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Fußball Der letzte Straßenfußballer

Fast 450 Spiele hat Marcel Mähnert mittlerweile für den SV 09 Staßfurt absolviert.

Von Enrico Joo 02.09.2016, 23:01

Staßfurt l  Der Dauerbrenner ist ein Vorbild in Sachen Kampfkraft, Einsatz und Willen. Das hat er auch auf der Straße gelernt. Wie alt Marcel Mähnert war? Das weiß er wirklich nicht mehr so genau. „Vielleicht 14 oder 15?“, sagt er. Dafür kann sich der 29-jährige Fußballer vom Landesklasse-Team SV 09 Staßfurt noch ganz genau an die Szene an sich erinnern. Der kleine Marcel wollte Fußball spielen auf dem Sportplatz in Neundorf, einfach kicken. So wie jeden Tag. Das Problem: Es war Winter. Es lag Schnee. Sehr viel Schnee. Fußball spielen wollten die Jugendlichen trotzdem. „Zwei Stunden waren wir mit Schnee platt treten beschäftigt. Dann haben wir eine Stunde Fußball gespielt und dann war es dunkel.“ Er lacht. Aufwand und Nutzen standen im krassen Missverhältnis.

So war das eben damals. Da wurde gegen Dosen gekickt manchmal. Mähnert war jeden Tag draußen. Er war Straßenfußballer, so bezeichnet er sich selbst im Nachhinein. Vielleicht einer der letzten. Denn in einem Verein hat er in der Zeit nicht gespielt. „Bis zur D-Jugend habe ich in Neundorf gespielt“, erzählt Mähnert. Dann meldete er sich ab. Weil er keinen mehr kannte. Die Leidenschaft für Fußball aber blieb. Jeden Tag auf Achse. Bis es dunkel wird gegen das Leder treten. Das hat geprägt. Über vier Jahre kickte er ohne Regeln, nur aus Spaß an der Freude. Erst in der A-Jugend hatte sich Mähnert wieder in einem Verein angemeldet. Das war der SV 09 Staßfurt, in dem er heute noch spielt. „Der Wiedereinstieg ist mir leicht gefallen“, sagt er heute.

Die Vita des erfahrenen Linksverteidigers erklärt vielleicht, warum Mähnert so ist, wie er ist. Zweikampfstark, gibt nie einen Ball verloren, unermüdlicher Renner auf der Außenbahn. Aufgeben? Nein, dieses Wort gibt es nicht. Trainer Jens Liensdorf, der noch selbst mit Mähnert zusammengespielt hat, schätzt ihn als ruhigen und sachlichen Typ. „Es zeichnet ihn aus, dass er sich für die Mannschaft opfert, sich dreckig macht. Das ist Gold wert.“ Auch Liensdorf weiß, dass Mähnert nie der beste Techniker war und auch nicht mehr werden wird. Die besten Jahre der Ausbildung im Verein hat Mähnert verpasst. Liensdorf drückt das so aus: „Er wird kein Messi mehr werden. Das weiß er auch. Aber durch seine Schnelligkeit macht er vieles wett“, lobt Liensdorf.

Am Sonntag tritt er mit seinem SV 09 in der zweiten Runde des Salzlandpokals beim Kreisligisten BSC Biendorf an. Ob er auch spielt? Mal sehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Mähnert auf der Bank Platz nehmen muss. Was der Außenbahnflitzer, der früher mal Stürmer war, hinnimmt. Es gibt Gerangel um die Plätze, es wird gekämpft. Niemand ist gesetzt. Auch Mähnert mit all seiner Erfahrung nicht. Im aktuellen Kader ist der 29-Jährige der Spieler mit den mit Abstand meisten Einsätzen. Fast 450 Spiele hat er mittlerweile für seine Farben absolviert. Er war damals dabei, als der SV 09 bisher letztmals Verbandsliga spielte vor sechs Jahren. Er war auch dabei, als es dann bergab ging. Bis in die Landesklasse. „Da hatte ich auch Abschiedsgedanken und Angebote aus der Verbandsliga“, erzählt Mähnert. Zwölf Spieler waren gegangen. Aber Mähnert blieb. „Ich bereue nichts. Ich fühle mich wohl hier, habe meine Freundin in Staßfurt.“ Die persönliche Entwicklung, als Mensch zu reifen, war ihm wichtiger als der sportliche Durchbruch.

Aber gern würde er wieder dahin zurück, wo er her gekommen ist. „Das ist mein Anspruch.“ Landesliga, auf lange Sicht vielleicht wieder Verbandsliga. Mit der aktuellen Truppe ist viel möglich. „Da wächst was zusammen. Das trägt“, sagt Mähnert. „Ich bin begeistert von der Euphorie, die auch Jens Liensdorf verbreitet. Das habe ich nicht oft gesehen.“ Der Weg ist noch lange nicht zu Ende.