kürzer treten zu wollen. Die Gründe lagen auf der Hand. Seine Frau Michaela war hochschwanger mit den Zwillingsmädchen Mila und Marie. „Sollte Not am Mann sein, könnte ich mir vorstellen, auch nochmal auszuhelfen“, sagte er damals. „Vorrang hat ganz klar die Familie. Sollte etwas nicht in Ordnung sein, steht der Fußball nicht mehr an erster Stelle.“

Und nun? Buschke hat nicht eine Minute im Saisonverlauf verpasst. Nur Maximilian Loch kann das noch von sich behaupten. Geplant war das natürlich nicht. „Eigentlich war im Sommer ausgemacht, dass ich nur noch die Heimspiele mitmache“, sagt Buschke. Der SVF war auf der Suche nach Verteidigern. Doch die Gespräche zerschlugen sich. Buschke machte eine sportliche Rolle rückwärts und stellte sich in den Dienst der Mannschaft. „Ich habe dem Verein ja auch was zu verdanken.“ Aus Liebe zum Sport und zur Mannschaft war er wieder an Bord.

Obwohl das sportlich vielleicht fragwürdig ist. „Ich trainiere vielleicht zweimal im Monat“, erklärt Buschke. „Und ab und zu leite ich das Training, wenn Enno (Trainer Enrico Tietzel, Anm. d. Red.) berufsbedingt nicht kann.“ Der Trainer sagt dann immer zu mir, dass ich mir die Körner eben im Spiel holen muss.“

Trotzdem ist das mit der Fitness für den 33-Jährigen freilich nicht mehr wie früher. „Gegen Calbe am Wochenende hat in den letzten 15 Minuten die Kraft gefehlt“, gibt Buschke zu. Er hätte ausgewechselt werden müssen, hielt aber tapfer durch. „Die Mannschaft ist topfit. Außer ich.“ Buschke lacht. „Es ist schon so, dass der Rest der Mannschaft für mich mitlaufen muss.“ Und seine Teamkollegen verstehen das auch. „Sie akzeptieren meine Situation“, sagt er.

Denn neben dem Sport und der Familie arbeitet Buschke ja auch noch in drei Schichten. Auch Nachtschichten muss er alle drei Wochen schieben. Als der SV Förderstedt zum Beispiel vor einem Monat in Magdeburg bei Germania Olvenstedt spielte, war das für Buschke besonders heikel. Eine Stunde vor Spielbeginn hatte er erst Feierabend, 20 Minuten vor Anpfiff war er dann am Sportplatz. Eine kurze Taktikbesprechung mit Enrico Tietzel gab es, dann zog er das Trikot über und ging auf den Platz, um Fußball zu spielen. Fast ohne Erwärmung.

Zu Hause saß seine Frau mit den Kindern. Fast jedes Wochenende fehlt der frisch gebackene Papa. Da braucht es viel Verständnis. „Meine Frau kann das gut einschätzen, sie war früher selbst Volleyballerin“, sagt Buschke. Sie weiß also, wie das ist im Sport. Spiele finden nun mal am Wochenende statt. „Ich bin sehr froh, dass sie mir den Rücken freihält und keine Vorwürfe macht. Aber es ist ein schmaler Grat. Ich will ja auch für die Frau und die Kinder da sein und es allen Recht machen.“

Aber Buschke lebt eben für den SV Förderstedt. Und möchte auch nicht nein sagen. Die Alternative wäre, dass die sowieso schon wacklige Abwehr ohne gelernte Innenverteidiger auflaufen muss. Das will er ja auch nicht. Buschke ist laut auf dem Rasen, er weist an, gibt gestikulierend die Richtung vor. Aber gerade in Förderstedt ist das Publikum auch sehr kritisch mit der Mannschaft. Gerade mit dem nicht mehr ganz so antrittstarken Buschke, von dem einfach nicht verlangt werden kann, dass er noch genauso schnell ist wie vor ein paar Jahren. „Man hört die Kritik auch auf dem Feld. Aber das prallt an mir ab. Das ist positiver Stress.“

Den er sich antut, weil er helfen will und an das Team glaubt. Am Sonnabend müssen die Förderstedter im Abstiegskampf zum SV Irxleben. Seit vergangenem Wochenende steht der SVF wieder unter dem Strich. Was Buschke nicht bedrohlich findet. „Das ist kein Problem. Wir wissen ja, dass es nur gegen den Abstieg geht.“ Er sieht trotzdem Potenzial in der Mannschaft. „Sportlich gesehen ist die Mannschaft besser als die vergangenen ein bis zwei Jahre.“ Nur die Tabelle zeigt das noch nicht.

Das Spiel in Irxleben wird trotzdem nicht einfach. „Das ist eine sehr kampfbetonte Mannschaft, die auch eine gute technische Ausbildung hat. Vom Kader her ist das eine Verbandsliga-Mannschaft“, schätzt Buschke ein. Gegen die Förderstedt oft schlecht ausgesehen hat. Acht Duelle gab es bisher. Ein Remis und einen Sieg holte der SVF nur gegen Irxleben, sechs Spiele gingen verloren. Erfreulich: Das letzte Aufeinandertreffen im Mai diesen Jahres gewann Förderstedt zu Hause mit 2:1.

Vielleicht gelingt den Förderstedtern dann am Sonnabend auch mal auswärts ein Coup gegen den Favoriten. Das wäre für den „zusammengewürfelten Haufen“, wie Buschke das Team nennt, ein toller Erfolg. Dann kann der Sportler beschwingt nach Hause fahren und zum Familienvater werden. Wie jedes Wochenende.

Es fehlen: Marco und Marcus Janich (langzeitverletzt); Maik Teutloff (rotgesperrt); SR: Christopher Große (Grün-Weiß Wimmelburg)